Der Gesetzesentwurf zur Impfpflicht regelt vieles, aber nicht den Arbeitsplatz.

Foto: imago images/Christian Ohde

Jetzt ist die Verwirrung perfekt: Durch das neue Impfpflichtgesetz machen sich ungeimpfte Mitarbeiter (mit wenigen Ausnahmen) ab 1. Februar 2022 österreichweit strafbar, also auch am Arbeitsplatz. Die Wirkung des Gesetzes endet ja nicht vor dem Bürogebäude, der Werkshalle oder dem Lokal, in dem ein Mitarbeiter beschäftigt ist. Gleichzeitig sagt uns die noch immer geltende 6. Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber am Arbeitsplatz dann nicht strafbar sind, wenn sie die 3G-Pflicht (geimpft, getestet, genesen) erfüllen. Also, was gilt jetzt?

Das Impfpflichtgesetz erwähnt den Arbeitsplatz mit keinem Wort (sei es nur in Form eines Hinweises, dass die gesetzliche Regelung auch für das Arbeitsverhältnis gilt) und überlässt es der Interpretation der Bevölkerung, und letztlich der Behörden, wie mit einer eventuellen Strafbarkeit Ungeimpfter am Arbeitsplatz umzugehen ist. Dieses gesetzgeberische Hüllen in Schweigen ist angesichts der Devise der Regierung, alles für eine Erhöhung der Impfquote zu tun, vielleicht noch nachvollziehbar. Eines sonst gut funktionierenden Rechtsstaates ist eine derart unsichere rechtliche Situation allerdings unwürdig, und der Gesetzgeber ist in den noch verbleibenden Wochen bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung gefordert, für eine Klarstellung zu sorgen.

Strengere Maßnahmen durch den Arbeitgeber

Was jedoch aus dem Impfpflichtgesetz-Entwurf, und vor allem den erläuternden Bemerkungen dazu, eindeutig hervorgeht, ist, dass der Gesetzgeber die Impfung endgültig als das den beiden anderen Gs (Testung, Genesung) bei weitem überlegende Instrument zur Verhinderung von Ansteckungen, zur Reduzierung der Sterblichkeit und zur Erhöhung der Lebensqualität ansieht. Dieser Standpunkt hat weitreichende Folgen für das Arbeitsverhältnis (ein Schelm, wer denkt, dass dies beabsichtigt war). Es wird dadurch für den Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, trotz der dort an sich weiter geltenden 3G-Regel eine betrieblichen Impfpflicht (also eine 1G-Regel) einzuführen. Eine Verweigerung der Impfung könnte für Mitarbeiter dann unangenehme arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine unbezahlte Freistellung oder eine Entlassung haben.

Grund für diese Möglichkeit des Arbeitgebers ist vor allem, dass dieser bereits jetzt in "begründeten Fällen" strengere Maßnahmen als die 3G-Regel vorsehen kann, eben etwa eine betriebliche Impfpflicht. Und welche stärkere Begründung für ein solches betriebliches Vorgehen gibt es als den Umstand, dass der Gesetzgeber selbst die Einführung einer generellen Impflicht aus gesundheitlichen Gründen für unbedingt erforderlich erachtet und die Impfung damit klar anderen Maßnahmen überordnet? Vom Arbeitgeber kann wohl kaum verlangt werden, sich weniger sorgsam zu verhalten als der Gesetzgeber selbst. Vor diesem Hintergrund fühlt sich der Rechtsanwender etwas an den Zauberlehrling von Goethe erinnert, nur dass eben an die Stelle des sich selbstständig machenden Besens die nun eingeführte Impfpflicht für (fast) alle tritt.

Haftungsrechtliche Konsequenzen

Zum anderen bringen die generelle Impfpflicht und die damit einhergehende außerordentliche Betonung der gesundheitlichen Schutzfunktion der Impfung mit sich, dass Arbeitgeber beim Einsatz ungeimpfter Mitarbeiter eher schadenersatzpflichtig werden könnten, als dies noch bei der bloßen Geltung der 3G-Regel der Fall war. Der Gesetzgeber sagt uns ja nun selbst, dass man sich offenbar nur dann ausreichend sorgfältig verhält, wenn man geimpft ist. Dementsprechend könnte nun ein Unternehmen beispielsweise gegenüber Kunden dann haften, wenn es trotz eines erhöhten Ansteckungsrisikos (zum Beispiel gutbesuchtes Lokal oder Kundenbesprechung mit mehreren Mitarbeitern in einem kleinen Raum) ungeimpfte Mitarbeiter einsetzt und es deshalb zu einer Clusterbildung kommt.

Auch eine Haftung gegenüber den eigenen Mitarbeitern ist denkbar, zumal eine Haftungsbefreiung des Arbeitgebers bei Infektionskrankheiten nur bei bestimmten Berufsgruppen (zum Beispiel im Gesundheitssektor) greift. Gehaftet werden könnte etwa für Schmerzengeldforderungen von Mitarbeitern oder die finanziellen Folgen einer infektionsbedingten Betriebsschließung beim Kunden.

Man muss gespannt bleiben, wie Unternehmen und Mitarbeiter mit der neuen Situation umgehen. Zu hoffen bleibt, dass das sich abzeichnende rechtliche Chaos doch nicht eintritt. Angesichts der gesetzgeberischen Lücken wäre es jedenfalls nicht verkehrt, als Arbeitgeber bereits vor Inkrafttreten des Impfpflichtgesetzes an die Einführung klarer unternehmenseigener Richtlinien zu denken, möglichst unter Einbeziehung der Belegschaft und des Betriebsrats. (Philipp Maier, 14.12.2021)