Verteidigungsministerin Klaudia Tanner hat im Juli angeboten, zehn Soldaten in den Irak zu entsenden.

Foto: Bundesheer/Carina Karlovits

Wien – In der türkis-grünen Regierung gibt es ein neues Konfliktfeld: Der kleinere Koalitionspartner positioniert sich gegen den von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) geplanten Bundesheer-Einsatz im Irak. "Wir lehnen die Beteiligung Österreichs an der Nato-Mission im Irak ab", teilte der grüne Verteidigungssprecher David Stögmüller mit. Aus dem Verteidigungsministerium hatte es zuvor geheißen, man warte auf eine Antwort der EU.

Tanner wollte zehn Soldaten entsenden

Tanner hatte im Juli gesagt, Österreich sei zur Entsendung von "mindestens zehn, bei Bedarf auch mehr" Soldaten bereit. Nun hieß es aus dem Verteidigungsministerium, das österreichische Interesse sei "noch nicht abschließend beantwortet (worden), und daher kann auch noch keine Entscheidung erfolgen".

Die Nato hatte bereits im Februar bekanntgegeben, ihren Irak-Einsatz schrittweise von 500 auf 4.000 Soldaten aufzustocken. Dabei will auch Österreich mitmachen. Die künftige Ausrichtung und allfällige Erweiterung der Mission sei auch von politischen Entscheidungen nach der Parlamentswahl und der Bildung einer neuen Regierung im Irak abhängig, erläuterte Ministeriumssprecher Michael Bauer. Österreich würde sich "grundsätzlich" mit "Beratungspersonal" beteiligen, wobei man aufgrund der jahrzehntelangen Beteiligung an Uno-Einsätzen am Golan (Syrien) und im Libanon über eine entsprechende "Expertise und Akzeptanz" verfüge.

Kritik von SPÖ und Grünen

SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer hatte Tanners Irak-Pläne am Wochenende kritisiert. "Sich der verfehlten Außenpolitik der USA anzuschließen ist eines neutralen Landes weder würdig noch zuträglich", schrieb Laimer. Ministeriumssprecher Bauer hielt dem entgegen, dass eine Beteiligung am Irak-Einsatz "in der langen außenpolitischen Tradition Österreichs und unserem besonderen Nahe- und Vertrauensverhältnis" mit den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens stehe. Gerade nach dem Abzug der internationalen Gemeinschaft aus Afghanistan sei "jede Form der Unterstützung des Irak zur Verbesserung seiner Sicherheitsstruktur umso bedeutender", um die voranschreitende Destabilisierung der Region zu verringern.

"Österreich ist als neutraler Staat nicht Nato-Mitglied, weshalb für uns Grüne eine Beteiligung an der Nato-Mission im Irak nicht infrage kommt", betonte hingegen Stögmüller. Die Stabilität der Region liege im außen- und sicherheitspolitischen Interesse Österreichs und Europas. "Allerdings sind Truppenentsendung nicht das einzige und effektivste Mittel zur Stabilisierung eines Landes oder einer gesamten Region. Österreichs Stärke, Expertise und Tradition liegt im humanitären Engagement und seiner zivilen Friedenskompetenz zur Konfliktprävention", so der grüne Verteidigungssprecher.

Laimer hatte auch kritisiert, dass Österreich derzeit nur mit einem Vertreter an der Sonderbeobachtungsmission (SMM) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine beteiligt ist. Österreich sollte sich "wesentlich stärker in der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine einbringen", so der Oppositionsabgeordnete. Nach OSZE-Angaben vom November stellte Österreich fünf der 660 Beobachter, auf der Homepage des Bundesheers wird aktuell ein Soldat angeführt.

Mögliche Entsendung in Ukraine

Bauer betonte, dass Österreich im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats bis zu zehn Personen in die Ukraine entsenden könne. "Die tatsächliche Stärke richtet sich nach dem Bedarf der OSZE. Das Personal wird von der OSZE ausgewählt", unterstrich der Sprecher. Er verwies auch darauf, dass sich das Bundesheer an verschiedenen anderen OSZE-Initiativen wie etwa in Moldau oder Montenegro beteilige. Mit Blick auf eine mögliche Aufstockung der österreichischen Beteiligung an der OSZE-Ukraine-Mission meinte Bauer, es liege "zurzeit eine wesentliche Ressourcenbindung im Inland vor".

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, stützte die Linie des Verteidigungsministeriums. Die Regierungsfraktionen hätten durch Beschlüsse im Ministerrat und dem Nationalrats-Hauptausschuss "ihr Bekenntnis zu zivilen Friedensmissionen in der Ukraine klar bekräftigt", sagte Ernst-Dziedzic. Sie verwies darauf, dass sich Österreich auch an anderen OSZE-Missionen etwa in der Wahlbeobachtung beteilige. Österreich solle aber sein Engagement in der östlichen Nachbarschaft "ausbauen". Konkret arbeite man etwa "an der Errichtung eines zivilen Friedensdiensts als eigenständigen friedenspolitischen Instruments".

Während das Bundesheer jüngst seine Präsenz in Mali auf 70 Soldaten aufgestockt hat, versieht der Großteil der Auslandssoldaten weiterhin auf dem Westbalkan Dienst, wo die Spannungen jüngst wieder deutlich zunahmen. In Bosnien-Herzegowina sind aktuell 175 Soldaten im Einsatz, im Kosovo 273. "Eine Aufstockung der Kräfte (...) ist von österreichischer Seite derzeit nicht vorgesehen", so Bauer. Aufgrund des Reservekonzepts von EU bzw. Nato stünden aber "jederzeit Reserven, teilweise auch unter signifikanter Beteiligung Österreichs, zur Verfügung, die in den Einsatzraum verlegt werden können". Die Lage werde permanent beobachtet und beurteilt. Ernst-Dziedzic und Stögmüller sagten dazu, dass sich die Grünen "grundsätzlich eine vorübergehende Aufstockung" des Bundesheer-Kontingents in Bosnien vorstellen könnten. (APA, 7.12.2021)