Der Ruf nach 2G am Arbeitsplatz ertönt bereits, noch ist das aber bloß eine Fotomontage.

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Seit die vierte Corona-Welle hereingebrochen ist und seitdem für Ungeimpfte ein Lockdown verhängt wurde, wird in Österreich wieder eifrig geimpft. 72 Prozent der impfbaren Bevölkerung haben ein aktives Impfzertifikat. Doch nach wie vor bleibt eine Lücke – und das tangiert auch die Arbeitswelt.

1,27 Millionen Menschen in Österreich im erwerbsfähigen Alter sind laut Zahlen des Gesundheitsministeriums nicht geimpft. Ein Teil davon werden Genesene sein, die auch über einen grünen Pass verfügen. Doch selbst unter Einrechnung dieser Gruppe bleiben wohl noch etwas mehr als eine Million Menschen, die keinen 2G-Nachweis, also geimpft oder genesen zu sein, erbringen können. In manchen Unternehmen ist sogar ein erheblicher Teil der Belegschaft nicht geimpft. Beim oberösterreichischen Industrieunternehmen Pierer Mobility AG (KTM) ist es ein Drittel der Mitarbeiter, wie die Konzernleitung vergangene Woche bekanntgab.

Als Reaktion auf die Impfverweigerer ist Österreich als erstes europäisches Land dabei, eine Covid-Impfpflicht ab 14 Jahren einzuführen. Im geplanten Gesetz wird allerdings die Arbeitswelt gar nicht erwähnt. Juristen haben bereits darauf hingewiesen, dass damit im Prinzip die Regeln der 5. Corona-Schutzmaßnahmenverordnung weiter gelten. Arbeitgeber müssen also, sofern Kontakte ihrer Angestellten zu anderen Personen nicht ausgeschlossen sind, einen 3G-Nachweis verlangen, es gilt also geimpft, genesen oder getestet.

Viele Graubereiche

Doch Rechtsexperten erwarten, dass die Regelung zur Impfpflicht sehr wohl "massive Auswirkungen" auf die Arbeitswelt haben wird, wie es der Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal formuliert. Ohne rechtliche Begleitregelungen zur Impfpflicht für den Arbeitsmarkt würden Graubereiche entstehen, in denen unklar sein werde, was gilt, so der Experte.

Mazal gibt konkrete Beispiele dafür, wo er Probleme sieht: Wird ein Arbeitnehmer krank, hat er einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung von seinem Arbeitgeber. Sofern der Angestellte die Arbeitsunfähigkeit grob fahrlässig herbeiführt, gilt das nicht. Wenn eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid gilt und ein Arbeitnehmer, der nicht geimpft ist, schwer an Covid erkrankt, ließe sich laut Mazal argumentieren, dass der Dienstnehmer grob fahrlässig gehandelt hat. Die Nichtimpfung wäre sogar ein Rechtsverstoß. Arbeitgeber könnten also die Fortzahlung verweigern.

Anderes Beispiel Mazals: Sofern ungeimpfte Arbeitnehmer jemanden anstecken, könnte das für Schadenersatzforderung gegen Arbeitgeber führen. Mazal denkt da etwa an einen ungeimpften Installateur, der einen Heizkessel repariert und den Kunden ansteckt. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch haftet der Arbeitgeber für das schuldhafte Verhalten seines Mitarbeiters.

"Missglückte Legistik"

Der Kunde könnte also jene Firma, die den Installateur geschickt hat, klagen. Nun ist in der Praxis schwer nachzuweisen, wer wen angesteckt hat. Das Zivilrecht sieht aber vor, dass in aufrechten Vertragsverhältnissen besondere Sorgfaltspflichten gelten – und erleichtert daher die Beweisführung. Die Firma könnte also unter Druck kommen. "Ohne rechtliche Regelung zu diesen Fragen werden wir erst in drei Jahren wissen, was gilt, wenn Gerichte entschieden haben", so Mazal. Das Impfpflichtgesetz nennt er eine "missglückte Legistik".

Sein Kollege, der Arbeitsrechtler Martin Gruber-Risak, würde bei den Beispielen zu einer anderen Beurteilung gelangen. Solange die 3G-Regel am Arbeitsplatz gilt, komme der Arbeitgeber seinen Sorgfaltspflichten schon nach, wenn er sich an diese Regel hält. Ein Installateur müsse also von seinen Mitarbeitern keine Impfung verlangen. Aber auch Gruber-Risak würde rechtliche Klarstellung für den Jobmarkt begrüßen, allein um Streitereien um die Entgeltfortzahlung vorzubeugen.

Dabei ist aktuell nicht einmal ganz klar, wie das Impfpflichtgesetz und die erwähnte Covid-Verordnung, die 3G am Arbeitsplatz festschreibt, zusammenspielen. Die Verordnung schreibt vor, dass Arbeitgeber in "begründeten Fällen" strengere Maßnahmen als die 3G-Regel vorsehen können, also 2G.

Was diese "begründeten Fälle" sind, ist nicht festgelegt. Philipp Maier, Arbeitsrechtsexperte bei Baker McKenzie, sagt, dass Arbeitgeber nach Einführung einer Impfpflicht stets eine Impfung von Mitarbeitern verlangen können. Die Impfpflicht liefere die Begründung für ein strengeres Vorgehen, so Maier.

Bei der Gewerkschaft sieht man das ebenfalls als offenen Punkt bei der Neuregelung an: "Bleibt die 3G-Regel im Job jetzt weiter?", fragt ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. ÖGB-Juristen seien dabei, die offenen Fragen in Zusammenhang mit der Impfpflicht im Rahmen der parlamentarischen Begutachtung einzubringen. Nachsatz Katzians in Richtung Regierung: "Man kann nicht ein Gesetz vorlegen und alles rundherum ausblenden."

Hilft 2G-Pflicht im Job?

Auch die Anwältin Katarina Körber-Risak sieht Handlungsbedarf. Sie plädiert nicht nur dafür, die erwähnten Aspekte zu regeln, sondern schlägt eine 2G-Pflicht im Job vor. Dadurch würde von Unternehmern Druck genommen, sich individuell mit impfunwilligen Arbeitnehmern herumzuschlagen. Es wäre klargestellt, dass Arbeitgeber immer eine Impfung verlangen können – und diese Regel könnte helfen, die Impfpflicht durchzusetzen.

Allerdings lassen sich Einwände dagegen finden: Bei einer 2G-Regel im Job wäre klar, dass ungeimpfte Jobsuchende sich einer Stellenvermittlung durch das AMS verweigern. Also müssten sie mit Sperren beim Arbeitslosengeld rechnen, und zwar in größerem Stil, als das schon der Fall ist. Das AMS ahndet bereits unter bestimmten Voraussetzungen, wenn eine Stelle wegen einer Impfung verweigert wird. Jurist Martin Gruber-Risak warnt hier vor weitreichenderen Eingriffen. Das könnte Existenzen gefährden.

Auf die Kündigungsmöglichkeiten dürfte die kommende Impfpflicht wenig Auswirkungen haben. In Österreich sind Kündigungen meist grundlos möglich. Was geschieht, sollte ein Arbeitnehmer eine Kündigung anfechten, ist nicht ausjudiziert. Diesfalls müsste der Arbeitgeber vor Gericht darlegen, dass die Kündigung wegen der Impfverweigerung aus "betrieblichen Gründen" notwendig war. (András Szigetvari, 14.12.2021)