Maria Walter und Matthias Mach sind leidenschaftliche Wohnende und lesen seit der ersten Stunde die Wohngespräche im STANDARD. Zum 700. Wohngespräch haben wir die beiden besucht.

"Wir lesen die Wohngespräche eigentlich seit Anfang an. Es ist spannend zu sehen, wie Menschen wohnen und wie sie Wohnen in ihrem eigenen Leben definieren. Und so unterschiedlich die Menschen, so unterschiedlich sind auch ihre Wohnkonzepte. Manche wohnen freiwillig so, wie sie wohnen, andere nicht. Manche setzen sich aktiv damit auseinander, richten sich aktiv und bewusst ein, andere nicht. Manche legen Wert auf Kunst, Design, Schönheit, Repräsentanz oder Gemütlichkeit, andere nicht.

Maria Walter und Matthias Mach wohnen seit 35 Jahren zur Miete in Wien-Margareten.
Foto: Lisi Specht

Und dann liest man unter all den Wohngesprächen immer wieder auch andere, alternative Zugänge zum Wohnen – etwa wenn geflüchtete Menschen darüber sprechen, wie es ist, ein neues Zuhause zu haben, oder wenn ehemals obdachlose Menschen darüber reflektieren, wie es ihnen damit geht, nach vielen Jahren überhaupt wieder ein Dach über dem Kopf zu haben. Schönes Wohnen ist keine Selbstverständlichkeit. Und unsere ganz persönliche Definition des Wohnens ist überhaupt etwas sehr Spezielles, etwas sehr Spezifisches.

Was uns am meisten interessiert und fasziniert: Wie das Wohnen die Seele und den Charakter eines Menschen widerspiegelt, und wie Wohnen immer auch Abbild einer Zeit, einer bestimmten Epoche ist. Im Biedermeier wurde anders gewohnt als um 1900, in den Zwanzigerjahren anders als in der Nachkriegszeit, und vor wenigen Jahren noch anders als heute in der Corona-Pandemie. Jeder muss irgendwie und irgendwo wohnen, und wie wir das tun, ist immer auch eine Mischung aus Individualität und sozialer und kultureller Prägung.

"Wir haben echt viel Zeugs herumstehen. Fad im Schauen wird uns nicht", sagen Maria Walter und Matthias Mach.
Fotos: Lisi Specht

Wir selbst wohnen wohl ziemlich bewusst und auch ziemlich gerne. Wohnen ist für uns wie eine äußere zweite Haut, wie ein Ort der Entspannung und des Zur-Ruhe-Kommens als Gegenpol zum Beruf, denn sowohl im Krankenhaus als auch in der Pharmaindustrie, wo wir beide tätig sind, gibt es in den letzten Monaten klarerweise überhaupt keine Ruhe, überhaupt keinen vorhersehbaren Rhythmus.

Nach einem stressigen Tag kommen wir nach Hause, setzen uns in unsere Lieblingsfauteuils, und manchmal sitzen wir einfach nur eine Stunde lang da und dümpeln kontemplativ vor uns hin. Beruflich müssen wir viel schauen, und zu Hause schauen wir dann halt auch. Es ist, als würden wir ins Narrenkastl schauen und dabei unsere Wohnung und die vielen kleinen Details darin zum hundertsten Mal lesen und beobachten. Das beruhigt einen ungemein!

Wir wohnen im Herzen von Margareten, die Fundamente des Hauses stammen aus dem 14. Jahrhundert. Ganz in der Nähe stand früher das Margaretenschlössl. Und die vielen Maulbeerbäume, die in den Gassen rundherum heute noch zu finden sind, deuten darauf hin, dass sich hier in der Gegend einst eine Seidenraupenspinnerei und einige Textilbetriebe befanden. Früher gehörte das Haus irgendwelchen Ururomas, und einige Möbelstücke – wie etwa das gesamte Mobiliar im Esszimmer – haben das Haus in den letzten 100, 150 Jahren niemals verlassen. Wir selbst wohnen hier seit 35 Jahren zur Miete. Vor ein paar Jahren haben wir die Wohnung von 89 auf 120 Quadratmeter vergrößert.

Einige Möbelstücke haben das Haus in den letzten 100, 150 Jahren nicht verlassen.
Fotos: Lisi Specht

Wir haben echt viel Zeugs herumstehen. Fad im Schauen wird uns nicht. Der eine sammelt CDs und Schallplatten und gibt ein halbes Vermögen für Plattenspieler aus, die andere sammelt Schüsserln und Keramikgegenstände, zusammengetragen von sämtlichen Reisen. Schüsseln sind was Tolles, weil sie auf wenig Volumen und bei wenig Gewicht viel Schönheit und Funktionalität in sich vereinen.

Für die Zukunft wünschen wir uns nicht allzu viel, weil eh schon viele Wünsche in unserem Leben in Erfüllung gegangen sind. Aber das Praktische ist: Unter uns ist ein Restaurant mit Gastgarten und Kastanienbaum. Irgendwann einmal, wenn wir nicht mehr gehen können, werden wir uns einen Flaschenzug bauen und uns die Mittagsmenüs nach oben ziehen. Und vielleicht lesen wir dann, wenn wir ganz, ganz alt sind, eines Tages nicht nur Wohngespräche aus Österreich, sondern auch aus aller Welt." (13.12.2021)