Machen Sie doch was zur "Abschaffung der Bundesländer!", riet mir einmal ein langgedienter Fernsehjournalist. Eine solche Debatte habe ich nie organisiert, aber zuletzt musste ich öfter daran denken, und ich habe mich dabei ertappt, dass ich mir eine solche Abschaffung sogar gewünscht habe.

Das Affentheater regionalpolitischer Alleingänge geht mir nämlich schon seit Beginn der Pandemie auf den Geist. Doch dass Österreich seine föderale Struktur aufgibt und Macht zurück nach Wien führt, das wird – bei aller Utopiefähigkeit, die ich mir sonst zutraue – niemals passieren. Drehen wir doch den Spieß um, und fordern wir die Auflösung von Österreich. Erstens ist diese sowieso schon im Gange, zweitens wäre es die erste Staatsreform mit einer realistischen Chance auf Umsetzung und drittens gar nicht so schlimm.

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer machte in der Pandemiebekämpfung, ebenso wie Amtskollegen anderer Bundesländer, keine gute Figur.
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Die Bundesländer und ihre Beziehung zum Staatsgefüge: Manche nennen es Föderalismus, ich nenne es Egoismus. Dass nun Bundesländer mit der höchsten Corona-Inzidenz vor jenen mit der niedrigsten öffnen, ist das letzte Beispiel in einer Reihe an Dysfunktionalitäten. Davor ließ eine schwarze Landesregierung ein Laborunternehmen aus dem benachbarten roten Bundesland abblitzen. Wo kämen wir denn da hin, einem "roten" Gurgeltester einen Auftrag zu geben?! Die Folge war Chaos. Jeder will es selber machen. Lernen von anderen oder gar über Landesgrenzen hinweg kooperieren: Können Sie mir ein Beispiel nennen, wo das in den letzten Monaten der Fall gewesen wäre? Dabei will ich hier gar nicht auf einzelne Landesfürsten, oder Obermuftis, wie sie Jean-Claude Juncker einmal in einer Rede in Alpbach nannte, schimpfen. Die Problemlage ist kompliziert, die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern ist unklar, Doppelgleisigkeiten sind an der Tagesordnung.

Zähmung des Spaghettimonsters

Doch wir müssen diesen Status quo nicht einfach weiter hinnehmen. Sehen wir die Auflösung Österreichs doch nicht als Bedrohung, sondern als Ausweg: Wenn jedes Bundesland in der Pandemie de facto schon für sich selbst entscheidet, dann sollen sie doch auch so weitermachen. Nur bitte mit Steuergeld, das sie selber von ihren Bürgerinnen und Bürgern einheben! Ob Impflotterie oder Schulwesen, ob Gesundheitsversorgung oder Soziales, ganz egal wie die Länder Prioritäten setzten, am Ende müssten sie selbst für ihre Schulden geradestehen. Was ich als Bürger will, ist Ordnung im Kompetenzdschungel und die Zähmung des föderalen Spaghettimonsters.

Der Regierung würde ich raten, staatsrechtliches Aikido zu praktizieren. Nutzen Sie die Angriffsenergie der Gegner, und wenden Sie diese gegen sie selbst: "Liebe Länder, macht euch euer Ding doch alleine!" Die Vorteile liegen auf der Hand, ein paar Beamte in Wien müssten sich einen neuen Job suchen, aber dafür würde niemand mehr auf die Wiener schimpfen, sondern auf die Steuereintreiber in Graz, Innsbruck oder Eisenstadt. Lipizzaner, Außenamt, Bundesheer und ÖBB könnten einen Rumpfstaat bilden, die Fußballnationalmannschaft würde niemand vermissen, und den Opernball können wir auch im Regionalfernsehen schauen. Ach so, der wurde ja gerade wieder abgesagt, aber dafür sind wenigstens die Skilifte in Vorarlberg offen, und die Oberösterreicher können in Salzburg einkaufen gehen, wenn sie die Polizei dabei nicht erwischt. (Philippe Narval, 13.12.2021)