Ab kommender Woche gurgelt auch Tirol. Den 92-Millionen-Euro-Auftrag dazu erhielt das Nachfolgeunternehmen der in Kritik geratenen HG Lab Truck.

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Innsbruck – Kommende Woche wird in Tirol das neue PCR-Gurgel-Testsystem ausgerollt. Details dazu will das Land im Rahmen eines Medientermins ebenfalls nächste Woche bekanntgeben. Doch die "Tiroler Tageszeitung" berichtete bereits heute zu einigen Eckpunkten, die spannend sind und Fragen aufwerfen. So soll das Auftragsvolumen – der Vertrag läuft bis März 2022 – rund 92 Millionen Euro umfassen, und den Zuschlag dafür erhielt die Firma Novatium. Die Vergabe erfolgte "durch einen Abruf über die Bundesbeschaffungsgesellschaft" (BBG), bestätigt das Land Tirol. Novatium wurde dabei für den vom Land angefragten Leistungsumfang von der BBG erstgereiht, wird behauptet. Das Unternehmen ist nun direkter Auftragnehmer des Landes, bezahlen wird diese Leistungen der Bund.

Novatium ist die Nachfolgefirma der in Kritik geratenen HG Lab Truck. Diese hatte im September 2020 – ohne Ausschreibung – den bis dahin größten Auftrag für PCR-Tests in Tirol erhalten. Insgesamt sollen dafür rund 16 Millionen Euro geflossen sein, die ebenfalls der Bund dem Land refundierte. Allerdings verlor die HG Lab Truck den Auftrag im Juli 2021, nachdem immer mehr Ungereimtheiten rund um diese Direktvergabe ohne Ausschreibung sowie die handelnden Personen hinter dem Unternehmen publik wurden.

Anfrage der Opposition

Die Klubobfrau der Liste Fritz, Andrea Haselwanter-Schneider, hatte diese Causa bereits im April 2021 mit ihrer Landtagsanfrage zur Vergabe des PCR-Testauftrags an die HG Lab Truck ins Rollen gebracht. Vieles sei immer noch ungeklärt, sagt Haselwanter-Schneider: "Nach wie vor sind rund um diese HG Lab Truck und den Übergang auf die Novatium viele Fragen offen, die Platter (ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter, Anm.) nie beantworten wollte. Zweitens gibt Platter nach wie vor Millionenaufträge direkt an die Novatium, was wir scharf kritisieren. Drittens ist es erstaunlich, was die Novatium als kleines, relativ neues Labor ohne viel Erfahrung schafft, was die große Lifebrain mit viel Know-how und Erfahrung nicht schafft, nämlich die Abwicklung der PCR-Gurgeltests in Tirol."

Mit ihrer schriftlichen Anfrage will Haselwanter-Schneider "Aufklärung über die Vergabe dieses Millionenauftrages" erwirken. Denn, wie sie sagt: "Wiederum sind die erfahrenen, langjährigen Tiroler Labore nicht mit ins Boot geholt worden." Zudem seien im eigentlich vorgereihte Anbieter – die Labore Novogenia und Lifebrain, Novatium sei erst an dritter Stelle gefolgt – aus bislang unklaren Gründen nicht zum Zug gekommen, wie es in der Anfrage heißt.

Tatsächlich zeigen sich auch Experten, wie der Osttiroler Virologe Gernot Walder, der selbst PCR-Tests in Tirol durchführt und einer Bietergemeinschaft Tiroler Labore angehört, die im Sommer ein Los bei der Ausschreibung für herkömmliche PCR-Tests gewonnen hatte, erstaunt über den Umfang dieses nun an Novatium vergebenen Auftrags: "Ich habe meine Zweifel, ob die geräte- und personaltechnisch so gut aufgestellt sind."

Prüfungen laufen

Die Vorgeschichte dieses Falles beschäftigt noch immer die Ermittler. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft prüfte in der Causa HG Lab Truck den Anfangsverdacht des schweren Betruges. Der Akt wurde in der Folge an das Justizministerium weitergeleitet. Dort wurde die Prüfung mittlerweile abgeschlossen, und der Akt ist am heutigen Freitag dem Weisungsrat vorgelegt worden. Auch der Tiroler Landesrechnungshof wurde von den Landtagsfraktionen mit einer Sonderprüfung der Direktvergabe beauftragt. Mit einem Ergebnis sei aber erst im Sommer 2022 zu rechnen, heißt es dort.

Zurück zur Firma Novatium. Noch im April 2021 wurde vom damaligen Sprecher der HG Pharma – dem Mutterunternehmen hinter der HG Lab Truck, die selbst erst im September 2020 nach Zuerteilung des Auftrags in Tirol gegründet wurde – die Firma Novatium ins Leben gerufen. Recherchen des STANDARD haben ergeben, dass zwischen HG Lab Truck und Novatium auch danach noch sehr enge Verbindungen bestanden haben. Diese Kontakte wurden auf Nachfrage damit erklärt, dass ein solcher "Betriebsübergang" eben ein "schrittweiser Prozess" sei.

Das Nachfolge-Unternehmen

Die Firma Novatium schaffte im Sommer, nachdem das Land die PCR-Tests aufgrund öffentlichen und politischen Drucks letztlich ausgeschrieben hatte, als Subunternehmen der Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck wieder den Sprung ins Tiroler PCR-Testgeschäft. Man erhielt das Testlos Osttirol. Fragen nach etwaigen Verbindungen zwischen Novatium und HG Lab Truck wurden vom Land mit der Begründung, dass es sich eben um ein Subunternehmen der MedUni handelt und nicht um einen direkten Auftragnehmer des Landes, nicht beantwortet. Auch sämtliche Gesprächsanfragen an die Novatium blieben bislang erfolglos. Man vertröstete stets auf einen späteren Zeitpunkt.

Das Unternehmen Novatium selbst hat seit seiner Gründung im April den Firmensitz dreimal verlegt. Aktuell scheint eine Adresse in Arzl im Firmenbuch auf, auf der Homepage wird wiederum eine andere Adresse in der Innsbrucker Rossau genannt. Mittlerweile sind zwei Geschäftsführer eingetragen – der besagte ehemalige Sprecher der HG Pharma sowie ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter der HG Pharma bzw. HG Lab Truck. Laut Angaben des Landes betreibt die Firma mittlerweile einen eigenen Labor-Standort in Innsbruck.

PCR-Gurgeltests für Tiroler und Touristen

Nun, so berichtet die "Tiroler Tageszeitung", hat die Novatium den Zuschlag für den 92-Millionen-Euro-Auftrag zu PCR-Gurgeltests in Tirol erhalten. Der Auftrag ist sehr groß, weil er nicht nur auf die Tiroler Bevölkerung sondern auch auf erwartete Skitouristen ausgelegt ist, wie die "Tiroler Tageszeitung" berichtet. Rund 170.000 Tests sollen demnach pro Woche analysiert werden, und das Ergebnis muss binnen 24 Stunden vorliegen. Auf Pooling wird dabei verzichtet. Darüber hinaus sollen die Ergebnisse behördlich angeordneter PCR-Tests – man rechnet mit rund 80.000 pro Woche – binnen 14 Stunden vorliegen.

Diesmal hat Novatium den Auftrag eigenständig an Land gezogen, die MedUni wird für die PCR-Gurgeltests nicht mehr als Partner mit an Bord sein, wie man dort auf Nachfrage bestätigt. Man führe aber weiterhin im Auftrag des Landes die Variantentests und Sequenzierungen durch – für alle in Tirol tätigen Testanbieter.

Lifebrain ergreift rechtliche Schritte gegen Vergabe

Das Wiener Labor Lifebrain, das in der Bundeshauptstadt die PCR-Gurgeltests abwickelt, hatte sich ebenfalls um diesen Auftrag beworben, aber zog den Kürzeren. Lifebrain hat Einspruch gegen die Änderung der Ausschreibungskriterien eingelegt und vor dem Landesverwaltungsgericht recht bekommen. Denn die vom Land Tirol vorgenommene Verkürzung der Analysefrist von 24 auf 14 Stunden im Rahmen eines "erneuten Aufrufes zum Wettbewerb" im September 2021 verzerrte laut den Anwälten von Lifebrain den Wettbewerb, indem nicht in Tirol ansässige Bieter benachteiligt wurden, und sei "sachlich nicht gerechtfertigt". Lifebrain "prüfe nun sehr genau, weitere rechtliche Maßnahmen" in der Angelegenheit, hieß es auf Anfrage.

Und die folgten am späten Freitagnachmittag prompt. Lifebrain hat dem Tiroler Landesverwaltungsgericht einen Festellungsantrag gesandt. Darin wird einerseits die Eignung des Unternehmens Novatium angezweifelt, die Leistungen, für die es den Zuschlag erhielt, überhaupt erbringen zu dürfen und zu können. Zudem habe Novatium die Screenings, also die Gurgeltests, gar nicht im Angebot gehabt, für die sie nun den Zuschlag erhielten. Und die Anwälte von Lifebrain üben harsche Kritik am Vorgehen des Landes Tirols. Es liege der Verdacht nahe, man habe einen bestimmten Anbieter zum Zug kommen lassen wollen.

Alle näheren Details zur Abwicklung der PCR-Gurgeltests durch Novatium will das Land Tirol kommende Woche bekanntgeben. Sobald Land und Novatium auf heutige Anfragen des STANDARD zum neuen Auftrag reagieren, werden diese Informationen hier im Artikel ergänzt. (Steffen Arora, 10.12.2021)