Lebensweisen, Arbeit und Bildung: Dieses Thementripel ist initialer Gegenstand einer Kunstausstellung im österreichischen Expo-Pavillon.

Foto: Andreas Keller

Das Verhältnis von Kunst und Wirtschaft wird spontan mit dem Kunstmarkt, Kunstsammlungen als Geldanlage oder mit künstlerischem Gestalten zur Lösungsfindung assoziiert. Letztere Verwendung findet sich in sogenannten Design-Thinking-Projekten – wenn es zum Beispiel darum geht, den Prototyp eines neuen Produkts einer Firma anschaulich zu machen.

Was kann man aber tun, um "Unsichtbares sichtbar zu machen"? Diese Frage stellt sich immer häufiger, da unsere Wirtschaft und unsre Produkte sich zunehmend dematerialisieren. Beispielsweise Finanzprodukte, Software, Musik, Design, Skripte, die oft rechtlich mittels Patentrecht auf geistiges Eigentum geschützt sind. Ein Rechtskundiger kann mit seinem abstrakten Denkvermögen damit etwas anfangen. Für den Laien in der täglichen Erfahrungswelt es aber meist schwer zu verstehen, was diese immateriellen Phänomene ausmacht und was sie mit uns tun – da sie eben nicht anfassbar sind.

Wandel verstehen

Und gleich ganz unbegreifbar sind meist neue oder bis dato noch nicht verstandene Konzepte, die in Begriffen gefasst sind, die außerhalb der akademischen Welt nicht existieren: Wer kann schon Begriffe wie Resilienz, Anthropozän, Vulnerabilität oder Inzidenz aus dem Stand heraus erklären? Und doch kennzeichnen solche Bezeichnungen einen Erkenntnisfortschritt, den wir benötigen, um eine sich schnell verändernde Welt und ihre neuen Konzepte zu begreifen.

Wenn es darum geht, noch nicht Begreifbares begreifbar zu machen, helfen sogenannte Knowledge-Huddles. Im engen Sinn stellt ein "Huddle" eine körperliche und geistige Konzentration auf ein zu erreichendes Ziel dar. So, wie man es bei Sportteams beobachten kann, die vor einem Spiel einen engen Köperkreis bilden, um einen gemeinsamen Spirit für das Spiel zu beschwören.

Ein Knowledge-Huddle, wie wir ihn beim Wiener Verein Graspnetwork als Workshopmethode verstehen, hat hingegen die Funktion, unvollständige oder noch nicht verankerte Erkenntnisse zu erarbeiten – wobei Kunstbetrachtung ein wesentliches inspirierendes Moment zur Erarbeitung beiträgt.

Solche Huddles wurden bereits in einer Vielzahl von Projekten mit diversen Gruppen zu verschiedensten Fragestellungen erprobt. Zum Beispiel dazu, was Gesichtsmasken mit uns anstellen, wieso Krebskrankheiten als so gefährlich wahrgenommen werden oder wie die Schüler einer Informatik-Schulklasse ihre Verantwortung als zukünftige Gestalter einer von Informationstechnologie bestimmten Gesellschaft sehen.

Mitte Dezember

Diese Knowledge-Huddle-Methode wird auch bei der Weltausstellung Expo 2020 in Dubai zum Einsatz kommen, konkret bei den zugehörigen virtuellen "Erkenntnisworkhops". Im konkreten Fall geht es um Fragen von erst noch unklar begriffenen Zukünften zu Lebensweisen, Arbeit und Bildung. Dieses Thementripel ist initialer Gegenstand einer Kunstausstellung im österreichischen Expo-Pavillon. Dieser wird ab Mitte Dezember bis Anfang Jänner unter der Schirmherrschaft der Wirtschaftskammer von Graspnetwork unter der Überschrift "Doubtful Pratices / Practices of Doubt" verantwortet.

Diese angesprochenen Zweifel (doubts) beziehen sich auf die Fragen, wie wir unsere lebens- und arbeitsweltliche Zukunft im globalen Kontext werden gestalten können. Die reale Ausstellung wird virtuell über die Ausstellungszeit mit drei virtuellen Konferenzen hinaus verlängert.

Umsetzung

Wie geht man also das Arbeitsprogramm eines solchen Knowledge-Huddles an? In einem bestimmten Schema, das sich in acht Schritte gliedern lässt. Wichtig ist als erster Schritt, einen geeigneten, etwa mit Kunstobjekten ausgestatteten Meetingraum zu organisieren. Im virtuellen Fall ist das eingeschränkt und wird bestenfalls durch Sonderfunktionen etwa zu virtuellen Bildeinrahmungen eines Telekonferenzsystems ermöglicht. Zweitens sollte das Thema identifiziert werden, das geklärt und begreifbar gemacht werden soll.

Anschließend sollte man jene einladen, von denen man sich eine aktive Teilnahme erwartet, und in der Einladung bereits eine Beschreibung dessen, was in dem Workshop erarbeitet werden soll, enthalten sein. Dann folgt eine erste Diskussionsrunde zur Themenklärung, danach sollen sich die Teilnehmenden ein Kunstobjekt aussuchen, das in ihnen eine Assoziation mit dem gestellten Thema auslöst.

Im Anschluss gibt es eine zweite Diskussionsrunde, die von allen Teilnehmenden eine Begründung für die Wahl des Kunstobjekts verlangt und woraus der Moderator oder die Moderatorin dann eine Schlussfolgerung zieht. Im letzten Schritt geht es dann um das Resümee, Hinweise auf die Ergebnisdokumentation und die Entscheidung zu Follow-ups.
So prosaisch sich dieses Arbeitsprogramm liest, umso erstaunlicher sind die Erkenntnismomente, die sich aus den assoziierenden und bewusst inspirierenden Diskussionen zu den Kunstobjekten ergeben. (Günter Koch, 15.12.2021)