Österreich wird wieder ein bisschen aufgesperrt: Bundeskanzler Karl Nehammer (Mitte) verkündete am Feiertag mit Michael Ludwig, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, Günther Platter und Epidemiologin Eva Schernhammer (von links nach rechts) die Ergebnisse der Verhandlungen.

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Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen, heißt es in einem Kinderreim. Abgewandelt hat ihn Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch nach dem Gipfelgespräch über die weitere Vorgangsweise in Sachen Lockdown so formuliert: "Wir haben den Menschen versprochen, dass der Lockdown für alle jetzt ein Ende haben wird, und dieses Versprechen werden wir gemeinsam einhalten." Das heißt: Ja, der "Lockdown für alle" geht am Samstag zu Ende, aber nicht für alle und nicht überall gleich. Für Geimpfte und Genesene ist er am Samstag (11. Dezember) aus, für Ungeimpfte geht er weiter, und in den Bundesländern gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen.

Den Impfschlüssel in der Hand

Das ist das Ergebnis des Gesprächs zwischen Regierung, Ländern sowie Wissenschaftern am Feiertag. Der neue Bundeskanzler stellte klar: "Für die Ungeimpften bleibt er weiter aufrecht." Nehammer fügte hinzu, ihm sei bewusst, dass das eine "beschwerliche Maßnahme" sei, aber – ein Hinweis, der an diesem Tag mehrfach deponiert wurde: "Es gibt ein Angebot der Wissenschaft, dass mit der Impfung diese Mühsal rasch beiseitegeschoben werden kann": die Impfung. Wer sich impfen lasse, habe quasi selbst den Schlüssel aus dem Lockdown-Alltag in der Hand.

Nehammer begründete die jetzige Öffnung so: "Das Virus verschafft uns eine Atempause." Diese wolle man nutzen, um etwas von der verlorenen Freiheit zurückzuholen. Bei den Infektionszahlen gebe es eine sinkende Tendenz, aber noch keinen festen Trend, darum setze die Regierung jetzt darauf, einen "Mindeststandard an Schutzmaßnahmen" vorzugeben, der in ganz Österreich eingehalten werden muss, "weil das Virus nach wie vor gefährlich und schwer berechenbar" sei. Darauf reagiere man mit einer Öffnung oder "Öffnungsschritten mit Sicherheitsgurt".

Mehr Sicherheitsmaßnahmen sind erlaubt, weniger nicht

Prinzipiell gelte, so Nehammer: "Der Mindeststandard darf nicht unterschritten, aber selbstverständlich überschritten werden." Drei Bundesländer schließen sich den Bundesvorgaben auch vollständig an: Burgenland, Tirol und Vorarlberg. Einzelne andere Bundesländer hatten bereits im Vorfeld angekündigt, zumindest Teilbereiche erst später zu öffnen. In Wien etwa heißt es für Gastronomie und Hotellerie noch bis 20. Dezember warten.

Mit regionalen Unterschieden seien "alle Landeshauptleute einverstanden", sagte der aktuelle Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Günther Platter aus Tirol. Er warnte, der Lockdown sei zwar "der Wellenbrecher", aber "das Problem haben wir nicht beseitigt. Das können wir nur mit der Impfpflicht."

Den Gesetzesentwurf dazu kündigte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) für heute, Donnerstag, an und appellierte an die noch nicht geimpfte Bevölkerung: "Bitte warten Sie nicht auf das Inkrafttreten des Gesetzes!"

Spitäler sind noch am Limit

Den Lockdown nannte er eine "harte, unpopuläre Maßnahme, aber wirksam". Man habe durch die zuletzt auferlegten Kontaktbeschränkungen, Mückstein sprach von einer "Notbremse, "den Gipfel der vierten Welle überschritten". Er wolle sich daher bei den Menschen bedanken, "die Verantwortung übernommen und sich an die Regeln gehalten haben", sie alle hätten zu der "sich verbessernden Lage" beigetragen. Dennoch gelte auch jetzt: "Die Spitäler sind noch am Limit."

Mückstein skizzierte die Mindeststandards oder, wie er es nannte, die "Unterkante", die die Bundesregierung für die Öffnung vorgibt. Die Länder dürfen für Geimpfte und Genesene ab Montag wieder Handel, Dienstleistungsbetriebe wie Friseure, Gastronomie, Tourismus, Kultur (indoor bis 2.000, outdoor bis 4.000 Gäste mit zugewiesenen Sitzplätzen) und Sportstätten öffnen – aber nur mit 2G-Nachweis (Ausnahme Grundversorger wie Supermärkte), für die Gastronomie heißt es um 23 Uhr "Sperrstund’ is!", außerdem gilt Registrierungspflicht. In der Nacht heißt es weiterhin daheimbleiben, die Lokale bleiben zu.

In allen geschlossenen Räumen und öffentlichen Verkehrsmitteln gilt FFP2-Masken-Pflicht (ausgenommen hier: Fitnessstudios).

Metropole Wien geht auf Nummer sicher

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der in der Pandemie von Anfang an eine sehr vorsichtige Linie verfolgt hat, begründete die noch einwöchige Wartezeit für Gastronomie und Hotellerie damit, dass ihm die Expertinnen und Experten, mit denen er Wien bis jetzt gut durch die Krise manövriert habe, "sehr empfohlen" hätten: "Nicht alles gleichzeitig öffnen, sondern schrittweise." Für eine Metropole wie Wien sei einerseits eine "Entzerrung der Konsumentenströme" wichtig, aber auch ein "deutliches Signal, dass die Krise nach wie vor nicht gemeistert ist".

Dem stimmte Epidemiologin Eva Schernhammer von der Med-Uni Wien bei. Die Situation sei heute aufgrund der Impfung zwar eine grundlegend andere als vor einem Jahr, aber man habe "neue Unsicherheiten", etwa durch die Omikron-Variante. Dennoch seien alle Experten einhellig der Meinung, "dass die heutigen Öffnungsschritte vertretbar sind – aber nur mit größter Vorsicht".

Regelbrecher müssen Corona-Hilfen zurückzahlen

Die Regierung setzt allerdings auch auf "hohen Kontrolldruck", warnte Kanzler Nehammer: "Bei Spielregelbruch können Corona-Hilfen auch zurückgefordert werden." Und Mückstein ergänzte mit Blick auf laxe Zutrittskontrollen: "Es muss vorbei sein mit augenzwinkernder Wurschtigkeit." (Lisa Nimmervoll, 8.12.2021)