Die Partei von Pamela Rendi-Wagner stellt jene von Karl Nehammer derzeit in den Schatten – bei den Personen ist es gerade umgekehrt.

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Linz – Sebastian Kurz ist weg – und die vor seiner Zeit geltende Parteienreihenfolge ist wieder da: In der aktuellen Market-Hochrechnung für den STANDARD liegt die SPÖ mit 26 Prozent zwei Prozentpunkte vor der ÖVP. Und diese liegt wiederum zwei Prozentpunkte vor den Freiheitlichen.

Basis dieser Hochrechnung ist eine in dieser Woche durchgeführte Befragung von 800 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten, die teilweise online und teilweise von Interviewern computergestützt "face-to-face" befragt wurden (das Capi-Verfahren steht für "computer aided personal interview").

Die Schwäche der ÖVP

Die hochgerechneten Daten zeigen für die einzelnen Parteien folgendes Bild:

  • Die Kanzlerpartei ÖVP rutscht von ihrem Wahlergebnis im Herbst 2019 (37,5 Prozent) rund 13 Prozentpunkte auf 24 Prozent ab – das heißt, dass sich etwa ein Drittel ihrer Wähler inzwischen verlaufen hat. Die aktuelle STANDARD-Umfrage des Linzer Market-Instituts zeigt, dass die ÖVP-Wähler der Nationalratswahl nun beachtliche Anteile der aktuellen Unterstützer von FPÖ und MFG ausmachen. Der Rückgang wirkt umso deutlicher, als die Volkspartei nach der Regierungsbildung mit den Grünen und anschließend während es ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 unter Kurz Umfragewerte jenseits der 40 Prozent verbuchen konnte. Noch bis zur Jahresmitte hatte die ÖVP hochgerechnete Umfragewerte von über 30 Prozent.
    Auch auf dem zweiten Platz hinter der SPÖ hat die ÖVP allerdings eine Stärke, die nicht zu unterschätzen ist: In der Kanzlerfrage liegt Amtsinhaber Karl Nehammer mit 21 Prozent an erster Stelle. Auch das reicht nicht an die Werte von Kurz heran – ihm hätten im April des Vorjahres 52 Prozent die Stimme gegeben, wenn man den Bundeskanzler direkt wählen könnte. Allerdings stehen die verbliebenen ÖVP-Wähler zu etwa drei Vierteln zu Nehammer – zumindest im eigenen Lager hat Nehammer einen Kanzlerbonus. Nehammer punktet stark bei Männern und bei älteren Befragten.

Die Stärke der SPÖ

  • Umgekehrt ist die Situation bei der SPÖ, hier zieht die Partei mehr als ihre Chefin: Die Sozialdemokraten haben sich im Verlauf der letzten Monate bei den Hochrechnungen konstant auf Werten zwischen 25 und 27 Prozent eingependelt. Mit aktuell 26 Prozent in der Hochrechnung haben sie gegenüber der Wahl fast ein Viertel mehr Wahlberechtigte in ihrem Lager. Allerdings würden nur 16 Prozent der Befragten in einer Direktwahl ihre Stimme für Parteichefin Pamela Rendi-Wagner abgeben. Rendi-Wagners persönliche Anhängerschaft ist noch stärker als jene Nehammers männlich geprägt; sie verteilt sich gleichmäßiger über Altersschichten.

Die Rückkehr der FPÖ

  • Freiheitlichen-Chef Herbert Kickl würde von jedem neunten Wahlberechtigten zum Kanzler gemacht werden, wenn das zur Wahl stünde – hochgerechnet ergibt sich für die FPÖ ein Wert von 22 Prozent, ein Drittel mehr als 2019. Kickls Fans sind zwischen 16 und 49 Jahre alt – hohe Zustimmung bekommt er nicht nur von FPÖ-Wählern, sondern auch von der (kleinen) Gruppe der MFG-Anhänger. Der Aufstieg der FPÖ in der hochgerechneten Sonntagsfrage begann im Frühsommer und ist damit ziemlich klar der Person des damals neu bestellten Parteichefs Kickl zuzurechnen.

Grüne schwächeln, Neos legen zu

  • Die Grünen sind mit hochgerechneten zwölf Prozent klar unter den 13,9 Prozent von 2019. Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler würde derzeit nur von acht Prozent gewählt.
  •  Die Neos schließen in der Hochrechnung mit elf Prozent auf. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger verbucht in der theoretischen Kanzlerfrage sieben Prozent.
  • Nach ihrem Wahlerfolg in Oberösterreich (6,2 Prozent bei der Landtagswahl) könnte Menschen, Freiheit Grundrechte (MFG) auch bundesweit mitmischen: Vier Prozent in der Hochrechnung könnten einen Einzug in den Nationalrat nach einer Wahl bedeuten.

Neuwahlen unpopulär, aber nicht unwahrscheinlich

Falls es denn zu einer Wahl kommt.

Denn: Populär wären Neuwahlen nicht.

Nur 37 Prozent der in dieser Befragungswelle befragten Wahlberechtigten sind dafür, dass möglichst rasch gewählt werden sollte. Ganz entschieden für Neuwahlen sind vor allem Freiheitliche, von den SPÖ-Präferenten würde nur jeder Zweite bald wählen wollen.

44 Prozent – vor allem Anhänger der Regierungsparteien – vertreten die Gegenposition und meinen, dass Parlament und Regierung bis Herbst 2024 weiterarbeiten sollten.

Aber wie realistisch ist das? Market fragte auch das – und bekam von nur 20 Prozent die Antwort, dass die Regierungsperiode fünf Jahre dauern wird. 67 Prozent erwarten Neuwahlen. (Conrad Seidl, 11. 12. 2021)