Am Mittwoch hat Olaf Scholz im deutschen Bundestag seinen Amtseid abgelegt.

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Es war ein Schnellschuss. "Olaf Scholz – Der Weg zur Macht" (Klartext-Verlag) heißt das Buch, das Lars Haider binnen weniger Wochen schrieb.

STANDARD: Wann kamen Sie auf die Idee, ein Buch über Olaf Scholz zu schreiben?

Haider: Am 26. September (Tag der Wahl) wusste ich davon noch nichts. Aber dann lag die SPD auf Platz eins – und ich wurde im Familienkreis gefragt: "Welches Buch kann man über Scholz lesen?" Es stellte sich heraus: keines, denn es gab keines über ihn. So entstand die Idee.

STANDARD: Auf Scholz hatte lange Zeit niemand gesetzt?

Haider: Ich auch nicht. Er aber hat zu mir schon 2018 gesagt, dass er 2021 SPD-Kanzlerkandidat wird, die Menschen in ihm die männliche Merkel sehen werden und er dann mit Mitte 20 Prozent die Bundestagswahl gewinnen wird. Ich sagte zu ihm: "Es wird daran scheitern, dass Sie niemals Kanzlerkandidat werden." Sie wollten ihn ja 2019 nicht mal als SPD-Chef. Es ist unglaublich, welche Wendung diese Geschichte genommen hat.

STANDARD: Haben Sie deshalb das Buch "allen Außenseiterinnen und Außenseitern" gewidmet?

Haider: Ja. Er ist ja nicht der Erste. Auch Angela Merkel war eine Außenseiterin ihrer Partei, als sie Kanzlerin wurde. Die deutschen Parteien müssen sich mal Gedanken machen, ob sie die richtigen Leute auch erkennen in ihren Reihen.

STANDARD: Wie lange kennen Sie Olaf Scholz?

Haider: Ich lernte ihn 2011 kennen, als er Bürgermeister von Hamburg wurde. Nach 40 bis 50 Treffen hatte ich das Gefühl, nicht jedes Mal wieder bei null anfangen zu müssen. Erst sehr langsam haben sich lange und hochinteressante Gespräche ergeben.

STANDARD: Können Sie sich erklären, wie er den Sieg schaffte?

Haider: Entscheidend ist, dass er einen Plan hatte. Man sagt ja immer, dass die Deutschen doch eher spröde Langweiler wählen. Vielleicht sind sie aber einfach nur schlau und fallen auf Politikdarsteller nicht so rein. Oder sie merken, wenn es jemand wie Armin Laschet oder Annalena Baerbock nicht hundertprozentig will. Und wenn es nur um Kompetenz geht, ist Scholz eine gute Wahl.

STANDARD: Was zeichnet ihn aus?

Haider: Er ist extrem belastbar, hat sein ganzes Leben der Politik untergeordnet. Und er hört nach Niederlagen nicht auf, sondern macht einfach weiter, um zu zeigen, dass er es besser kann.

STANDARD: Rückschläge gab es.

Haider: Es war hart für ihn, dass er den SPD-Vorsitz nicht bekam. Und der G20-Gipfel in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister war ein Desaster, Teile der Stadt lagen in Schutt und Asche. Es hat vorher und nachher bei einem G20-Gipfel keine solchen Ausschreitungen gegeben. Da hat er wirklich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Das haben ihm die Hamburgerinnen und Hamburger auch lange nicht verziehen. Aber er konnte auch Erfolge verzeichnen.

STANDARD: Welche waren das?

Haider: Die Fertigstellung der Elbphilharmonie beispielsweise. Zwischendurch hatte es so ausgesehen, als ob das Projekt scheitern würde. Er hat es hingekriegt, allerdings mit viel Geld. Es wurden auch viel mehr Wohnungen gebaut und Kindergärten kostenlos, es gibt heute mehr Ganztagsschulen. Und Scholz hat Hamburg, das zuvor Provinz war, in die Liga der europäischen Städte zurückgebracht – nicht auf Augenhöhe mit Wien, aber durchaus mit Kopenhagen und Berlin im Nacken.

STANDARD: Der spröde Scholz wirkt nun lockerer. Werden wir noch erleben, dass er auf dem Tisch tanzt?

Haider: Es kann sein, dass die Tatsache, dass er jetzt Kanzler ist, für ihn wie eine Befreiung wirkt. Er hat ja sein großes Ziel erreicht. Vielleicht erleben wir jetzt noch eine neue Seite an ihm. Ich habe ihn öfter gefragt, warum er seine Leidenschaft für Politik nicht stärker zeigt. Seine Antwort: Die Leute wollen keine Politikdarsteller, und er wolle kein Zirkusdirektor werden, sondern Bundeskanzler.

STANDARD: In der SPD war Scholz ja lange nicht so beliebt. Wer gehört zu seinem inneren Kreis?

Haider: Seine Frau Britta Ernst, die in Brandenburg Bildungsministerin ist, der neue Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, sein Sprecher Steffen Hebestreit und neuerdings der künftige SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, um ein paar der wichtigsten zu nennen (Birgit Baumann, 9.12.2021)