Der wissenschaftliche Informationsstand zur neuen Coronavirus-Variante Omikron wird von Tag zu Tag größer, das vorgelegte Tempo ist beachtlich. Zwar scheinen sich aufgrund erster Studien zu den Impfstoffen die Hinweise zu verdichten, dass ein dritter Stich mit einem mRNA-Vakzin von Biontech/Pfizer oder Moderna – oder, nach durchgemachter Erkrankung, zwei Stiche – fast immer vor schwerer Erkrankung schützt. Doch darüber hinaus sind die Nachrichten nicht gut.

Sorgen bereitet vor allem die rasche Ausbreitung von Omikron in Südafrika, Großbritannien und Dänemark. Die Rede ist von einer derzeitigen Verdoppelung des Infektionsgeschehens alle drei Tage. Das stark mutierte Virus dürfte weit ansteckender als seine Vorgänger sein.

Die neuen Erkenntnisse über Omikron bereiten Sorgen.
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Nun sind besagte Länder nicht mit Deutschland oder Österreich gleichzusetzen. Bevölkerungsstruktur, Durchimpfungs- und Genesenenraten sind anders. Nur: Sollte Omikron in Österreich Fuß fassen, was laut den meisten Fachleuten nur eine Frage der Zeit ist, könnte es auch hierzulande zu einer Zunahme der Fallzahlen kommen, die alles Bisherige in den Schatten stellt. Und sogar wenn dann die Krankheitsverläufe schwächer sein sollten, was alle hoffen, müssten aufgrund der schieren Zahl Erkrankter wieder viele vor allem ungeimpfte Menschen in Spitäler aufgenommen werden, wo Ärzteschaft und Pflege schon jetzt über dem Limit sind.

Schweigen

Darüber nun, über diese möglichen, zeitnahen, aber wenig erquicklichen Perspektiven, wird in Österreich in der Öffentlichkeit großteils geschwiegen. Zwar laufen, wie man im Gesundheitsministerium auf Nachfrage hin erfährt, Vorbereitungen. So wurden etwa die Quarantäneempfehlungen für Omikron-Infizierte verschärft, zwei Wochen Quarantäne ohne Freitesten sowie mit vorgeschriebenem Maskentragen daheim sind nunmehr angesagt. Auch trifft sich das Prognosekonsortium mehrmals wöchentlich – und am Dienstag konferierten die EU-Gesundheitsminister einen halben Tag lang nur über Omikron.

Davon jedoch erfahren die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes wenig bis nichts. Das ist ein Fehler, denn es schwächt die kollektive Wahrnehmung der durch Omikron bestehenden neuerlichen Gefahr. Stattdessen wird über die angekündigten Öffnungsschritte am Ende des gerade durchlittenen vierten Lockdowns debattiert. Das ist verständlich. Aber wie man der ohnehin gebeutelten Bevölkerung, sollte es nötig sein, dann in wenigen Wochen wieder verrammelte Wirtshäuser sowie geschlossene Sportstätten und Theater nahebringen will, ist völlig unklar.

Hinzu kommt eine seltsame argumentative Pattsituation in Bezug auf die in Vorbereitung befindliche Impfpflicht. Noch vor der Begutachtungsfrist des Gesetzes wird erste Kritik von honoriger Seite laut, etwa von Michael Lysander Fremuth, Direktor des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte. Die geringere Wirkung der derzeitigen Impfstoffe gegen Omikron stelle die Impfpflicht als Ganzes infrage, sagt er. Damit ignoriert er, dass angepasste Vakzine, die wohl schon in wenigen Monaten zur Verfügung stehen, die neue Mutante höchst effektiv bekämpfen werden.

Auch hier tut Widerspruch not. Die Impfpflicht wurde nur unter Schmerzen beschlossen, denn man sah keinen anderen Weg mehr, um das Geschehen in Griff zu bekommen. Nun aber darf sie nicht verwässert werden. (Irene Brickner, 11.12.2021)