Die Debatte rund um die Schiedsgerichte kochte im Zuge der Verhandlungen der EU mit den USA und Kanada über Handelsabkommen hoch. Aus dem Archiv: ein Protestmarsch in Wien gegen den inzwischen abgeschlossenen Pakt mit Kanada, Ceta.

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Konzerne, die Staaten verklagen, weil sie von diesen verpflichtet werden, ein Kohlekraftwerk stillzulegen. Unternehmen, die Staaten vor Schiedsgerichte zerren, weil sie einen Staudamm nicht bauen dürfen. All das ermöglichen sogenannte Investitionsschutzabkommen. Diese meist zwischen zwei Ländern geschlossenen Verträge legen fest, wann ausländische Investoren einen Staat vor einem Schiedsgericht klagen können.

Als Paralleljustiz für Konzerne gilt das System Globalisierungskritikern. Für Konzerne sind solche Verträge wichtig, wenn sie in Ländern ohne Rechtssicherheit agieren.

Einen Feldzug gegen diese Abkommen, die es trotz Binnenmarkts auch zwischen europäischen Ländern gibt, führt auch die EU-Kommission. Dabei ist Österreich im Visier der Brüsseler Behörde. Die Kommission gab Anfang Dezember bekannt, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich, Schweden, Belgien und vier andere Länder einzuleiten, weil diese Staaten bilaterale Investitionsschutzabkommen nicht außer Kraft setzen und damit gegen EU-Recht verstoßen.

Die Vorgeschichte: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte 2018 im "Achmea-Urteil" entschieden, dass Schiedsgerichte mit EU-Recht unvereinbar sind. Streitigkeiten über Investitionen betreffen stets die Auslegung von EU-Recht, urteilte der EuGH, und seien deshalb von Gerichten zu entscheiden, die zum Justizsystem der EU gehören.

Langsamer Prozess

Daraufhin erklärten die meisten EU-Länder im Frühjahr 2020 per Vertrag alle Investitionsschutzabkommen für ungültig. Und: Entscheidungen dieser Gerichte würden nicht mehr umgesetzt. Österreich weigerte sich. Das ist bemerkenswert, weil der Bruch von EU-Recht in Kauf genommen wird. Das Wirtschaftsministerium kündigte aber an, Abkommen mit anderen EU-Ländern bilateral zu beendigen.

Dieser Prozess geht der EU-Kommission zu langsam. Tatsächlich wurden laut Auskunft des Ministeriums erst zwei der zwölf bilateralen Abkommen gekündigt: jenes mit der Slowakei und jenes mit Kroatien. Im Büro von Ministerin Margarete Schramböck (ÖVP) heißt es, bei acht Abkommen sei die Kündigung bereits vom Ministerrat fixiert, der parlamentarische Beschluss stehe an. Bei zwei Verträgen sei man zuversichtlich, dass das Aus naht.

Dass Österreich die Abkommen nicht mit einem gemeinsamen Vertrag kündigte, dürfte vor allem daran gelegen haben, dass einige der großen heimischen Banken wie Raiffeisenbank International, Erste Bank und Bank Austria (Unicredit) bis vor kurzem ein Schiedsverfahren gegen Kroatien führten. Die Institute hatten Verluste erlitten, als riskante Fremdwährungskredite in die Lokalwährung Kuna zwangskonvertiert wurden. Die Verfahren wurden inzwischen im Juni 2021 mit einem Vergleich beendet.

Kritik an Verzögerung

Filip Boras, Experte für Schiedsverfahren und Partner bei der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie, sagt, dass die Regierung zunächst bewusst auf Zeit gespielt hat. Inzwischen habe man erreicht was man wollte, die Verfahren in Kroatien seien beendet. Dass bisher noch nicht alle Abkommen gekündigt worden sind, sei normaler Vorgang, weil das ganze etwas Zeit brauche.

Bei der NGO Attac gibt es dagegen Kritik an Wirtschaftsministerin Schramböck: Sie zögere das Ende der "EU-internen Paralleljustiz so lange hinaus, bis sie einen Ersatz dafür durchgesetzt hat, der die Interessen der Banken und Konzerne möglichst bedient."

Was ist damit gemeint? Im vergangenen Juni war bekanntgeworden, dass die EU-Kommission überlegt, einen eigenes EU-Investorengericht zu schaffen. Das Projekt befindet sich aber noch in Kinderschuhen, ob es jemals kommt, ist fraglich. (András Szigetvari, 10.12.2021)