"Kontinuität" ist das Zauberwort zwischen Olaf Scholz (li.) und Emmanuel Macron. So war es schon unter Angela Merkel.

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Olaf Scholz kam mit einer schwarzen, Emmanuel Macron erwartete ihn mit einer weißen Maske – das war auch schon die größte Differenz zwischen den zwei Staatenlenkern: Nach einem gemeinsamen Mittagessen bemühten sich der Kanzler und der Präsident zu beweisen, dass die deutsch-französische Partnerschaft auch nach dem Abgang Angela Merkels unverbrüchlich und solide auf Kurs bleibt. Die Botschaft ihrer Pressekonferenz lautete: Wir schaffen das auch!

Die Beziehung zwischen dem Deutschen und dem Franzosen scheint gut, auch wenn noch etwas steif. Die Temperamente mögen verschieden sein, meinte doch eine Pariser Journalistin, der neue Kanzler wirke sehr sympathisch, wenn auch "nicht gerade flamboyant".

Vertraulicher Tonfall

Doch der Gastgeber im Élysée vermochte die Lage aufzulockern, indem er seinen Besucher "lieber Olaf" nannte und ihn vor der Weltpresse sogar duzte; erst als keine entsprechende Gegenanrede folgte, fiel er wieder in das obligate "Monsieur le chancelier" zurück.

Scholz lehnte sich diplomatisch nicht weit hinaus: Auf Journalistenfragen antwortete der Deutsche zurückhaltend, oft ausweichend, manchmal nichtssagend. Zum diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele durch die USA meinte er, er wünsche sich ein "konzertiertes Vorgehen" der EU. Zum russischen Truppenaufmarsch gewährleistete er der Ukraine alle "Perspektiven", um anzufügen, Paris und Berlin versuchten, im "Normandie-Format" zwischen Moskau und Kiew zu vermitteln.

Gefragt, was er über den französischen Atomkurs denke, sagte Scholz nur, dass er sich auf die deutsche Energiepolitik mit Wasserstoff, Sonnen- und Windkraft konzentriere.

"Unterschiede" umschifft

Der Unterschied zur neuen Außenministerin Annalena Baerbock, die am Freitag Warschau besuchte, war frappierend. Die Grüne hatte am Vortag bei ihrem ersten Amtsbesuch in Paris bedeutend schärfere Worte gegenüber dem "Systemrivalen" in Peking gewählt. Auch verhehlte sie nicht, dass ihre Partei gegen die aus Russland kommende Gaspipeline Nord Stream 2 ist. Und sie machte klar, dass ihr Land und Frankreich in der Nuklearfrage "unterschiedliche Positionen" hätten.

Scholz umschiffte die "Unterschiede" und ging mit keinem Wort auf die Forderung der Fridays-for-Future-Aktivisten ein, in Paris gegen ein Nachhaltigkeitslabel für Atomenergie zu plädieren.

Macron überging das ganze Energiethema und zelebrierte das neue deutsch-französische Zauberwort der "Kontinuität". Der Franzose hat nicht vergessen, dass es hinter Merkel deren damaliger Finanzminister Scholz gewesen war, der mit den Franzosen die gemeinsame Kreditaufnahme für den europäischen Covid-Wiederaufbaufonds ausgearbeitet hatte. Macron würde auf dem Weg zur Schuldenunion gerne weitergehen, doch schonte er diesmal die deutschen Befindlichkeiten. Er sprach zwar von der Notwendigkeit "massiver Investitionen", das schließe eine "seriöse Haushaltsführung" aber nicht aus. Einer so ausgewogenen Ansicht konnte sich Scholz nur anschließen.

Merkels Schatten

So viel Übereinstimmung wird nicht ewig bleiben. Macron deutete bereits an, dass er die Maastricht-Regeln (Defizit maximal drei Prozent, Höchstverschuldung 60 Prozent) revidieren will. Doch dafür ist noch Zeit. Der erste Amtskontakt sollte atmosphärische Wärme schaffen – die Macron schon mit Merkel gepflegt hatte. Auch Scholz meinte: "Mein Besuch ist nur der erste. Weitere werden folgen." Bei so viel Voraussicht und Kontinuität wirkte es fast so, als wache Merkels Schatten noch über der Pressekonferenz der beiden Männer. (Stefan Brändle aus Paris, 10.12.2021)