Bis zur Impfpflicht stehen die Impfstraßen weiter offen. Allerdings nicht mehr jene in der Hofburg, von der dieses Bild stammt, da konnte man sich nur am Nationalfeiertag impfen lassen.

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Spätestens seit dem Interview von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) in der "ZiB 2" am Montag ist klar: Fix ist noch wenig, wenn es um die Impfpflicht geht. Gebetsmühlenartig wiederholte er folgenden Satz in unterschiedlichen Ausführungen: "Die Details zur Impfpflicht werden jetzt besprochen, wir haben letzte Woche einen breiten Dialog gestartet mit Experten."

Dennoch liegt ein Entwurf vor, der schon recht konkret ist. Darin ist unter anderem festgeschrieben, wer sich unter welchen Umständen von wem ein Ausnahmeattest holen kann, das ihn oder sie von der Impfpflicht befreit. Festgelegt ist ebenfalls, wie hoch die Strafen sein können und wie oft sie zu zahlen sind – wenn auch mit Unklarheiten versehen.

Atteste von Hautärztinnen und Psychiatern

Doch erst zu den Ausnahmen. Es ist ein breites Feld an Ärztinnen und Ärzten, die entscheiden können, dass jemand nicht geimpft werden kann. Konkret darf das ein "Vertragsarzt oder eine Vertragsgruppenpraxis für Allgemeinmedizin, für ein internistisches Sonderfach, für Psychiatrie, für Haut- und Geschlechtskrankheiten, für Gynäkologie oder für Kinder- und Jugendheilkunde" oder ein "Amtsarzt oder eine Amtsärztin".

Das ist auch deshalb erstaunlich, weil es ursprünglich von Altkanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hieß, man werde sich bei der allgemeinen Impfpflicht an jener für Gesundheitsberufe orientieren – die hätte ja ursprünglich schon im Dezember kommen sollen, wurde zwar verworfen, einen Entwurf gab es aber bereits. Und darin hieß es eben: Nur Amtsärztinnen und Amtsärzte sollen Ausnahmen bestätigen dürfen.

Gefahr von Gefälligkeitsattesten

Es sei gut und richtig, die Aufgabe Amtsärzten zu übertragen, meinte Medizinjurist Karl Stöger schon vor Aufkommen des Entwurfes zum STANDARD. Andernfalls bestehe die Gefahr von Gefälligkeitsattesten. Der momentane Plan stört aber auch die Ärztekammer: Von dieser heißt es zum STANDARD auf Anfrage: "Das sollen Amtsärzte und Kontrollärzte machen." Kontrollärzte und -ärztinnen sind in der Sozialversicherung angesiedelt und überprüfen etwa längere Krankenstände. Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart verwies darauf, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in der aktuellen Situation rund um die emotionale Diskussion zur Impfpflicht stark unter Druck geraten würden.

Anders sieht das Medizinjuristin Maria Kletečka-Pulker. Jeder Arzt und jede Ärztin müsse lege artis vorgehen, sagt sie. Außerdem sei es naheliegend, dass sich die behandelnden Fachärztinnen und Fachärzte, die tatsächlich auch auf dem Gebiet tätig sind, um die jeweiligen Ausnahmen kümmern – also etwa eine Hautärztin, wenn es um die Gefahr von Allergien geht, oder ein Psychiater, wenn es um eine Nadelphobie geht.

"Natürlich wird es Missbrauch geben", sagt Kletečka-Pulker, "ich sehe aber keinen Grund, das allen Ärztinnen und Ärzten zu unterstellen." Außerdem gebe es für derartige Fälle die Möglichkeit eines Disziplinarverfahrens der Ärztekammer. "Die muss das dann wirklich ernst nehmen und genau hinschauen", sagt die Juristin.

Sicherheitsnetze, die Schlupflöcher stopfen

Allerdings gibt es im Entwurf auch Passagen, die darauf hindeuten könnten, dass man das Problem auf dem Schirm hat. Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein Datensatz darüber, welche Ärzte wie viele Atteste ausstellen, an den Gesundheitsminister übermittelt wird. Einen Hinweis darauf gibt eine Bestimmung, die vorsieht, dass ihm diese Informationen "unentgeltlich" zu übermitteln sind. Die Umsetzung ist allerdings fraglich: An anderer Stelle heißt es, dass derartige Daten unmittelbar nach der Ermittlung der Ungeimpften gelöscht werden müssen.

Und: Im aktuellen Entwurf ist auch geregelt, dass der Gesundheitsminister die Krankenkassen anweisen kann, Honorare für Arztbesuche zurückzuverlangen. Und zwar dann, wenn ein Patient oder eine Patientin "mehr als einen Arzt aufgesucht" hat, um sich eine Ausnahmebescheinigung zu holen. So eine Regelung gibt es übrigens seit kurzem auch schon, was die Risikogruppen-Atteste angeht. Im Hintergrund spricht man in der Sozialversicherung darüber von einem "Dammbruch sondergleichen". Mit derartigen Regelungen werde eine Tür aufgemacht, die es ermögliche, "jemanden zu strafen, der eine zweite Meinung einholt".

"Freikaufen" dürfte möglich sein

Hat man kein Attest, ist nicht schwanger oder zu jung für eine Impfung, bleibt die Konsequenz der Strafe: Menschen, die sich nicht impfen lassen, drohen laut Gesetzesentwurf Strafverfügungen von bis zu 600 Euro, die alle drei Monate in einem "vereinfachten" Verfahren ausgestellt werden. Theoretisch könnten Impfverweigerer, die es sich leisten können, immer wieder 600 Euro bezahlen; eine absolute Höchststrafe sieht der Entwurf nicht vor. Zwar ist auch von Strafen von "bis zu 3.600" Euro in einem "ordentlichen" Verfahren die Rede, diese Bestimmung dürfte sich laut Verfassungsjurist Bernhard Müller aber erübrigen.

Denn laut Entwurf sind die Behörden dazu verpflichtet, "vereinfachte" Verfahren durchzuführen. "Ordentliche" Verfahren kommen nur dann in Betracht, wenn Beschuldigte gegen die Strafverfügung Einspruch erheben. Auch im Fall eines Einspruchs darf die Strafe aber nicht höher werden als ursprünglich vorgesehen. Laut Müller dürfte es sich bei den 3.600 Euro daher um ein "Redaktionsversehen" handeln, das im weiteren Gesetzgebungsprozess noch korrigiert wird.

Keine Beugehaft

Auch eine Beugehaft, wie sie im Verwaltungsvollstreckungsgesetz vorgesehen ist, gibt der aktuelle Gesetzesentwurf zur Impfpflicht nicht her, sagt Müller zum STANDARD. Der Entwurf habe sich dahingehend noch geändert. Ursprünglich sei vorgesehen gewesen, dass der Impftermin per Bescheid festgesetzt wird, jetzt ist von einem "Informationsschreiben" die Rede. Ein Informationsschreiben könne aber nicht per Verwaltungsvollstreckungsgesetz durchgesetzt werden. Auch die Regierung hat die Verhängung von Beugestrafen ausgeschlossen.

Es bleibt daher bei der "bloßen" Verwaltungsstrafe. Abgesehen davon kommen allerdings Ersatzfreiheitsstrafen infrage, wenn die Geldstrafe nicht "einbringlich" ist – also auch eine mögliche Pfändung der bestraften Person ins Leere läuft. Kurz gesagt: Wer sich nicht impfen lässt und auch nicht zahlen kann, dem droht Haft; wer sich nicht impfen lässt, aber zahlen kann, dem hingegen nicht. (Gabriele Scherndl, Jakob Pflügl, 7.12.2021)