Im Februar kommt die Impfpflicht. Bis dahin gibt es allerdings noch einige offene Fragen zu klären.

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Der Gesetzestext zur Impfpflicht ist veröffentlicht, die Diskussion darüber geht jetzt erst richtig los: In den kommenden vier Wochen haben Experten und Privatpersonen Zeit, ihre Stellungnahmen abzugeben. Der Diskurs spielt sich dabei auf zwei Ebenen ab: Während sich bei Maßnahmengegnern, die auf der Straße demonstrieren, zunehmend Unmut breitmacht, stehen Juristinnen und Juristen vor Kameras und Radiomikrofonen und diskutieren über Details.

Unterdessen treten jeden Tag neue offene Fragen auf den Plan. DER STANDARD sammelt an dieser Stelle die wichtigsten Infos – ohne Gewähr, dass alles so bleibt, wie es derzeit ist. Schließlich kann der Gesetzestext noch einmal überarbeitet werden, bevor er am 1. Februar 2022 in Kraft tritt. Das sollte er auch, wenn grobe Mängel sichtbar werden.

Grundsatzdebatte via Stellungnahmen

Zunächst zur Grundsatzdebatte, ob eine Impfpflicht denn überhaupt notwendig und zulässig ist. Einige renommierte Experten haben dies bejaht, auf die Verfassungsmäßigkeit hingewiesen, die Politik beim Schreiben des Entwurfs unterstützt. Viele andere stellen das Vorhaben allerdings infrage. Bis Freitagmorgen, also allein in der Nacht, nachdem das Gesetz veröffentlicht worden war, wurden dazu mehrere Hundert Stellungnahmen auf der Seite der Parlamentshomepage abgegeben. Eine kurze Durchsicht zeigt: In vielen davon geht es um Meinung, nicht um eine Analyse des Entwurfs. Die ersten paar Stellungnahmen, die dazu abgegeben wurden, illustrieren das: "Werden uns auf allen Ebenen gegen diese Covid-Diktatur verteidigen", heißt es da, oder: "Außerdem hat der Staat nicht das Recht, gegen den Willen eines Staatsbürgers diesen zu schützen". In einer anderen steht: "Ich möchte mich von einer Impfpflicht aufs Schärfste distanzieren".

Aufgerufen hatte dazu FPÖ-Chef Herbert Kickl. Der ließ ausrichten, er hoffe, "dass die Server des Parlaments diesmal der zu erwartenden Flut an negativen Stellungnahmen gewachsen" seien. Zur Erinnerung: Auch als im Vorjahr das Epidemie- und das Covid-19-Maßnahmengesetz novelliert wurden, kam es zu einer regelrechten Flut an Stellungnahmen – mit einer Wucht, dass das Parlament seine Website umbauen musste. Experten sahen sich damals durch das Vorgehen an die Staatsverweigererszene erinnert.

Noch länger ist es übrigens her, dass die FPÖ selbst eine Impfpflicht gefordert hatte. Im Jahr 1999 war das, es ging unter anderem um Tuberkulose. Damals forderten die Freiheitlichen die "Verbesserung der Impfkonzepte und die Wiedereinführung verpflichtender Impfungen, um die Impfrate zu verbessern, vor allen bei Kindern und Senioren".

Strafe, aber keine Haft

Zurück zur fachlichen Diskussion. Die drehte sich zuletzt etwa um die Frage, wer ein Ausnahmeattest ausstellen darf. Laut Entwurf ist das eine ganze Palette von Ärztinnen und Ärzten, auch aus dem Bereich der Psychiatrie und der Dermatologie.

Doch in Stein gemeißelt ist das nicht. Das geht auch aus den internen Papieren der Corona-Kommission hervor: "Anhand der Begutachtungsergebnisse könne ggf. über eine weitere Einschränkung der Attestberechtigten/-verantwortlichkeiten entschieden werden", ist da als Aussage von Franz Gerhard Pietsch, Gruppenleiter im Gesundheitsministerium, dokumentiert.

Wer kein Attest hat, über 14 Jahre alt, nicht schwanger und ungeimpft ist, muss jedenfalls zahlen. Geplant ist folgendes Schema: Bis auf weiteres gibt es alle drei Monate einen "Impfstichtag", der erste ist am 15. März 2022. Personen, die am jeweiligen Stichtag nicht geimpft sind, droht in einem "ordentlichen" Verfahren eine Verwaltungsstrafe von bis zu 3.600 Euro. Dabei sind – wie im Strafrecht üblich – Einkommen und Vermögen der betroffenen Person zu berücksichtigen.

Ob die Strafhöhe von 3.600 Euro in der Praxis tatsächlich schlagend wird, bleibt aber fraglich. Laut Gesetzesentwurf haben die Behörden nämlich die Möglichkeit, in einem "vereinfachten" Verfahren Strafverfügungen bis zu 600 Euro auszustellen. Der Gesundheitsminister kann außerdem per Verordnung pauschale Strafhöhen festlegen und dabei für bestimmte Personengruppen geringere Strafen vorsehen – etwa für Jugendliche.

Die Behörden werden in der Praxis wohl immer das vereinfachte Verfahren wählen, sagt Verfassungsrechtler Peter Bußjäger. Sie dürfen das zwar nur, wenn eine "amtliche Anzeige" vorliegt. Das ist, wenn es um die Impfpflicht geht, aber immer der Fall, weil die Ungeimpften anhand eines automatisierten Datenabgleichs erfasst werden. Das ordentliche Verfahren, bei dem die sechsfache Strafe droht, kommt erst dann ins Spiel, wenn jemand gegen die Strafverfügung Einspruch erhebt. Selbst dann darf die Strafe aber nicht höher sein als ursprünglich im vereinfachten Verfahren – also nicht höher als 600 Euro.

Fraglich bleibt aber, unter welchen Voraussetzungen die Behörden auch von sich aus ein "ordentliches" Verfahren durchführen dürfen. Laut Christoph Bezemek, Verfassungsrechtler an der Universität Graz, sollte das gesetzlich konkretisiert werden. Schließlich ist der Unterschied zwischen einer Strafe bis zu 600 Euro und bis zu 3.600 Euro beträchtlich.

Keine Änderungen am Arbeitsplatz

Weigern sich Nichtgeimpfte zu bezahlen, kann die Strafe von Gerichtsvollziehern eingetrieben werden. Im schlimmsten Fall droht Betroffenen die Pfändung. An sich ist es im Verwaltungsrecht üblich, dass Menschen, die die Strafe nicht bezahlen können, stattdessen für ein paar Tage oder Wochen in Haft müssen. Bei der Impfpflicht gibt es dafür nun eine Ausnahme, Haft wird explizit ausgeschlossen.

Wer zum Impfstichtag nicht geimpft ist, für den ist es allerdings nicht zu spät. Laut Entwurf ist das Verfahren einzustellen, wenn der "Impfpflicht nachweislich nachgekommen wird". Wer eine Strafverfügung bekommt, kann daher Einspruch erheben und die Impfung nachholen.

Für den Job sieht der Gesetzesentwurf keine eigenen Regelungen vor. Sollte sich nichts mehr ändern, gilt am Arbeitsplatz weiterhin die 3G-Regel. Damit könnte es zu einer bizarren Situation kommen: Menschen müssten sich offiziell zwar impfen lassen, könnten jedoch auch ungeimpft in die Arbeit gehen. Denkbar wäre aber, dass Arbeitgeber von sich aus eine Impfpflicht einführen. In der Juristerei war das bisher umstritten. Im Fall eines Rechtsstreits hätten Arbeitgeber aber spätestens jetzt gute Argumente parat.

Immer wieder verweigern

Noch eine heftigst diskutierte Frage ist derzeit, ob eine mehrfache Bestrafung überhaupt zulässig ist. Das dürfte auch unter Juristinnen und Juristen nicht unumstritten sein, wie Verfassungsrechtler Karl Stöger in der "ZiB 2" am Donnerstag anklingen ließ.

Man werde sich sehr genau anschauen müssen, ob die "Automatik", mit der alle drei Monate gestraft werden kann, den Anforderungen genügt oder ob man den Entwurf noch adaptieren muss. Aus Sicht von Verfassungsrechtler Bezemek wäre eine mehrfache Bestrafung zulässig. Man müsse das Doppelbestrafungsverbot zwar berücksichtigen, ein Verstoß gegen die Impfpflicht sei aber ein Dauerdelikt, das öfter bestraft werden kann.

Abgesehen von den theoretischen Fragen, wird das Gesetz aber auch große praktische Probleme aufwerfen: Juristen rechnen damit, dass die Gesundheitsbehörden ab 15. März tausende Strafverfügungen ausstellen müssen. Das könnte zu einem "Verwaltungsstau" führen – vor allem dann, wenn zahlreiche Menschen Einspruch erheben, um sich doch noch freiimpfen zu können.

Dass es zahlreiche Verfahren geben wird, davon geht man auch im Gesundheitsministerium aus. Dort schätzt man – auch das geht aus Dokumenten der Kommission hervor – , dass bis zu eine Million Personen den Verfahrensweg bestreiten werden. Übrigens: Im Laufe des Freitags hat sich die Zahl der Stellungnahmen auf der Parlamentshomepage mehr als verdoppelt. (Jakob Pflügl, Gabriele Scherndl, 10.12.2021)