Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sprach sich für einen Stufenplan bei der Öffnung in Wien aus: zunächst Handel, körpernahe Dienstleister sowie Sport und Kultur – und erst eine Woche später Gastronomie und Hotellerie.

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Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat am Dienstag nach Beratungen mit einem Expertengremium die weiteren Schritte der Bundeshauptstadt in der Corona-Pandemie bekanntgegeben. Ein völliges Lockdown-Ende für Geimpfte gibt es ab 13. Dezember demnach in Wien nicht: Laut Ludwig sollen ab kommendem Montag vorerst nur der Handel, körpernahe Dienstleister wie Friseure sowie der Sport- und Kulturbetrieb unter hohen Auflagen aufsperren. Ludwig sprach von einem "vorsichtigen Öffnungsschritt". Denn: "Die Pandemie ist nicht vorbei, ist nicht gemeistert."

Erst in einem nächsten Schritt sollen in der Hauptstadt eine Woche später ab 20. Dezember die Gastronomie und Hotels wieder öffnen können. "Stehende Gastro", wie Ludwig es nannte, soll in Bars und Lokalen vorerst nicht möglich sein. Die Nachtgastronomie bleibt – vor allem wegen der Omikron-Variante – weiterhin geschlossen.

Bei den Weihnachtsmärkten gibt es eine Doppelstrategie: So sollen diese mit dem bereits bestehenden Sicherheitskonzept schon ab kommendem Montag wieder öffnen können. Auch die Gastronomie auf diesen Märkten kann zwar aufsperren, allerdings dürfe diese vorerst nur Take-away anbieten. Punsch, Glühwein und Tee können laut den aktuellen Regelungen also nur 50 Meter von den Weihnachtshütten entfernt getrunken werden. Ab 20. Dezember – und mit der Öffnung der Gastro im Allgemeinen – dürfen Getränke und Essen wieder im Bereich des Weihnachtsmarkts konsumiert werden.

Indirekte Schelte von Ludwig für Stadtrat Hacker

Eine indirekte Schelte gab es von Ludwig für Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Dieser hatte in Interviews anklingen lassen, dass in Wien unter anderem die Gastronomie nach dem Lockdown-Ende ab 13. Dezember mit einer 2G-plus-Regel aufsperren könnte. Das bedeutet: Geimpfte und Genesene haben nur mit einem zusätzlichen PCR-Test Zutritt. Dies ist nun aber nicht der Fall: Ludwig kündigte die Gastro-Öffnung erst für den 20. Dezember an – unter einer 2G-Regel (geimpft oder genesen). Auf die Frage, warum Wien von dieser angekündigten Vorgangsweise abgewichen sei, sagte Ludwig: "Ich bin von keiner Vorgangsweise abgewichen. Das war nie mein Vorschlag." 2G plus in der Gastronomie sei unpraktikabel.

Sehr wohl sei diese laut Ludwig aber für Kulturevents ab 13. Dezember denkbar. Hier stellt Ludwig zwei Möglichkeiten zur Disposition: entweder 2G plus – oder eine FFP2-Masken-Pflicht während der Veranstaltung. Die konkreten Regeln seien aber noch in Diskussion.

Offen ist noch, wie Sport ab 13. Dezember geregelt wird: Laut Ludwig soll vor allem für Outdoor-Sport "vieles möglich" sein. Bei Sport in Innenräumen – das betrifft etwa Sporthallen – müsse es aber weitere Regelungen und Maßnahmen geben. Indoor-Sport ohne direkten Körperkontakt mit anderen soll aber ermöglicht werden. Regelungen für Fitnesscenter wurden noch nicht präsentiert. "Bei allen Schritten, die wir setzen, wird es notwendig sein, begleitende Maßnahmen zu setzen", sagte Ludwig.

Schritt für Schritt

"Man kann nicht alles auf einmal öffnen, dann besteht die Gefahr, dass die Zahlen wieder steigen", verteidigt der Statistiker Erich Neuwirth im Gespräch mit dem STANDARD, dass Wien mit der Öffnung der Gastronomie noch abwartet. Mit dem geplanten Ende der Ausgangsbeschränkungen und der Öffnung des Handels würden die Neuinfektionszahlen zwar "sicher nicht mehr so schnell wie in der Vorwoche" fallen. "Aber es sollte sich jedenfalls nicht umdrehen und wieder steigen." Neuwirth gehört zu den Expertinnen und Experten, die Wiens Bürgermeister Ludwig in der Pandemie beraten.

Warum gerade die Gastro zubleiben muss? "Die Aerosole in geschlossenen Räumen sind die größte Gefahrenquelle", sagt Neuwirth. Im Lokal tragen die Gäste – im Gegensatz zu Geschäften – zudem keine Maske, was die Verbreitung vereinfacht.

Dass die Gastronomie am 20. Dezember – also eine Woche zeitverzögert – ihre Pforten auch öffnen kann, hält Neuwirth für ein realistisches Szenario. Allerdings habe die Delta-Variante "die Regeln geändert". Das sehe man an der Wirkung der Maßnahmen. So steigen derzeit noch die Intensivstationszahlen, bei den vergangenen Wellen sind diese nach dem Höhepunkt an Neuansteckungen mit den Infektionszahlen gesunken.

Wien steht im Ländervergleich in puncto Infektionszahlen derzeit besser da. Das führt Neuwirth auf die schärferen Maßnahmen zurück. Würde die Hauptstadt nun gleichermaßen öffnen wie andere, laufe man Gefahr, "den Vorsprung zu verspielen".

Regionale Unterschiede ab 12. Dezember fix

Stadtchef Ludwig wird jedenfalls das Wiener Maßnahmenbünden am Mittwoch auch beim Bund-Länder-Gipfel zum Lockdown-Ende vorschlagen. Den Beratungen wolle er aber nicht vorgreifen – etwa hinsichtlich einer Lösung für Fitnessstudios. Ludwig hofft, dass es – etwa in der Ostregion – auch zu "möglichst gemeinsamen Regelungen" kommen wird. Regionale Unterschiede in den Bundesländern seien aber unvermeidlich: So hat etwa Oberösterreich bereits angekündigt, den generellen Lockdown nicht mit 12. Dezember zu beenden.

Burgenland will auch Gastro am Montag aufsperren

Das Burgenland will jedenfalls aufsperren. Es verzeichne stark sinkende Infektionszahlen, baue seine Spitzenposition beim Impfen auch bei den Drittstichen aus und habe gleichzeitig eine stabile Situation in den Spitälern, sagt Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). "Das ergibt ein Gesamtbild, das die Verlängerung eines harten Lockdowns nicht rechtfertigen würde."

Bis auf die Nachtgastronomie solle bei Vorliegen eines entsprechenden Hygienekonzepts am Montag alles weitgehend aufgesperrt werden – das würde demnach auch die Gastronomie und Hotellerie einschließen. "In Ländern wie dem Burgenland, wo die Impfbereitschaft extrem hoch ist, muss die Bevölkerung auch das Gefühl haben, dass sich ihr Engagement und ihr Verantwortungsbewusstsein auszahlt." Mehr als 30 Prozent haben im Burgenland bereits die dritte Impfung.

Wien mit niedrigster Sieben-Tage-Inzidenz

Ludwig meinte, dass Wien seit längerem die niedrigste Sieben-Tage-Inzidenz bei den Neuinfektionen ausweise. Aktuell beträgt diese 327, der Österreich-Schnitt beläuft sich auf 536. Vorarlberg hat aktuell eine fast dreimal so hohe Inzidenz wie Wien. Dennoch sagte Ludwig: "Bessere Zahlen sind keine guten Zahlen." Damit verteidigte Ludwig auch die um eine Woche verspätete Öffnung von Gastronomie und Hotels in Wien. Immerhin sei die Lage auf den Intensivstationen zwar stabil: Es sei laut dem Stadtchef aber keine Senkung in Sicht, "die sich automatisch ergibt". Vertreter der beiden Branchen, die sich noch eine Woche länger mit dem Aufsperren gedulden müssen, übten dennoch heftige Kritik.

Neos-Kritik an Schließung der Gastro für eine zusätzliche Woche

Die Neos, immerhin Koalitionspartner der SPÖ in Wien, bezeichneten die Regelung als "absolut unlogisch", wie der pinke Wirtschaftssprecher Gerald Loacker sagte. "Leidtragende sind die vielen Wiener Gastronomie-Betriebe, die nicht aufsperren dürfen, und all jene, die alle Vorgaben und Regeln immer ernst genommen haben." Loacker forderte eine zeitgleiche Öffnung der Gastro in allen Bundesländern.

Ludwig verweist bei der Frage der stufenweisen Öffnung auf den sensiblen Bereich der Spitäler: Wien sei solidarisch und könne auch Patientinnen und Patienten aus anderen Bundesländern aufnehmen, sagte der Stadtchef. Wenn die Intensivstationen aber auch in Wien voll seien, dann wäre das für ganz Österreich ein Problem. Denn: "Nach Wien ist's aus." Sollten auch die Wiener Krankenhäuser voll sein, wäre es schwierig, Patientinnen und Patienten aus anderen Bundesländern, die ebenfalls mit vollen Spitälern kämpfen, zu versorgen. Aktuell werden 670 Corona-Intensivbetten in Österreich benötigt – so viele wie noch nie in diesem Jahr. In der zweiten Corona-Welle vor einem Jahr betrug der bisherige Höchststand 709 belegte Corona-Intensivbetten. (David Krutzler, Wolfgang Weisgram, 7.12.2021)