Wer kann sich nicht erinnern, in seiner Kindheit das Futterhäuschen vor dem Fenster beobachtet zu haben. So mancher hat auf diese Weise gelernt, die heimischen Vogelarten zu unterscheiden, oder sich einfach nur am bunten Treiben im Winter erfreut. Andere wollen die Wildtiere in erster Linie bei der mühevollen Nahrungssuche unterstützen und bieten ganzjährig Futterstellen an, mit der Intention, ihr Überleben zu sichern.

Zahlreiche Untersuchungen, die sich mit dem komplexen Thema der Wildvogelfütterung beschäftigen, zeigen sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf Wildvögel in diesem Zusammenhang. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass diese beobachteten Auswirkungen nicht nur zwischen einzelnen Vögeln, sondern auch zwischen Arten variieren können.

Schwanzmeise an einer Futterstelle im Winter.
Foto: Natalie Eder

Nahrungsverfügbarkeit

Besonders in städtischen Bereichen steht den Tieren neben eigens eingerichteten Nahrungsquellen (zum Beispiel Futterhäuschen) auch anderes Futter (zum Beispiel Abfall) zur Verfügung. Trotzdem kann es passieren, dass die Nahrungsverfügbarkeit pro Tier extrem niedrig ist, weil die Dichte an Tieren vergleichsweise hoch ist, und damit auch der Futterbedarf, und der Konkurrenzdruck um die Ressourcen steigt.

Die Nahrungsverfügbarkeit ist ein wichtiger Faktor, der das Wachstum von Vogelpopulationen begrenzen kann. Eine Vielzahl unterschiedlichster Auswirkungen auf das Überleben und den Fortpflanzungserfolg einer Vogelart ist im Zusammenhang mit der Nahrungsverfügbarkeit möglich. Beispielsweise können sich Fütterungen bestandsfördernd auf Neozoen (gebietsfremde Tierarten), die unter Umständen nicht ideal an die vorherrschenden Bedingungen angepasst sind, auswirken.

Zudem lassen sich jährliche Schwankungen in Populationsgrößen mit einem zusätzlichen Nahrungsangebot reduzieren. Dass derartige Eingriffe in natürliche saisonale Veränderungen auch weitreichende Konsequenzen auf das betroffene Ökosystem haben können, sollte nicht außer Acht gelassen werden.

Amselmännchen bei der erfolgreichen Nahrungssuche.
Foto: Natalie Eder

Fortpflanzung und Wachstum

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine geringe Nahrungsverfügbarkeit vor der Brutzeit und die damit einhergehende Nährstoff- und Energiearmut die Eibildung der Weibchen negativ beeinflusst. Aber wie so oft spielen immer mehrere zusammenhängende Faktoren eine Rolle. Im städtischen Bereich beispielsweise steht einzelnen häufigen Vogelarten vor der Brutsaison nicht nur zusätzliche Nahrung zur Verfügung. Zudem ist ihr Energiebedarf, bedingt durch das mildere Klima im Siedlungsraum, niedriger und ihre körperliche Verfassung nach dem Winter meist besser als bei Vögeln im städtischen Umland. Aber auch hier darf nicht pauschaliert werden, da es derart viele Faktoren gibt, die einen Einfluss auf das Leben von Wildtieren nehmen können und bisher nicht ausreichend erforscht sind.

Andere Studien zeigen, dass eine höhere Überlebensrate von Nestlingen während der zusätzlichen Fütterung vor allem durch die bessere Kondition der Elterntiere erreicht werden konnte. Diese mussten weniger Zeit und Energie für die eigene Nahrungssuche aufwenden und hatten dadurch mehr Ressourcen für die Versorgung und den Schutz der Jungen. Das Resultat: eine bessere Überlebensrate der Jungtiere.

Blaumeise beim Einflug in den Nistkasten mit einer Raupe im Schnabel.
Foto: Mabel Amber / pixabay.com

Insektenfresser im Nachteil

Die Fütterung mit Samen bringt vor allem zahlreiche Vorteile für Körnerfresser beziehungsweise allesfressende Vogelarten, die dann eine erhöhte Überlebensrate und eine verbesserte Fitness zeigen. Aber wie sieht es bei insektenfressenden Vogelarten aus? Oftmals können Samen Insekten als Nahrung nicht ersetzen. Bei manchen Arten gelingt dies, geht aber mit einer verminderten Kondition der Jungtiere und in weiterer Folge einer erhöhten Sterblichkeitsrate einher. Die Zufütterung mit Insekten hingegen ist kompliziert, teuer und eher ein Fall für Spezialisten. Dieses Beispiel zeigt, wie weitreichend die Folgen unspezifischer Nahrungsquellen für manche Arten sein können. Wobei man nicht vergessen darf, dass es generell einen Rückgang der Insekten gibt beziehungsweise einer Abnahme ihrer Vielfalt. Dieser Umstand hat eine große Bedeutung für viele Jungtiere, die auf proteinreiche Insektennahrung in der Wachstumsphase angewiesen sind.

Verändertes Verhalten

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Vogelfütterung ist die verfälschte Information, die die Wildtiere aus ihrer Umgebung erhalten. Wird ein zusätzliches Nahrungsangebot im Winter bereitgestellt und wie so oft mit Frühlingsbeginn entfernt, stellt dies eine "ökologische Falle" dar. Fälschlicherweise wird von einem erhöhten Nahrungsangebot in der späteren Brutsaison ausgegangen. Daraus resultierend kann es zu einer Diskrepanz zwischen dem Höhepunkt des natürlichen Nahrungsangebots und dem Nahrungsbedarf der Nestlinge kommen, was wiederum die Überlebensrate der Küken vermindert.

Die Reaktionen auf das zusätzliche Nahrungsangebot waren im Rahmen von Feldversuchen sehr unterschiedlich und reichten von einer verfrühten Brut bis hin zu größeren Gelegen. Wird die Futterstelle während der Brut plötzlich entfernt, bevor ausreichend natürliche Futterquellen zur Verfügung stehen, wirkt sich dieser Umstand negativ auf die bereits begonnene Brut und die Jungtiere aus.

Wissenschafter konnten beobachten, dass Vögel, die regelmäßig an Futterstellen anzutreffen sind, eine zunehmende Abhängigkeit von anthropogenen Nahrungsquellen zeigen. Dabei kann es tatsächlich so weit kommen, dass die Tiere sich fast ausschließlich von dieser leicht zugänglichen Nahrungsquelle ernähren. Diese kann zwar das Überleben im Winter sichern, gleichzeitig werden durch einseitige Ernährung nicht ausreichend vielfältig Nährstoffe bereitgestellt. In weiterer Folge kommt es zu Mangelerscheinungen, die im Extremfall schädlich auf die restliche Population wirken können.

Durch die scheinbar harmlose Fütterungsstelle entstehen mitunter künstliche Dominanzverhältnisse. Besonders dann, wenn aggressive, größere Arten vorwiegend von dem Nahrungsangebot profitieren und schwächere Arten in die Peripherie der Futterstelle verdrängen.

Feldsperling beim Füttern der Jungtiere.
Foto: schauhi / pixabay.com

Fressen und gefressen werden

Bereitgestellte Futterstellen bergen, je nach Platzierung, eine erhöhte Gefahr für Wildvögel von einem Beutegreifer gegriffen zu werden. Sei es die Hauskatze, die im Gebüsch lauert, der Marder oder auch ein Greifvogel, der auf die erhöhte Aktivität und Präsenz der Futterhäuschenbesucher aufmerksam geworden ist. Daher eignen sich für die Fütterung vor allem Plätze, die für die Vögel gut einsehbar sind, um nicht von Fressfeinden überrascht zu werden. Bäume und Gebüsch in der Umgebung dienen zudem als Zufluchtsort bei drohender Gefahr.

Krankheiten

Die Hygiene an Futterhäuschen kann gar nicht oft genug angesprochen werden. Besonders Tiere im städtischen Bereich sind einer erhöhten Krankheitsgefahr ausgesetzt, was jedoch auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Dazu kommt die alljährliche Winterfütterung, bei der die Wildtiere oftmals an kontaminierten Futterhäusern anzutreffen sind. Es gibt mittlerweile einige veröffentlichte Studien, die einen Zusammenhang zwischen Vogelkrankheiten und dem Vorhandensein von Futterstationen belegen.

Die Verwendung von Futtersilos ohne Kontaminationsrisiko beziehungsweise die routinemäßige Reinigung einer Futterstelle kann somit einen entscheidenden Unterschied für die Gesundheit und Überlebensfähigkeit der am Futterhäuschen anzutreffenden Vogelarten machen. Somit kann auf einfache Art ein negativer Faktor der Fütterung rasch beseitigt werden.

Obwohl die Vor- und Nachteile durch zusätzliche Nahrungsquellen auf Wildtierbestände auf den ersten Blick offensichtlich erscheinen, ist das Wissen über diese Thematik noch lange nicht vollständig. Die Auswirkungen der Vogelfütterung sind nicht nur artspezifisch, sondern auch von der Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen in den jeweiligen Jahren und der Qualität des angebotenen Futters abhängig. Besonders die langfristigen Auswirkungen auf Individuen und Populationen lassen zum derzeitigen Stand viele weitere Forschungsfragen offen. (Natalie Eder, 14.12.2021)