Der von einem eisernen Nagel durchbohrte Fersenknochen des unglücklichen Gekreuzigten.
Foto: Albion Archaeology/Adam Williams

Als Jesus von Nazaret in Jerusalem ans Kreuz genagelt wurde, war die Kreuzigung als Hinrichtungsmethode im Mittelmeerraum bereits seit mehr als 1000 Jahren in Gebrauch. Aufgekommen ist sie unter den Phöniziern, die Römer übernahmen sie schließlich von den Makedonen und Karthagern und entwickelten daraus eigene Varianten. Weil es sich um eine besonders qualvolle und erniedrigende Hinrichtungsart handelte, wurden im Imperium Romanum vor allem Sklaven, Aufständische und Staatsfeinde gekreuzigt; römische Bürger waren normalerweise von Rechts wegen von dieser Todesstrafe ausgenommen.

Spärliche Funde

Obwohl Obrigkeit und Besatzer ein solches Todesurteil laut zeitgenössischen Chronisten durchaus häufig ausgesprochen haben und in einigen Fällen tausende Menschen auf einmal gekreuzigt wurden, existieren nur wenige archäologische Belege. Ausgrabungsfunde, die unmittelbar mit Kreuzigungen in Zusammenhang stehen, lassen sich an einer Hand abzählen.

Der bislang einzige physische Beweis für eine Kreuzigung, bei der auch ein Nagel im Spiel war, wurde 1968 im Nordosten Jerusalems entdeckt: Im Steingrab eines offenbar wohlhabenden Juden fand man das Skelett eines unter 30-jährigen Mannes, bei dem ein Fersenknochen von einem mehr als zehn Zentimeter langen Nagel durchbohrt war. Bei menschlichen Überresten, die 2007 in der italienischen Poebene freigelegt wurden, identifizierten die Experten Knochenbeschädigungen, die ebenfalls stark auf eine Kreuzigung mit Nägeln hinweisen könnten. Zwei weitere Funde lassen jeweils auf Kreuzigungen mit Seilen schließen.

Der mutmaßlich Gekreuzigte war mit seinen 170 Zentimetern von damals durchschnittlicher Körpergröße.
Foto: Albion Archaeology

Warum man nur so wenige handfeste Belege für die Kreuzigung findet, hat verschiedene Ursachen. So wurden die Hingerichteten meist nicht beerdigt, sondern gleichsam auf Abfallbergen entsorgt. Die Nägel hat man dabei häufig wiederverwendet oder zu Amuletten verarbeitet. Im Übrigen wurden viele Opfer nicht angenagelt, sondern an T-förmig angeordneten Holzbalken festgebunden.

Wieder ein Nagel in der Ferse

In diesem Licht gesehen, kommt einem Fund in Großbritannien eine herausragende Bedeutung zu: Das Team um Corinne Duhig von der Universität Cambridge und David Ingham von Albion Archaeology hat im Dorf Fenstanton rund 90 Kilometer nördlich von London auf dem Gelände einer ehemaligen Milchabfüllanlage die Skelettreste eines Mannes mit einem Nagel in der Ferse freigelegt. Es sei vielleicht das am besten erhaltene römerzeitliche Beispiel für einen Fall, bei dem der Nagel noch im Knochen verblieben ist, berichten die Experten in der Zeitschrift "British Archaeology" über erste Details. Die vollständigen Ergebnisse der Untersuchungen sollen im nächsten Jahr publiziert werden.

Insgesamt waren 2017 an der Ausgrabungsstätte in der Grafschaft Cambridgeshire fünf kleine Friedhöfe mit den Überresten von 40 Erwachsenen und fünf Kindern entdeckt worden. Die Skelette stammen großteils aus dem vierten Jahrhundert und weisen Anzeichen für einen maroden Gesundheitszustand auf, darunter Zahnerkrankungen, Malaria und Knochenbrüche. Einen laut Zahnuntersuchungen zwischen 25 und 35 Jahre alten Mann dürfte es aber besonders schlimm erwischt haben: Neben anderen Verletzungen, die auf schwere Misshandlungen hindeuten, steckte im rechten Fersenbein von "Skeleton 4926" das fünf Zentimeter lange Stück eines Eisennagels.

Der bedeutende Fund kam auf dem Gelände einer früheren Milchabfüllanlage zutage.
Foto: Albion Archaeology

13 Nägel

Eine Radiokarbon-Datierung grenzt den Todeszeitraum des Gekreuzigten zwischen 130 und 360 unserer Zeitrechnung ein. Neben dem horizontal in seinen Knochen getriebenen Nagel bargen die Forscher aus dem Grab noch zwölf weitere Eisennägel sowie die Reste einer hölzernen Konstruktion. Der Zustand seiner Schienbeinknochen weist darauf hin, dass der Mann über einen längeren Zeitraum gefesselt gewesen war. Außerdem wurden die Forscher bei der Analyse der Funde auf eine kleine Vertiefung neben dem Hauptloch im Fersenbein aufmerksam. Vielleicht sei diese auf einen ersten "fehlgeschlagen" Versuch zurückzuführen, den Mann ans Kreuz zu schlagen, spekulieren die Wissenschafter.

"Die glückliche Kombination aus gutem Erhaltungszustand und einem im Knochen verbleibenden Nagel beweist, dass selbst die Bewohner dieser kleinen Siedlung am Rande des Reiches der barbarischsten römischen Strafe nicht entgehen konnten", sagte Duhig. Da insbesondere für römische Bürger (und zu denen zählten ab 212 alle freien Personen im Reich) die Kreuzigung eigentlich nicht vorgesehen war, könnte bedeuten, dass der Tote ein Sklave gewesen war. Diese wurden trotz des Verbots dieser Praxis durch Konstantin I. weiterhin so hingerichtet. (tberg, red, 9.12.2021)