Es ist knapp sieben Wochen her, dass einer der größten Waldbrände in der Geschichte der Republik die Einsatzkräfte in Atem hielt. 13 Tage brauchten sie, um das Feuer bei Hirschwang in Niederösterreich zu löschen. Die Nachbarländer leisteten Hilfe, die für spektakuläre Bilder sorgte: Italienische Löschflugzeuge holten das Wasser direkt aus der Neuen Donau, die Slowakei schickte einen dicken Hubschrauber aus sowjetischer Fertigung. Redet man mit Experten, dann sagen sie: Es war sowohl ein typischer als auch untypischer Waldbrand für den alpinen Raum. Und dass wir uns darauf einstellen müssen, das so was in Zukunft öfter passieren könnte. Grund genug, sich das noch einmal genauer anzuschauen.

Aus der Luft wird das Feuer durch "Randbenetzung" eingegrenzt.
Foto: Patrik Lechner

Das Feuer entzündete sich am 25. Oktober oberhalb von Hirschwang am Schneeberg, mutmaßlich an einer illegalen Campingstelle. Die Rax brannte, anders als es in manchen Medien hieß, nicht. Das Feuer breitete sich den Berg hinunter und nach Osten aus und wuchs von fünf auf 115 Hektar an. Insgesamt 9.000 Einsatzkräfte, davon 7.500 Feuerwehrleute, bekämpften es in Schichten. Dazu kamen 16 Hubschrauber und zwei Löschflugzeuge. Der Schaden wird inklusive Einsatzkosten auf etwa 30 Millionen Euro geschätzt. Ob man die Täter findet, ist eher fraglich: Eine Auswertung der Handydaten ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Dafür müsste die Strafandrohung mehr als ein Jahr sein, bei Fahrlässigkeit ist es nur bis zu einem Jahr.

Vieles von dem, was man sich unter "Waldbrand" vorstellt, trifft auf den Brand am Schneeberg nur bedingt zu. Wer heute nach Hirschwang fährt und eine verkohlte Bergflanke erwartet, wird enttäuscht werden. Es war ein sogenannter Bodenbrand: Dabei brennen Gestrüpp und Bodenvegetation ab, nicht die Baumkronen. Wobei die Abgrenzung nicht immer klar ist, speziell bei Nadelbäumen, bei denen die Äste bis zum Boden reichen. "Das Problem sind die Glutnester", sagt Einsatzleiter Josef Huber. Die seien langlebig und könnten sich bei richtigen Windverhältnissen immer wieder entzünden. Die Stadt Wien, der die Wälder am Schneeberg gehören, hat mit der Wiederaufforstung begonnen. Es wird Jahre dauern.

Ein Waldbrand in alpinem Gelände ist etwas anderes als ein Hausbrand. Der Wind drückt das Feuer meist die Bergflanke hinauf, was Löscharbeiten von oben gefährlich macht. Gleichzeitig rollen brennende Holzteile den Berg hinunter, gefährden Einsatzkräfte und entzünden den Wald weiter unten. "Die größte Schwierigkeit ist die Topografie", sagt Huber. Es sei extrem schwierig, das Wasser am Berg dorthin zu bekommen, wo es benötigt wird. Am Schneeberg legte die Feuerwehr deshalb Schläuche den Berg hinauf und Reservoirs an. Die Bergrettung sicherte die Feuerwehrleute, wo es notwendig war.

In Hirschwang gab es einige Faktoren, die den Einsatzkräften in die Hände spielten: So ist es eines der nördlichsten Gebiete, in denen die Schwarzkiefer wächst. "Dieser Baum kommt mit Bodenfeuern verhältnismäßig gut zurecht", sagt Forstexperte Florian Kraxner vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse. Zusätzlich verläuft an dem Hang eine Forststraße, die eine zufällige Barriere für das Feuer bildete. Österreich habe ein dichtes Netz an Forststraßen, sagt Kraxner. Das würde immer wieder kritisiert, hätte sich aber in Fällen wie diesem bewährt.

Ausbreitung verhindern

Große Waldbrände werden von der Feuerwehr nicht gelöscht. Zumindest nicht so, wie sich Laien das vorstellen. Das Wichtigste ist, die Ausbreitung zu verhindern. Feuerwehrleute schlagen Schneisen, graben den Boden um und wässern den Ausbreitungsbereich. Auch Löschflugzeuge werfen ihr Wasser nicht im Zentrum ab, sondern führen eine "Randbenetzung" durch. Man grenzt das Feuer ein und hungert es aus. Später arbeitet man sich vor und löscht die Glutnester, etwa durch Umgraben. Das kann dauern: Das endgültige "Brand aus" kam erst am Montag, den 29. November. Bis dahin überflog die Feuerwehr das Gebiet einmal die Woche mit einer Wärmekamera und überwachte noch bestehende Glutherde.

Der Brand in Niederösterreich war ein sogenannter Bodenbrand – deshalb sieht man auch keine verkohlte Bergflanke, sondern einzig einen dunklen Fleck im Wald.
Foto: Nikolaus Ostermann

Es war der extrem trockene Herbst, der die perfekten Bedingungen für den Waldbrand schuf. Ende Oktober sei eigentlich ein ungewöhnlicher Zeitpunkt für solch einen Waldbrand, sagt Alexander Held, Experte für Risikomanagement am European Forest Institute." Im alpinen Raum haben wir die Feuer meist im Spätwinter, wenn der Bodenbelag von Schnee freigelegt wird und die Frühlingssonne diesen austrocknet." Meistens brächen die Brände an der Südflanke von Bergen aus, wo am meisten Sonne hinkäme.

Ob die Waldbrände im Österreich aktuell zunehmen, ist nicht gesichert. Die Zahlen schwanken stark: 2015 wurden laut der Datenbank des Instituts für Waldbau der Boku 293 Waldbrände gemessen, 2016 waren es 148, 2019 wieder 201. Die Datenbank zeigt auch die Dimension des Schneeberg-Brands: 2020 waren in ganz Österreich 61 Hektar Wald von Bränden betroffen. Beim Brand Ende Oktober allein war es knapp das Doppelte.

Faktor Klimawandel

Was man sagen kann: Rein physikalisch verstärkt der Klimawandel die Voraussetzungen für verheerende Waldbrände. "Die Bäume stehen unter hohem Hitzestress", sagt Florian Kraxner. Das Holz trockne aus und brenne besser. Zusätzlich seien vor allem die Fichten – noch immer der vorherrschende Baum in Österreich, oft in Monokulturen angebaut – auch durch den Borkenkäfer geschwächt.

Während der Klimawandel in Mitteleuropa für mehr Hitze und Trockenheit sorgt, könnte er anderswo die Waldbrandgefahr sogar verringern. Man könne mittlerweile global ganz gut berechnen, wo in den verschiedenen Klimaszenarien – also je nach Erwärmung – die Waldbrand-Hotspots liegen, sagt Kraxner. Eine solche Karte, die zeige, wo unter veränderten Bedingungen mit Waldbränden zu rechnen ist, existiere für Österreich noch nicht. "Wir sind da in Planungen für ein Projekt mit der Boku und den Bundesforsten."

Was kann man tun, um Waldbränden entgegenzuwirken? Experten kennen den Begriff des "Feuerdreiecks": Ein Feuer braucht Sauerstoff, eine Entzündungsquelle und Brennmaterial. Das Erste kann man nicht beeinflussen, das Zweite wird man – vor allem in stark durch den Menschen genutzten Gebieten – nie ausschließen können. 85 Prozent der Waldbrände haben menschliche Ursache. Bleibt also nur, dem Feuer die Nahrung zu nehmen.

"Wir brauchen ganz klar mehr Mischwald", sagt Karin Enzenhofer, Waldexpertin beim WWF. Das sagt so ziemlich jeder, mit dem man redet. Mehr Laubbäume, mehr Totholz, mehr Schatten, mehr Feuchtigkeit. Dass die Fichte den sich verändernden Bedingungen nicht mehr gewachsen ist, ist Konsens. Eine Monokultur durch eine andere zu ersetzen, verschiebe das Problem aber nur. "Die Douglasie wird oft als Wunderwaffe angepriesen", sagt Florian Kraxner. Sie vertrage Hitze und Trockenheit tatsächlich besser als andere Bäume. "Leider zeigen unsere Berechnungen, dass auch die Douglasie bei den extremeren Klimaszenarien an ihre Grenzen kommt."

Schafe und Schneisen

Die Umstellung auf einen klimafitten Wald ist auch deshalb nicht einfach, weil sich da zwei lange Zeitstränge treffen: Waldbesitzer planen in Zyklen von mehreren Jahrzehnten. Es ist aber im Moment unmöglich zu sagen, wie das Klima zu dem Zeitpunkt ausschauen wird. Es gibt nur verschiedene Szenarien. Neben dem Mischwald gibt es noch kleinteiligere Präventionsmaßnahmen. Beweidung kann helfen, das Brennmaterial auf dem Boden gering zu halten. In Kalifornien werden dafür vermehrt Schafe eingesetzt. Künstliche Schneisen in Waldgebieten können als Barriere dienen und Brände so von Beginn an begrenzen. Auch kontrolliertes Abbrennen ist eine Möglichkeit.

Bleibt die Frage, wie sich Feuerwehren an die – mutmaßlich größere – Waldbrandgefahr anpassen sollten. "Im deutschsprachigen Raum neigen Feuerwehren dazu, nach Waldbränden mehr schweres Gerät zu fordern", sagt Alexander Held. Dabei würden die Einsatzkräfte in Südeuropa beweisen, dass es dieses Gerät meist gar nicht brauche. "Wir müssten den internationalen Austausch verstärken, man kann da viel lernen." Spezielle Waldbrandeinheiten hält er in Mitteleuropa nicht für notwendig. Sinnvoller seien Fortbildungen für die Feuerwehrleute und Einsatzleitungen.

Viele Fragen über die zukünftige Waldbrandgefahr in Österreich lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht sicher beantworten. Das ist – wenig überraschend – schlecht für vorausschauende Planungen. Was aber nicht heißt, dass Präventivmaßnahmen sinnlos wären, selbst wenn sie sich als nicht perfekt herausstellen sollten. "Der Verweis auf den Klimawandel ist natürlich sachlich richtig", sagt Held. "Aber man sollte das nicht als Entschuldigung dafür nehmen, gar nichts zu tun." (Jonas Vogt, 14.12.2021)