Bei entzündlichen Krankheiten wird oft Kortison verschrieben. Doch wenn man nicht richtig damit umgeht, kann es zu Osteoporose führen.

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Kortison ist eines jener Medikamente, die zweierlei Emotionen hervorrufen: Freude über das "Wundermittel", das wirksam Entzündungen hemmt, und die Angst vor Nebenwirkungen sowie negativen Effekten aufgrund seiner schwächenden Wirkung auf das Immunsystem.

Die entzündungshemmenden Effekte von Kortison, das zu den sogenannten Glukokortikoiden gehört, werden insbesondere bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie zum Beispiel rheumatischen Erkrankungen, entzündlichen Darmerkrankungen, Schultersteife, entzündlichen Hauterkrankungen, Asthma und COPD geschätzt. Abhängig von der Krankheit werden Glukokortikoide gespritzt, als Salbe aufgetragen, inhaliert oder als Tablette geschluckt. Von der Art der Anwendung hängen dann auch die Risiken und möglichen Nebenwirkungen ab.

Kortisontabletten schneiden, was die möglichen Nebenwirkungen anbelangt, gerade bei längerer Anwendung am schlechtesten ab. Wird das Glukokortikoid geschluckt, gelangt es über den Magen in den Blutkreislauf. Es wirkt dann überall im Körper, im medizinischen Fachjargon sagt man "systemisch" dazu. Die Nebenwirkungen sind aber beherrschbar, sofern das Medikament richtig dosiert und nur kurzzeitig eingesetzt wird.

"Heutzutage sind das dauerhaft in der Regel maximal fünf Milligramm pro Tag", so Gerd Burmester, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie am Campus Charité Mitte, Berlin. "Bei Patienten mit einer rheumatischen Erkrankung, die wir neu mit Kortison einstellen, kombinieren wir Kortison von vornherein mit einem zweiten Medikament. Wenn dieses nach etwa sechs Monaten dann seine volle Wirksamkeit erreicht hat, geht es fast immer ohne Kortison", sagt Burmester.

Bei vielen rheumatischen Erkrankungen, insbesondere bei rheumatoider Arthritis, gibt es heute so viele andere gute Therapieoptionen, dass Kortison gar nicht unbedingt nötig ist. "Patienten, die Kortison schon jahrelang einnehmen, haben sich mitunter aber so sehr daran gewöhnt, dass sie sich nicht mehr umstellen wollen. Mitunter haben sie Angst, dass sich ihre Erkrankung dann wieder verschlimmert."

Osteoporose durch Langzeiteinahme

Eine Langzeiteinnahme von Kortison ist jedoch wegen der möglichen Nebenwirkungen problematisch. So kann die Knochendichte stetig abnehmen bis hin zur Osteoporose. Kortison vermindert nämlich die Kalziumaufnahme über den Dünndarm und verstärkt zugleich die Kalziumausscheidung über die Niere. Rund 30 bis 40 Prozent der Patienten erleiden im Laufe von vier bis fünf Jahren Kortisonbehandlung Knochenbrüche. "Sie treten vor allem dann auf, wenn Kortison zu hoch dosiert wurde, das heißt mehr als fünf Milligramm pro Tag eingenommen wurden", so Burmester.

Tritt ein Kalzium-Mangel auf, holt sich der Körper das nötige Mineral nämlich einfach aus den Knochen. Das vermindert die Knochendichte – die Vorstufe von Osteoporose ist erreicht. Deshalb empfiehlt die Leitlinie des Dachverbandes Osteologie, regelmäßig die Knochendichte zu überprüfen. "Bereits in den ersten drei bis sechs Monaten der Kortisontherapie sinkt sie um bis zu zwölf Prozent", so Jan Leipe, Sektionsleiter Rheumatologie an der Universitätsklinikum Mannheim. Er ist Mitglied der Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DFGRh).

Je höher dosiert und je länger das Kortison eingesetzt wird, desto stärker ist der Effekt auf die Knochendichte. Möglicherweise sind in diesen Fällen zusätzliche Medikamente nötig, die den Knochenabbau hemmen oder den Knochenaufbau fördern. "Die entsprechende Medikamente werden zum Beispiel einmal pro Woche als Tablette oder auch einmal pro Jahr über die Vene verabreicht", berichtet der Berliner Mediziner.

Den Knochen konsequent schützen

Wer Kortison einnimmt, muss von Anfang an konsequent einer Knochendichteabnahme bzw. Osteoporose vorbeugen. Darüber hinaus ist es wichtig, Sport zu treiben. Es sind all jene Sportarten gut, bei denen der Muskel am Knochen zieht. Der Zug durch den Muskel am Knochen ist quasi Stimulanz für den Knochen, sich aufzubauen. Ideal dafür sind spezielle Gymnastik, Joggen, Tanzen und Fitnesstraining. "Letzteres kann man auch noch mit 80 Jahren machen", so Burmester. "Weniger gut ist hier nur die Wassergymnastik, denn wegen des Auftriebs fehlt der Zug am Knochen."

Weiterhin sollten Betroffene auf eine kalziumreiche Ernährung einschließlich kalziumreichem Mineralwasser achten. "Kalziumtabletten sollte man nicht verwenden, weil diese insbesondere bei Männern Herzprobleme verursachen", warnt Burmester. Wichtig ist auch, zusätzlich Vitamin D einzunehmen. Allerdings nicht einfach ins Blaue hinein, sondern nachdem der bei Einnahmebeginn aktuelle Vitamin-D-Wert als Basiswert bestimmt wurde. "Die empfohlene tägliche Einnahmemenge beträgt 1.000 Einheiten Vitamin D, oder man nimmt je nach Vitamin-D-Spiegel und Sonnenstand alle ein bis vier Wochen 20.000 Einheiten ein", rät Burmester.

Vitamin D assistiert bei der Kalziumaufnahme, indem es die Aufnahme und den Transport des Minerals durch die Darmwandzellen stimuliert und so die aufgenommene Kalziummenge stark erhöht. Kalzium wird in den Knochen gespeichert – und daraus wieder freigesetzt, wenn über die Nahrung zu wenig aufgenommen wird oder das Kortison die Kalziumaufnahme über den Dünndarm vermindert.

Kortison richtig ausschleichen, damit es kein Bumerang wird

Wer sich nun von Kortison ganz verabschieden oder es fortan in viel geringerer Dosierung einnehmen möchte, sollte auf die Folgen achten. Hierzu muss man wissen: Die Knochendichte verringert sich nicht nur bei der Einnahme von Kortison. Dasselbe kann passieren, wenn das Kortisonpräparat abgesetzt wird. Warum das? Es können dann wieder vermehrt entzündliche Prozesse auftreten, die sich negativ auf den Knochen auswirken.

Das ist der eine Teil der Problematik. Der andere Teil betrifft die körpereigene "Kortisonproduktion": Kortisol – auch Hydrokortison genannt – ist ein körpereigenes Stresshormon, das unter Anspannung in der Nebennierenrinde produziert wird und dem Körper die nötige Energie liefert. Die längere Einnahme eines Kortison-haltigen Präparates führt nun dazu, dass die Produktion von Hydrokortison in der Nebennierenrinde heruntergefahren wird. Würde die Zufuhr von Kortison abrupt gestoppt, dann könnte es zum Kortisonentzug kommen, weil die körpereigene Produktion ja erst wieder hochgefahren werden muss. Die möglichen Folgen sind Müdigkeit, Übelkeit und in selten Fällen Blutdruckabfall.

Aber es gibt einen Ausweg: behutsames schrittweises Ausschleichen des Kortisonpräparates, damit die körpereigene Kortisonproduktion langsam wieder anspringt und die Entzugssymptome ausbleiben. Eine im vergangenen Jahr im medizinischen Fachmagazin "Lancet" erschienene europäische SEMIRA-Studie (Steroid EliMination In Rheumatoid Arthritis), mit Gerd Burmester und Frank Buttgereit als Erstautoren, zeigt auf, wie das Absetzen eines Kortisonpräparates gelingen kann und dass es für viele Patienten tatsächlich auch ohne negative Auswirkungen auf die Entzündungsaktivität möglich ist.

"Wir haben in unserer Studie festgestellt, dass es optimal ist, die Dosis jeden Monat um ein Milligramm zu verringern", sagt Burmester. Die an der Studie teilnehmenden 259 Patienten hatten vor Studienbeginn zwischen sechs Monate und neun Jahre lang niedrig dosiertes Prednison (5 mg) und zusätzlich den Antikörper Tocilizumab eingenommen. Die Forscher verglichen die Einnahme von gleichbleibend fünf Milligramm Prednisolon durch die Kontrollgruppe (128 Patienten) über weitere sechs Monate mit dem langsamen Ausschleichen des Prednison in der zweiten Gruppe. Pro Monat wurde hier die Prednisolon-Dosis um ein Milligramm verringert.

Haben die Studienergebnisse bestätigt, dass die alleinige Einnahme von Tocilizumab reicht? "Nur teilweise. Etwa 65 Prozent der Patienten aus der Ausschleichgruppe konnten das Kortisonpräparat absetzen und hatten trotzdem einen sehr guten Therapieerfolg, das heißt die Erkrankung hat sich nicht verschlimmert", berichtet Burmester. "Bei 35 Prozent der Studienteilnehmer in der Ausschleichgruppe stieg die Entzündungs- und damit die Krankheitsaktivität nach Absetzen des Kortisons wieder etwas an. Möglicherweise wäre es in diesen Fällen gut gewesen, den Ausschleichprozess bei ein oder zwei Milligramm Prednison zu stoppen." Zum Vergleich: Auch bei 23 Prozent der Patienten in der Kontrollgruppe mit gleichbleibender Prednison-Dosis verschlimmerte sich das entzündliche Geschehen etwas. (Gerlinde Felix, 13.12.2021)