Polizisten bei der Arbeit: Ihr Aufgabenfeld hat sich seit Beginn der Pandemie massiv verändert, der psychologische Dienst ist überlastet.

Foto: FLORIAN WIESER

Das Arbeitsaufkommen der Polizistinnen und Polizisten in Österreich hat sich seit Beginn der Pandemie massiv verändert. Das schlägt sich auch in Zahlen nieder: Fast eine Million Überstunden mussten Beamte bisher wegen Corona leisten: 452.498 im Jahr 2020 und 476.181 heuer. Diese Mehrarbeit entsteht bei den täglichen Kontrollen der Einhaltung von Corona-Maßnahmen ebenso wie bei den permanenten Wochenenddiensten bei Demos der sogenannten Querdenker-Bewegung.

Als konkretes Beispiel sind das etwa innerhalb der Landespolizeidirektion Wien 39 Überstunden pro Monat pro Polizistin bzw. Polizist allein von Jänner bis Oktober 2021.

Verschiebungen

Dabei hat sich das Aufgabengebiet der Polizei im Lauf der Pandemie immer wieder verschoben. Statt mit Kriminalität beschäftigt man sich mehr mit der Unterstützung der Gesundheitsbehörden, eben Covid-Kontrollen, Lockdown-Kontrollen, Nachtgastronomie, Masken, Abstand und den besagten Demos. Nächtliche Einsätze haben sich aufgrund der geschlossenen Gastro und Nachtgastro reduziert, ebenso ist die Eigentums- und Gewaltkriminalität rückläufig. "Die polizeiliche Einsatzlage ist in Zeiten der Pandemie eine wesentlich andere als davor", sagt ein Ministeriumssprecher.

Erschwerend zu der Belastung durch Überstunden und oftmals auch Anfeindungen von "Maßnahmenkritikern" kommt der Umstand, dass sich ein großer Teil des Polizeiapparats bereits mit Corona infiziert hat. Das Innenministerium spricht auf STANDARD-Nachfrage von 7251 Infektionen, vier Kollegen verstarben zudem an Covid, und die Fälle von Long Covid liegen bisher im "zweistelligen" Bereich. Vermehrte Fälle von Burnout seien aber "im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie nicht bekannt", heißt es aus dem Ministerium.

Burnout-gefährdet

Das sieht Polizeigewerkschafter Hermann Greylinger anders: "Wir hatten schon vor Beginn der Pandemie laut verschiedenen Befragungen und Studien zehn bis 15 Prozent von Burnout gefährdete Kolleginnen und Kollegen. Das ist in einem Beruf, wo Sie mit Waffen hantieren müssen, eine Wahnsinnsgeschichte." Außerdem könne es wohl kein Zufall sein, dass der psychologische Dienst innerhalb der Polizei "total überlaufen ist und nach mehr Personal schreit", betont Greylinger, Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG). Er kritisierte zuletzt Karl Nehmammer (ÖVP) als Innenminister dafür, dass der Zielwert von 32.610 Bediensteten um 1595, also rund fünf Prozent, unterschritten werde. Von Nehammers Nachfolger Gerhard Karner (ÖVP) erhofft sich Greylinger nicht viel mehr. Er habe Karner zwar "gratuliert und um ein Gespräch gebeten, aber es ist seit 20 Jahren die gleiche Leier, es wird nur auf das Politische geschaut, nicht auf das Fachliche".

Auch Greylinger weiß von vielen Long-Covid-Fällen: "Es ist ja auch logisch, dass sich viele Beamte anstecken, wir sind ja verpflichtet, die Gefahr aufzusuchen." Allerdings könne man nicht immer beweisen, dass man sich im Dienst angesteckt habe, womit die Erkrankung nicht als Folge eines Dienstunfalls gelte und damit Zulagenzahlungen nach 30 Tagen enden. "Doch diese Zulagen machen etliche hundert Euro des Gehalts aus." Auch die Ausstattung der oft beengten Dienststellen sei unzureichend. So habe man etwa schon lange Luftreinigungsfilter gefordert, kritisiert Greylinger.

Über dem Schnitt

Beim Impfen liegt die Polizei über dem Bevölkerungsschnitt. 84 Prozent sind vollständig geimpft.

Bei der Amtsübergabe an Karner am Montag wies Nehammer "seine" Polizisten nochmals darauf hin, auch darauf achtzugeben, ob sich Kollegen in "die eine oder andere Richtung entwickeln". Der Vorwurf, dass – wohlgemerkt einzelne – Polizisten mit der von Rechtsextremen und Staatsverweigerern durchsetzten Szene sympathisieren, ist wiederholt laut geworden. Gewerkschafter Greylinger weiß von Zusendungen, in denen Beamte dazu aufgefordert wurden, die Seiten zu wechseln.

Ominöse Sympathisanten

Am 20. November und bei der Demo am vergangenen Samstag marschierten Personen mit, die ein Transparent mit der Aufschrift "Es reicht. Wir gemeinsam mit euch, Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte" vor sich hertrugen. Bei einer Pressekonferenz am 21. November sagte Wiens Vizepolizeichef Franz Eigner, es sei noch unklar, ob es sich wirklich um Polizisten handelte. Über zwei Wochen später scheint dies noch immer ungeklärt zu sein.

Dienstbehördliche Überprüfungen

"Sollten hier im Rahmen der noch laufenden Überprüfungen dienstrechtliche Übertretungen festgestellt werden, so werden diese Erkenntnisse zur Einleitung etwaiger weiterer Maßnahmen an die zuständige Dienstbehörde übermittelt", heißt es dazu wenig aufschlussreich auf Nachfrage des STANDARD. Greylinger urgiert, die Causa "möglichst eindringlich zu verfolgen". (Colette M. Schmidt, 10.12.2021)