Protestveranstaltung im heißen Herbst 2009, als das Audimax wochenlang besetzt war. Nach seiner Eröffnung 1936 wurde der Hörsaal zur Indoktrination der Studierenden gebraucht, die mit Pflichtvorlesungen auf das Regime eingeschworen werden sollten.

Christian Fischer

Es ist der wohl berühmteste Hörsaal des Landes. 2009 wurde das Auditorium Maximum im Hauptgebäude der Universität Wien sogar Namensgeber für das damalige Wort des Jahres, nämlich "Audimaxismus". So nannte sich die damalige studentische Protestbewegung, weil die Studierenden diesen Hörsaal wochenlang besetzt hielten, um unter anderem gegen die Bologna-Reformen zu demonstrieren. Das Audimax mit seinen heute rund 750 Sitzplätzen war aber auch schon zuvor Schauplatz wichtiger Versammlungen, Kundgebungen und Besetzungen gewesen, aber auch von Lesungen, Filmvorführungen oder Theaterabenden.

Der größte Hörsaal der größten Universität Österreichs wurde erst nachträglich in ihr 1884 eröffnetes Hauptgebäude am Ring eingebaut, das von Beginn an zu klein dimensioniert gewesen war. Im Jahr 1933, nach der sogenannten "Selbstausschaltung des Parlaments" durch Engelbert Dollfuß, kam man im Rektorat der Universität Wien auf die Idee, die chronische Platznot der Hochschule durch die Nutzung der de facto funktionslos gewordenen und nahe gelegenen Parlamentsräume zu lindern.

Doch dank erheblicher finanzieller Unterstützung des austrofaschistischen Unterrichtsministeriums konnte man eine nachhaltigere Lösung umsetzen: Der sechste Hof im Hauptgebäude wurde überdacht und zum Auditorium Maximum umgebaut, das im Erdgeschoß und auf der Galerie für knapp 1.000 Hörerinnen und Hörer Platz bot. Am 14. Dezember 1936, also vor 85 Jahren, wurde das Auditorium Maximum mit viel klerikal-autoritärem Pomp eingeweiht.

Ideologischer Umbau der Uni

Zu diesem Zeitpunkt war auch der ideologische Umbau der Hochschulen durch Dollfuß und Schuschnigg in Österreich bereits weit fortgeschritten, schreibt die Historikerin Linda Erker (Uni Wien) in ihrem neuen Buch "Die Universität Wien im Austrofaschismus". Damit liegt mehr als 80 Jahre nach dem Ende dieses Regimes endlich die erste Monografie über die Hochschulpolitik von 1933 bis 1938 vor – samt Vorgeschichte und langfristigen Nachwirkungen.

Linda Erker, "Die Universität Wien im Austrofaschismus. Österreichische Hochschulpolitik 1933 bis 1938, ihre Vorbedingungen und langfristigen Nachwirkungen", € 52 / 326 S., Vienna University Press / Brill, Göttingen 2021.
Foto: Vienna University Press / Brill

Neben dem Verbot der politischen Gegner und unliebsamer Medien hatte das Regime bereits 1933 begonnen, auch in die Hochschulen hineinzuregieren. Engelbert Dollfuß, der selbst viele Jahre christlichsozialer Studentenvertreter gewesen war und sich als solcher für einen antisemitischen Numerus clausus ausgesprochen hatte, musste sich durch autoritäre Eingriffe und Disziplinierungen von Lehrenden und Studierenden seinen Einfluss an den Hochschulen freilich erst erkämpfen, wie Erker analysiert. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Universitäten – stärker noch als andere Bereiche der Gesellschaft – seit den 1920er-Jahren von deutschnationalen und nationalsozialistischen Kräften unterwandert waren.

Staatlich gelenkte Hochschülerschaft

Eine der ersten Maßnahmen war die Abschaffung der bisherigen Studentenvertretung: An die Stelle der "Deutschen Studentenschaft" trat die staatlich gelenkte Hochschülerschaft Österreichs, an deren Spitze sogenannte "Sachwalter" standen, die das Unterrichtsministerium einsetzte. Zum ersten studentischen Sachwalter an der Uni Wien wurde ein gewisser Josef Klaus bestimmt. Ihm folgte Heinrich Drimmel nach, der bald auch die gesamtösterreichische Leitung der Hochschülerschaft Österreichs übernahm.

1934 wurde dann mit Otto Skrbensky ein eigener Regierungskommissär für die "Aufrechterhaltung der Disziplin unter den Studierenden an den Hochschulen" eingesetzt. Er verwies etliche NS-Studierende von den Hochschulen (so etwa auch die NS-Studentenfunktionärin Elisabeth Stipetić, die Mutter des Filmregisseurs Werner Herzog), disziplinierte aber auch zahlreiche linke Studenten wie Bruno Kreisky, der trotz Gnadengesuchs gleich für zwei Jahre relegiert wurde.

Politische und antisemitische Pensionierungswelle

Bei den Lehrenden wurde ein hartes Sparprogramm durchgezogen, das man dazu nützte, gleich auch politische und antisemitische "Säuberungen" vorzunehmen. Rund ein Viertel der Professorenposten der Uni Wien wurde im Austrofaschismus gestrichen, was man vor allem durch Zwangs- und Frühpensionierungen erreichte. Dieser radikale Schnitt, der von der Geschichtsschreibung lange übersehen wurde, trug nicht unwesentlich zum Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert bei.

Unter den Pensionierten waren politische Gegner wie der Anatom Julius Tandler, einer der letzten der damals noch lehrenden sozialdemokratischen Professoren. Der international renommierte Mediziner wurde 1936 durch den wissenschaftlich unbedeutenden Gustav Sauser nachbesetzt, einen CV-Bruder von Kanzler Schuschnigg. Betroffen waren aber auch einige der prononciertesten NS-Anhänger wie der Paläobiologe Othenio Abel, der Strafrechtler Wenzel Gleispach oder der Geograf Fritz Machatschek. Diese Antisemiten und NS-Parteigänger erhielten umgehend Professuren im "Dritten Reich".

Für die anderen zu pensionierenden Kandidaten durfte die Universität Wien selbst eine Vorschlagsliste erstellen. Diese Aufgabe übernahm der umstrittene Pädagogikprofessor Richard Meister, der unter anderem in der antisemitischen Professorenclique Bärenhöhle engagiert war. Auf der Vorschlagsliste befanden sich 22 Professoren, davon waren besonders viele – nämlich gleich 13 – jüdischer Herkunft, also fast 60 Prozent. Schließlich wurden "nur" zehn von ihnen frühpensioniert, immer noch überproportional viele. Sie waren zudem die jüngsten der Pensionierten: Keiner von ihnen war älter als 65.

Beschneidung der Autonomie

Vor allem die beiden 1935 unter der Kanzler und Unterrichtsminister Schuschnigg implementierten Hochschulgesetze bedeuteten für die österreichischen Universitäten eine radikale Beschneidung ihrer Autonomie, wie Erker schreibt. Sie "standen für die Bemühung des Regimes, die Hochschulen zu Erziehungsanstalten im Dienst der Diktatur umzuformen". Schuschniggs Regierung hatte an den Universitäten, so zeigt Erkers Studie eindrucksvoll, bei den Studierenden einen besonders prononcierten faschistischen Gestaltungsanspruch.

Entsprechend hieß es in einer der regimetreuen Studentenzeitschriften im Jahr 1936: "Fascismus ist keine Redeübung, er muss ein Lebensbekenntnis sein. Ein fascistisches Prinzip: Für den äusseren Feind – das Heer, für den Verbrecher – die Polizei, für den inneren politischen Gegner – die aktive Elite, die Fascisten!"

Schuschnigg, der trotz Kanzlerschaft bis Mai 1936 Unterrichtsminister bliebt (was auf die Bedeutung dieses Bereichs für den Austrofaschismus hinweist), ließ 1935 männliche Studierende dazu verpflichten, an paramilitärischen Hochschullagern teilzunehmen. Diesen lag ein klares ideologisch-patriotisches Leitmotiv nach faschistischem Vorbild zugrunde. Zudem mussten alle Studentinnen und Studenten Vorlesungen zur staatsbürgerlichen Erziehung sowie zu den ideellen und weltanschaulichen Grundlagen des österreichischen Staates absolvieren.

Für diese staatlich verordneten Pflichtvorlesungen brauchte es große Hörsäle – und das trug dazu bei, dass man das Auditorium Maximum errichtete und seitens des Unterrichtsministeriums großzügig unterstützte. Die feierliche Eröffnung fand am 14. Dezember 1936 statt, Radio Wien übertrug den Festakt ab 11.15 Uhr im ersten akustischen Livestream aus der Universität Wien; etliche Zeitungen wie die "Neue Freie Presse" berichteten.

Bezeichnende Eröffnung des Hörsaals

Die Gestaltung der Feier wurde zum sinnfälligen Beispiel für die engen Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Regime auf dem Boden der Universität. Kardinal und Erzbischof Theodor Innitzer betonte in seiner Rede, dass sich die christliche Weltanschauung "in die Herzen der akademischen Bürger senken" soll. Dann weihte er das Auditorium Maximum ein und erteilte damit dem Neubau Gottes Segen. Hinter dem Podium prangten ein mächtiger doppelköpfiger Adler mit zweifachem Heiligenschein sowie ein ebenso groß dimensioniertes Kreuz.

Dieser austrofaschistische Doppelkopfadler befand sich ursprünglich im Audimax.
Foto: Archiv der Universität Wien

Der neue Unterrichtsminister Hans Pernter sprach anschließend davon, dass die Universität nicht mehr "einen Gegensatz von Glauben und Wissen" vertreten sollte und die Wissenschaft nicht voraussetzungslos sei, denn sie "kann die Bindung an metaphysische Werte nicht mehr ablehnen" und müsse dem Staat dienen. Reden hielten außerdem der bereits erwähnte Richard Meister und Rektor Leopold Arzt, ein persönlicher Freund von Engelbert Dollfuß, Mitglied des antisemitischen und anti-liberalen Geheimbunds "Deutsche Gemeinschaft" sowie des austrofaschistischen Bundeskulturrats.

Auf den Nationalsozialismus folgt ...

15 Monate später war alles anders: Der politische Durchgriff auf die Hochschulen nahm nach dem "Anschluss" im März 1938 durch die Nationalsozialisten noch drastischere Formen an, wie Erker schreibt: Der rassistisch und politisch motivierte Ausschluss von insgesamt über 2.200 Studierenden und über 300 Lehrenden (darunter waren auch die von den Austrofaschisten bereits pensionierten Professoren) stellte den absoluten Tiefpunkt in der langen Geschichte der Universität Wien dar.

Die 1934/35 zwangspensionierten Nazi-Professoren der Uni Wien hingegen, die in der Zwischenzeit im Altreich Karriere gemacht hatten, wurden vom NS-Regime nicht nur rehabilitiert, sondern auch noch geehrt: Im Jänner 1941 erhielten "die Vorkämpfer für Großdeutschland" im Audimax, in dem längst das Hakenkreuz hing, die erstmals verliehene Ehrensenatorenwürde der Uni Wien.

Audimax, 17. Jänner 1941: Die Nazi-Professoren Wenzel Gleispach, Fritz Machatschek, Karl Gottfried Hugelmann, Othenio Abel und Hans Uebersberger (rechts vom Rednerpult v. l. n. r.) werden zu Ehrensenatoren ernannt. Die fünf waren wegen ihres NS-Engagements von den Austrofaschisten frühpensioniert worden und wurden nun genau deshalb vom NS-Regime ausgezeichnet.
Foto: Wien-Bild, gemeinfrei

... nach 1945 katholische Restauration

Gut vier Jahre später war wieder alles anders – und ähnlich wie vor dem "Anschluss": Statt eines Neubeginns folgte eine "erstickende provinzielle Restauration", wie der Zeitzeuge und Philosoph Ernst Topitsch meinte: "Und ein kläglicher Klerikalismus verbreitete in den Hallen der Alma Mater eine fast mit Händen zu greifende Atmosphäre intellektueller Unredlichkeit".

Das lag auch an Netzwerken und personellen Kontinuitäten, die Erker bis in die 1960er-Jahre nachzeichnet: So etwa wurde Leopold Arzt erster Dekan der Medizinischen Fakultät nach Kriegsende; erster Rektor der Uni Wien ab 1945 Ludwig Adamovich, letzter Justizminister im Austrofaschismus. Ihm folgte Richard Meister nach, der es auch zum ÖAW-Präsidenten brachte. "Das austrofaschistische Regime", so resümiert Erker, "warf damit durch seine ehemaligen Vertreter über 1945 hinweg einen langen Schatten auf die junge Republik und verhinderte einen bildungspolitischen Neustart."

Das gilt insbesondere auch für das Unterrichtsministerium: Der nach 1934 für die politischen Säuberungen zuständige Regierungskommissär Otto Skrbensky wurde der für die Hochschulen verantwortliche Sektionschef. Ihm folgte 1952 der ehemalige austrofaschistische Studentenpolitiker und Sachwalter Heinrich Drimmel nach, der von 1954 bis 1964 ÖVP-Unterrichtsminister war. Und Josef Klaus, Drimmels Vorgänger als Sachwalter der Uni Wien, war von 1964 bis 1970 Bundeskanzler für die ÖVP. (red, 13.12.2021)