In Salzburg saßen erst vor wenigen Wochen zwei Männer nach einer Home-Invasion mit Geiselnahme bei einer Juweliersfamilie auf der Anklagebank (Bild). Sie fassten hohe Haftstrafen aus.

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Wiener Neustadt – Home-Invasion ist kein neues kriminelles Phänomen. Nur die englische Bezeichnung klingt in den Ohren von alten Hasen bei der Kriminalpolizei immer noch neudeutsch. Sie sprechen lieber von Raubüberfällen in Häusern und Wohnungen, bei denen Täter nicht nur in Kauf nehmen, dass die Opfer anwesend sind, sondern dass dieser Umstand sogar Teil des Plans ist. Kennzeichnend ist die hohe kriminelle Energie. Täter bereiten Überfälle genau vor, kundschaften ihre Opfer oft wochenlang aus und gehen dann meistens äußerst brutal ans Werk, um an Wertsachen, Geld und Informationen zu Bankdaten zu gelangen.

In Niederösterreich dürfte eine derartige Home-Invasion nun erstmals verhindert worden sein, teilte die Landespolizeidirektion am Dienstag mit. Auffällig ist das jugendliche Alter der Beschuldigten.

Komplize verriet Vorhaben

Drei Verdächtige sind in Haft: der mutmaßliche Haupttäter, ein 17-jähriger Serbe, ein 15-jähriger Pole sowie ein 25-jähriger Serbe, alle wohnten zuletzt in Baden. Auch ein weiterer mutmaßlicher Komplize, ein 19-jähriger Österreicher, der mit Handyverkäufen Geld für ein Fluchtfahrzeuge besorgt haben soll, kommt aus Baden. Einem 18-jährigen Österreicher wurde der Plan zu heiß, er informierte die Polizei und ließ das geplante Verbrechen auffliegen.

Die mutmaßliche Bande soll ein betagtes Paar, das in einem Haus in der niederösterreichischen Gemeinde Pottendorf lebt, als Opfer ausgewählt haben. Der Hausbesitzer ist 90 Jahre alt, seine Lebensgefährtin ist blind und pflegebedürftig. Der junge Hauptverdächtige ist laut Polizei mit dem Paar bekannt, er habe vorübergehend als Heimhilfe Essen geliefert.

Detaillierter Plan

Der detaillierte Plan der Home-Invasion sah laut Polizei eine genaue Arbeitsteilung vor: Der 15-Jährige sollte Schmiere stehen und mit dem Haupttäter telefonisch in Verbindung bleiben. Ein anderer sollte an der Haustür läuten und den alten Mann ablenken, während die restlichen, maskiert und bewaffnet mit Pistolen, in das Haus eindringen sollten. Die Opfer sollten gefesselt und dem 90-Jährigen die Augen verbunden werden.

Während drei Täter dann mit dem Auto des Opfers nach Linz fahren sollten, um den Wagen dort zu verkaufen bzw. auf dem Hinweg bereits Bargeldbehebungen mit den erbeuteten Bankomat- und Kreditkarten vorzunehmen, sollten andere das Haus nach weiteren Wertgegenständen durchsuchen. Erwartet wurde für jeden Beteiligten ein zumindest fünf- bis sechsstelliger Geldbetrag. Selbst eine Entführung der blinden Frau war gemäß den Ermittlungen der Polizei nicht ausgeschlossen.

Polizei legte sich auf die Lauer

Aufgrund der genauen Schilderungen des abgesprungenen Mittäters legten sich Spezialeinheiten der Polizei in der Nacht auf den 4. Oktober, in der die Home-Invasion laut der Whatsapp-Gruppe der Verdächtigen geplant war, rund um das Haus auf die Lauer. Die Bewohner waren zuvor in Sicherheit gebracht worden. Doch in der Nacht kam niemand, wie sich später herausstellte, gab es dafür organisatorische Gründe. Warten auf einen neuerlichen Versuch kam aber für die Staatsanwaltschaft nicht mehr infrage. Noch in derselben Nacht wurden die Verdächtigen verhaftet.

Bei der Polizei hieß es, dass sich alle Verdächtigen bis auf den mutmaßlichen Drahtzieher geständig gezeigt hätten. Es gebe zahlreiche Indizien und Sachbeweise für die geplante Home-Invasion. Der Versuch einer Straftat wird vor Gericht genauso behandelt wie ein durchgeführtes Verbrechen.

Verbrecherisches Komplott

Strafrechtlich wird der Fall derzeit als "verbrecherisches Komplott" behandelt. Darauf stehen in Österreich bis zu fünf Jahre Haft. Das Strafgesetz sieht ausdrücklich vor, dass jemand, der ein verbrecherisches Komplott durch eine rechtzeitige Mitteilung an die Polizei verhindert, nicht bestraft wird. Wenn bei einer Home-Invasion auch andere Delikte wie Körperverletzung, Entführung und Erpressung dazukommen, erhöht sich der Strafrahmen entsprechend drastisch. Bei Jugendlichen ab 14 und jungen Erwachsenen bis 21 kann sich das Strafausmaß generell um die Hälfte reduzieren. (Michael Simoner, 7.12.2021)