Jan Lipavský (Bild) soll tschechischer Außenminister werden, doch Präsident Miloš Zeman hat etwas dagegen.

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Die rechtsliberale Fünfparteienkoalition, die in Tschechien so bald wie möglich die Regierungsgeschäfte übernehmen will, muss sich voraussichtlich noch etwas gedulden: Staatspräsident Miloš Zeman will den von der Piratenpartei nominierten Jan Lipavksý nicht zum Außenminister ernennen. Das gab die Präsidentschaftskanzlei am Freitag auf ihrer Internetseite bekannt. Der designierte Premier Petr Fiala von den konservativen Bürgerdemokraten (ODS) wiederum hat angekündigt, auf seiner Kabinettsliste zu beharren und sich notfalls an das Verfassungsgericht zu wenden.

Für die Ablehnung Lipavskýs führt Zeman vier Gründe ins Treffen: Erstens habe Lipavský lediglich ein Bachelorstudium absolviert und verfüge nicht über die erforderliche Qualifikation. Zudem habe der 36-Jährige ein "distanziertes Verhältnis" zur Zusammenarbeit in der Visegrád-Gruppe (V4), wo Tschechien gemeinsam mit Polen, Ungarn und der Slowakei in einigen Fragen an einem Strang zieht, vor allem in der vergleichsweise restriktiven Migrationspolitik.

Zankapfel Israel

Ähnlich liest sich Punkt drei: Lipavský habe auch ein "distanziertes Verhältnis" zu Israel. Der Außenminister in spe hat zwar die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland wiederholt kritisiert, sieht sich selbst und seine Piraten damit aber im Mainstream der europäischen Nahostpolitik. Auch zu dem von Zeman geforderten Komplett-Umzug der tschechischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem hatte er sich in der Vergangenheit ablehnend geäußert.

Das vierte Argument, das Zeman vorbringt, hat mit der Aussöhnung zwischen Tschechen und Deutschen im Gefolge der nationalsozialistischen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs und der anschließenden Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung zu tun: Lipavský hat vorgeschlagen, den nächsten Sudetendeutschen Tag in Tschechien abzuhalten. Für einen solchen Schritt, der als weitere Geste der Versöhnung gelten würde, haben sich in Tschechien auch Diplomaten bereits wiederholt ausgesprochen. Der Sudetendeutsche Tag, der stets zu Pfingsten und meistens in Bayern stattfindet, gilt eigentlich längst nicht mehr als konfrontativ. 2016 nahm sogar der damalige tschechische Kulturminister Daniel Herman teil und drückte sein Bedauern über die Vertreibung aus. Eine Abhaltung auf tschechischem Boden wäre dennoch Neuland.

Auslegung des Grundgesetzes

Nun ist in Tschechien einmal mehr ein Streit darüber entbrannt, ob das Staatsoberhaupt eigentlich das Recht hat, Regierungsmitglieder aus persönlichen oder politischen Gründen abzulehnen. Die Verfassung sieht vor, dass der Präsident "den Regierungschef und auf dessen Vorschlag die anderen Regierungsmitglieder" ernennt. Die rechtsliberale Koalition, die im Abgeordnetenhaus über eine Mehrheit von 108 der insgesamt 200 Mandate verfügt und bereits einen Koalitionsvertrag unterschrieben hat, sieht dies als klaren Auftrag an Zeman, das Kabinett endlich anzugeloben.

Petr Fiala, der bereits zum Premier ernannt wurde, hat noch am Freitag via Twitter auf Zemans jüngsten Schritt reagiert: Es sei "nötig, dass das Verfassungsgericht ein für alle Mal die Frage der Kompetenzen bei der Ernennung neuer Regierungsmitglieder" klärt, schrieb Fiala. Bereits zuvor hatte er mit einer "Kompetenzklage" gedroht, sollte Zeman einzelne Mitglieder seines Wunschkabinetts ablehnen. Zeman wiederum sieht sich nicht an die Vorschläge Fialas gebunden.

Kein einfacher Start

Die aktuelle Regierungsbildung stand in Tschechien von Anfang an unter keinem guten Stern. Präsident Zeman gilt als Verbündeter des noch geschäftsführend amtierenden Premiers Andrej Babiš. Dieser aber konnte mit seiner liberal-populistischen Partei Ano keine Regierungsmehrheit mehr zimmern. Zudem wurde der 77-jährige Zeman unmittelbar nach der Wahl Anfang Oktober in die Intensivstation des Prager Militärkrankenhauses eingeliefert, wo er gleich mehrere Wochen verbrachte. Nachdem zunächst Zweifel an seiner Amtsfähigkeit laut geworden waren, wurde er schließlich erst vor knapp zwei Wochen aus dem Spital entlassen.

Die Ernennung von Fiala zum Premier konnte dann wegen einer Corona-Infektion Zemans nur unter strengen Hygieneauflagen stattfinden. Am Montag wollen Zeman und Fiala nun über das weitere Vorgehen verhandeln. (Gerald Schubert, 10.12.2021)