Enge Zusammenarbeit: Der TV-Moderator Günter Tolar (links) war einst Redakteur bei der Fernsehlegende Heinz Conrads (rechts), dem nun eine Ausstellung gewidmet wird.

Foto: Wienbibliothek / Privatbesitz Günter Tolar

Ob der Heinz überhaupt jemals "Griaß eich die Madln" gesagt hat? Nie! Ich verstehe auch nicht, wie die neue Heinz-Conrads-Schau in der Wienbibliothek so heißen kann und warum das immer wieder jeder so erzählt.

Der Heinz hat in seinem ganzen Leben nie "Griaß eich die Madln!" gesagt! "Griaß eich!" sagt vielleicht ein Tiroler, aber doch kein Wiener! In der Früh, in der Radiosendung, hat er "Guten Morgen meine Damen, Guten Morgen meine Herren, Guten Morgen die Madln, servas die Buam!" gesagt, und am Abend in der Fernsehsendung halt das gleiche mit "Guten Abend". Glauben Sie mir, ich hab von 1969 bis zu seinem Tod über 800 Sendungen mit ihm gemacht: "Meine, meine, die, die" war die Abfolge. "Meine Damen, meine Herren, die Madln, die Buam." Immer!

Arbeit mit Conrads

Die Zusammenarbeit mit ihm war so eine Sache, ein lustiges Ritual. Wenn alles normal war, haben wir am Freitag von 12.30 bis 18 Uhr aufgezeichnet für den Samstag, da waren wir am Anfang noch im Affenhaus der Maria Theresia in der Maxingstraße, dann sind wir auf den Rosenhügel in die Halle zwei übersiedelt. Und wie dann das ORF-Zentrum eröffnet hat, sind wir dort im Studio zwei gewesen bis zu seinem Ableben. Das Übersiedeln war einfach, er hat ja immer die gleiche Studiodekoration gehabt, man hat das ganze Klumpert einfach irgendwo anders hinstellen müssen.

Für jede Sendung haben wir ein Thema gebraucht, sagen wir zum Beispiel, den 100. Todestag von irgendwem. Ich hab ein paar dicke Lexika gehabt und die Chroniken von Wien, von Österreich, von Europa, 1.500-Seiten-Ziegel, was weiß ich, da hab ich geblättert und was Interessantes gesucht. Oder im Zitatenlexikon nachgeschaut, was der Johann Strauß mal für einen Blödsinn gesagt hat, nur ein Beispiel. Oder Sternzeichensendungen. Ich hab dem Heinz dann mit dem Josef Sills ein paar Seiten zusammengeschrieben, dass er was zum Erzählen hat zwischendurch, das haben wir ihm dann mit Chauffeuren in die Zichygasse 9 im 14. Bezirk bringen lassen: "Geh bitte, bring das dem Heinz vorbei!" Dort draußen stehen fünf Villen nebeneinander, vier größere, eine kleinere, in der hat er gewohnt.

Ein boshafter Kritiker hat einmal gesagt, dass er die Kleinheit seiner Villa ausgeglichen hat durch die Größe seiner Persönlichkeit. Seinen Stil, sein Reden, das konntest du nicht schreiben, das war unmöglich. Den Conrads musstest du auch nicht erfinden, der war schon eine ganzheitliche Lösung. Man musste ihm nur die Umgebung organisieren und die Möglichkeit, sich zu entfalten.

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Ein fokussierter Grantler

Dann haben wir immer fünf Lieder gebraucht, und alle sind gekommen zu ihm, alle! Einmal ruft mich ein gewisser Hofmann oder Hofbauer an: "Den Pavarotti habts schon dreimal gehabt, wieso den Domingo nicht? Was? Nur 5.000 Schülling? Na guad, er kummt trotzdem!" Haben wir ihn abgeholt im Mailberger Hof, er ist dagesessen im Cavaradossi-Kostüm, weil er am Abend in der Tosca gesungen hat, dann in der Sendung Playback. Alle Großen haben Playback gesungen, außer der Franco Bonisolli. Die 5.000 hat dann jeder in bar haben wollen.

Ich glaube, dem Conrads sein Leben war ziemlich eng, er hat einen engen Horizont gehabt, wenn man es bös ausdrücken will – oder er war fokussiert, wenn man es positiv sehen will. Wenn er grantig war – eng! Wenn er gut drauf war – fokussiert! Beides stimmte. Es gibt Leute, die sagen, er war überheblich. Aber das sagen die, die ihn falsch angegangen sind: "Servas Heinzi! Wia geht’s da denn, Heinzi?" Da hat er nicht mitgespielt, kumpelhaft wollte er nicht sein. Er war ein Mensch wie du und ich, hat sich sein Leben lang unterbezahlt gefühlt. Jedes Jahr wollte eine Gagenerhöhung, der ist ja vom Finanzverwalter direkt bezahlt worden, ich glaub, für die kleine Conrads-Sendung hat er 20.000 Schilling gekriegt, für die große 60 oder 80. Das waren aber immer fünf Tage Aufzeichnung!

"Gemma’s hoid an!"

Ich bin am Freitag immer so um halb eins runter ins Studio, da konnte es sein, dass er am noch finsteren Regieplatz ganz hinten gesessen ist mit Hut und Mantel und Sonnenbrille, obwohl es eh stockfinster war, und dann hat er gesagt: "Na ja, gemma’s hoid wieda an!" Dann ist er runter in die Garderobe, und wie er dann raufgekommen ist, hat er schon mit den Technikern angefangen: "Wie geht’s da?" Er hat sich selbst aufgebaut, hat angefangen, laut zu lachen, hat sich Adrenalin zugeführt. Dann war er in Form vor der Kamera. Ich hab mir oft gedacht: Wie macht er das, der alte Grantscherm? Jetzt rinnt er wieder aussa aus dem Fernseher! Kurze Blicke in die Kamera, Einverständnis mit dem Publikum, da war er großartig.

Wir haben dann schon längere Zeit gewusst, dass es nix mehr wird mit ihm, nach seinem Herzinfarkt beim Begräbnis von der Frau vom Karl Vitaly, vom Tlapa-Besitzer, in der Hietzinger Kirche. Da hat die Sona Ghazarian von der Staatsoper, eine Freundin von ihnen, das Ave Maria gesungen. Grad hat er noch zu seiner Frau gesagt: "Mein Gott, singt die schön!", dann ist ihm schlecht geworden, und sie sind raus, und draußen ist er zusammengegangen. Im AKH, wie er schon am Tisch gelegen ist, hat er noch einmal einen Infarkt gehabt.

Ein paar Tage später hat er mich angerufen und mir gesagt, dass er die Fernsehsendung nicht mehr machen wird, dann hat ihn der Othmar Urban von Radio Wien besucht, und dem hat er mitgeteilt, dass er die Radiosendung auch nicht mehr machen wird. Hat also der Urban uns angerufen und gesagt: "Bereitets euch vor, der Conrads stirbt!" Hab ich also gewusst, wenn der stirbt, dann brauch ich eine Gedenksendung. Jeden Tag haben wir gewartet: Lebt er noch? Wie geht’s ihm? Ich hab fast schon die Nerven weggehaut. Eines Morgens bin ich dann rein ins Büro und hab zu einem gesagt: "So, du machst jetzt den Nachruf. Mach ihn!" Am selben Tag ist er dann gestorben, und am nächsten Tag haben wir schon die Sendung gehabt.

In der Hietzinger Kirche war dann die Einsegnung, die Maxingstraße hinaus war eine Prozession, die Spitze war schon oben beim Friedhof, der Schwanz noch am Hietzinger Platzl. Ich war dabei, aber ich hab mich nicht vorgedrängt. Der Zilk hat am Grab die Rede gehalten, die Theaterdirektoren, mit denen er zu tun hatte, waren alle da, da bist du ja als Redakteur ein kleiner Grabler. Ich bin dann, wie wir endlich oben beim Friedhof waren, vorm Tor abgebogen, das heißt: Ich bin geradeaus gegangen anstatt nach links hinein, mit der Gertrude Fröhlich-Sandner übrigens, die hat gesagt: "Ich muss eigentlich ins Büro." Und ich hab gesagt: "Ja, eh ich auch." Ein paar Tag später ist dann Tschernobyl explodiert.

(Manfred Rebhandl, 10.12.2021)