Kickl wetterte am Samstag wieder gegen die Regierung und ihre Maßnahmen zur Pandemiebekäpmfung und beschimpfte auch ÖVP-Ministerin Köstinger.

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Wien – Am Samstag haben in der Wiener Innenstadt wieder Gegner der Corona-Maßnahmen protestiert. Laut Polizeiangaben tummelten sich etwa 44.000 Teilnehmer rund um die Kundgebung am Heldenplatz, zu der auch die FPÖ aufgerufen hatte. FPÖ-Chef Herbert Kickl wetterte dort gegen die Pandemiebekämpfung der Regierung und verzichtete dabei nicht auf Kraftausdrücke. Gefahren werde eine Strategie der "Entmenschlichung".

Kickl richtete sich explizit an Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die seinen Corona-Kurs zuvor in einem Radiointerview kritisiert hatte: Sie habe sich jetzt schon ein paar Mal gedacht, dass "Kickl eigentlich mittlerweile Blut an den Händen hat", sagte sie am Samstag in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast". Kickl reagierte darauf bei seinem Demo-Auftritt erzürnt: "Wer mir ausrichtet, dass ich Blut an den Händen habe, dem richte ich aus, dass er nur Mist im Kopf hat." Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) wurden wiederum als "Möchtegern-Feldwebel" und "Frankenstein" tituliert.

Neben Kickl ergriffen auch andere FPÖ-Vertreter sowie Maßnahmengegner wie Martin Rutter das Wort. Anschließend startete ein Protestmarsch am Ring, angeführt von einem Wagen der Freiheitlichen, auf dem führende FPÖ-Politiker ihre Reden fortsetzten – unter anderen Udo Landbauer, Christian Hafenecker und Dagmar Belakowitsch.

Werbemittel der FPÖ

Die Szenerie am Heldenplatz entsprach dem gewohnten Bild. Zahlreiche Slogans auf den Transparenten, Tafeln oder Aufklebern widmeten sich der Impfpflicht: "Nein zum Impfzwang" oder "Hände weg von unseren Kindern". Mit Trillerpfeifen, Kuhglocken und Trommeln machte man akustisch auf das Anliegen aufmerksam.

Auf zahlreichen Tafeln und Stickern wurde der Rücktritt der Regierung gefordert. Da es sich um eine FPÖ-Kundgebung handelte, waren auch Werbemittel der Freiheitlichen präsent. Geschwenkt wurden weiters rot-weiß-rote Fahnen genauso wie jene der Bundesländer. Auch an den verschiedenen Dialekten war zu erkennen, dass zahlreiche Teilnehmer aus anderen Landesteilen angereist waren.

Maßnahmengegner am Samstag in der Wiener City.
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Einmal mehr wurde die Maskenpflicht weitgehend ignoriert. Zwar gab es Durchsagen der Polizei, in denen auf die Gesetzeslage verwiesen wurde, eingehalten wurden die rechtlichen Bestimmungen von vielen Personen aber nur, wenn Exekutivbeamte in der Nähe waren. Sobald die Polizei nicht mehr zu sehen war, wurde die Maske oft wieder eingesteckt.

Laut Polizei wurden Anzeigen wegen der Verwendung von Pyrotechnik und der Missachtung der Maskenpflicht gelegt. Zudem wurde von zwei Festnahmen aufgrund des Verbotsgesetzes beziehungsweise aufgrund eines mutmaßlichen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt berichtet. Während des auf die Standkundgebung folgenden Protestzugs um den Ring wurden außerdem Medienvertreter mit Schneebällen und Eisbrocken beworfen. Die Angreifer konnten angehalten werden, hieß es.

Die Rolle der FPÖ

Die sogenannte "Megademo für Freiheit gegen Chaos und Zwang" wurde seit Tagen von der FPÖ beworben. Sie fand in "Zusammenarbeit mit diversen Bürgerbewegungen" statt, teilte die FPÖ mit. Angemeldet wurden für Samstag bei der Landespolizeidirektion Wien insgesamt 32 Versammlungen, sieben davon wurden allerdings untersagt.

Berührungsängste der FPÖ zum radikalen Rand sind bisher nicht wahrzunehmen: Zuletzt hatte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch vergangene Woche bei einem Demo-Auftritt behauptet, es seien "nicht die bösen Ungeimpften", die die Spitäler füllten. "Oh nein, das sind ganz, ganz viele Geimpfte, die aufgrund eines Impfschadens behandelt werden müssen", erklärte Belakowitsch. Das hatte für massive Kritik gesorgt. Der Wiener Spitälerchef Michael Binder stellte wenig später klar: "Es sind dort keine Patienten, die mit Impfschäden behandelt werden."

Die Tourismusministerin kritisiert Kickl, der Impfskepsis verbreitet.
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Zuletzt wurde publik, dass auch Herz- oder Krebsoperationen an Kindern verschoben werden müssen, weil Intensivbetten in den Krankenhäusern von Corona-Patienten belegt sind. Die überwiegende Mehrheit dieser Patienten ist ungeimpft. Köstinger sieht die Verantwortung für die Situation nicht primär bei der Bundesregierung, die sehr wohl bemüht sei, die Menschen zum Impfen zu bringen.

Es gebe aber "eine sehr große Partei in Österreich, die extrem Verschwörungstheorien anhängt, die keine Gelegenheit auslässt, um Menschen zu überzeugen, eben die Impfung nicht in Anspruch zu nehmen", kritisierte sie. Die FPÖ rufe zu Demonstrationen, zu Widerstand, "fast zu Gewalt" auf, obwohl die Wissenschaft mit der Impfung eigentlich die Lösung in der Hand habe. Die Blauen hätten sogar ein Entwurmungsmittel statt der Impfung empfohlen.

Mückstein sieht Fehler

Gesundheitsminister Mückstein gab unterdessen Versäumnisse beim Vorgehen der Regierung zu. Laut einer Vorabmeldung sagte er dem "Profil", es sei ein Fehler gewesen, dass man sich im Herbst "an der Überschreitung einer gewissen Anzahl belegter Betten orientiert" habe, statt auf die Prognose von Experten zu hören. "Da haben wir uns nicht durchsetzen können", der Konterpart war damals Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Auch der Impfkampagne habe es nicht gutgetan, dass "die Pandemie für beendet und zu einem individuellen Problem erklärt worden war". Mit dem neuen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) wehe "ein neuer Wind". (red, APA, 11.12.2021)