Der Plot ist komplex, der Kern davon rasch erzählt: Drei Bomben reißen ebenso viele Busse in London, Paris und Frankfurt auseinander. Viele unschuldige Menschen sterben, in jedem soll jedoch, so stellt sich rasch heraus, auch ein Atomwissenschafter unterwegs gewesen sein.

Louise Penny und Hillary Clinton.
Foto: DoMinique Lafond und Deborah Feingold

Doch das ist nur ein vergleichsweise moderates, wenn auch perfides Ablenkungsmanöver: Tatsächlich versteckt die Terrororganisation Al-Kaida drei Atombomben, die ein pakistanischer Wissenschafter zusammengebaut hat, irgendwo in den USA. Die gilt es zu finden und zu entschärfen, um hunderttausende, wenn nicht Millionen Tote zu verhindern.

Zu Beginn des Thrillers gibt es dafür nur 72 Stunden, dann 38 Minuten und schließlich, fast am Ende, nur noch neun, acht, sieben, sechs Sekunden Zeit. Spoiler: Es geht sich knapp aus. Bis man freilich dahin kommt, schicken uns Hillary Clinton und ihre Koautorin Louise Penny auf eine furiose Jagd quer über die Kontinente.

Frauen-Power-Trio

Dass das Weiße Haus am Ende nicht in die Luft fliegt (auch dort, so stellt sich im Laufe des Politkrimis heraus, wurde eine A-Bombe platziert), verdanken die US-Behörden der obersten Diplomatin. Nicht nur als Koautorin des Buches, sondern auch als Protagonistin: Ellen Adams, die fiktive Außenministerin, düst an Bord von Air Force Three von London, Paris und Frankfurt nach Pakistan, von Teheran nach Moskau, um herauszufinden, wo in den USA die nuklearen Sprengköpfe gelagert wurden.

Ellen selbst war vor ihrem Einstieg in die Politik die Chefin eines regierungskritischen Fernsehsenders, der unschwer als CNN zu identifizieren ist. Im Unterschied zu Bill Clintons jüngstem Bestseller Die Tochter des Präsidenten, der von Männer-Macho-Gehabe nur so strotzt, ist bei Hillary ein Frauen-Power-Trio am Werk: neben Ellen Adams ihre beste Freundin, Betsy Jameson, so etwas wie die gute Seele des Ministeriums, die am Ende eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung der Verschwörung spielt und die als Betsy Ebeling auch im richtigen Leben eine der besten Freundinnen Hillary Clintons war.

Dazu kommt noch eine iranischstämmige Außenamtsmitarbeiterin, von der lange Zeit nicht feststeht, auf welcher Seite sie wirklich steht. Tatsächlich verkörpert nicht nur Hillary Clinton quasi sich selbst, auch andere Figuren dieses Politkrimis sind aus dem Leben gegriffen. Da ist vor allem der frühere Präsident Eric Dunn, dessen Name sich, wie im Buch zu lesen ist, leicht zu "Eric the Dumb" verballhornen lässt.

Abrechnung

Dass Hillary Clinton nun auch noch in der Fiktion mit Donald Trump abrechnet, ist, wenn man sich den Wahlkampf 2016 vor Augen führt, keine wirkliche Überraschung. Selbst Wladimir Putin, in State of Terror als Maxim Ivanov umschrieben, wird zum gewichtigen Player: Weil die russische Mafia ebenfalls ihre Hände im Spiel hat, muss er wissen, wohin die Bomben gebracht wurden.

Hillary scheint sich an ihre frühere Begegnung mit dem Herrscher im Kreml gut zu erinnern: "Statt auf sie zuzukommen, bleibt er in der Mitte des prachtvollen Saales stehen. Bewegt sich keinen Zentimeter. Diese läppische Geste, die darauf hinaus zielt, sie zu beleidigen, hat keine Auswirkung auf sie. Ellen geht also auf ihn zu – sie weiß, dass Männer wie Ivanov Frauen immer unterschätzen würden."

Der Realität sehr nahe kommt auch Bashir Shah, der pakistanische Atomwissenschafter, der Kopf hinter den Bombenbauern. Ihn hatte die Regierung – auf Druck des früheren US-Präsidenten Eric Dunn – aus dem Hausarrest entlassen. Nun kann er seine Dienste sogar Al-Kaida anbieten.

Hillary Rodham Clinton, Louise Penny, "State of Terror". Aus dem Englischen von Sybille Uplegger. 24,70 Euro / 560 Seiten. Harper Collins, München2021

Er ist eine ähnlich zwielichtige Figur wie Abdul Kadeer Khan, der geniale "Vater der pakistanischen Atombombe", dem vorgeworfen wurde, Atomgeheimnisse an den Iran, Nordkorea und Libyen verkauft zu haben (Khan starb übrigens am 10. Oktober im Alter von 85 Jahren). Die Atomfabrik, in der Bashir Shah die Bomben bauen lässt, spürt die CIA auf und hofft, mit einem spektakulären Nachtangriff jene Papiere zu finden, die mehr über die Einsatzorte aussagen.

Verschwörung bis in höchste Kreise

Wäre das nicht schon spannend genug, stößt zu alldem auch noch eine "vast right-wing conspiracy", die Hillary Clinton im Wahlkampf 2016 als ihre eigentlichen Gegner ausgemacht hatte. In State of Terror geht diese rechtsgerichtete Verschwörung bis in die höchsten Kreise der US-Administration. Sie wissen vom, ja sie unterstützen den Anschlag sogar, nur wer der Kopf der Bande ist – der Vorsitzende der obersten Streitkräfte oder der Chef des Präsidialbüros –, das lassen die Autorinnen bis wenige Seiten vor Schluss offen.

Im Englisch-Amerikanischen gibt es für diese Art von Thriller den Begriff "page-turner" – das gilt, trotz einiger holpriger Passagen – in jedem Fall für die US-Ausgabe von State of Terror. Klugerweise hat man in der deutschen Übersetzung den englischen Titel beibehalten; auch hier wird den Leser, die Leserin nichts davon abhalten, rasch von einer Seite zur anderen blättern. (Eugen Freund, ALBUM, 12.12.2021)