Am Montagabend erklärte Kais Saied, wie es in Tunesien nun politisch weitergehen soll. Zum ersten Mal gab der Präsident einen klaren Zeitplan für die nächsten Schritte bekannt. Diesen hatten die Tunesierinnen und Tunesier seit seiner Machtübernahme im Sommer erwartet. Zuletzt war der Druck auf den populistisch agierenden Präsidenten, endlich Klarheit zu schaffen, sowohl in Tunesien als auch aus dem Ausland stärker geworden.

Kais Saied führt den Vorsitz bei einer Kabinettssitzung in Tunis.
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Die angekündigten Maßnahmen selbst kommen wenig überraschend: Von Anfang Jänner bis zum 20. März, dem Unabhängigkeitstag Tunesiens, könnten die Bürgerinnen und Bürger online Reformvorschläge einreichen. Ein Expertenkomitee solle diese auswerten und auf ihrer Grundlage die Verfassung reformieren. Der neue Verfassungsentwurf würde dann am 25. Juli 2022, ein Jahr nach der Machtübernahme Saieds, in einem Volksentscheid den Bürgerinnen und Bürgern zur Abstimmung vorgelegt. Sollte er eine Mehrheit erhalten, würden entsprechend der neuen Verfassung dann am 17. Dezember 2022 Parlamentswahlen stattfinden. Es handelt sich dabei um den Jahrestag der Selbstverbrennung Mohamed Bouazizis, die 2010 die Revolution auslöste.

Notstand

Tunesiens Präsident, der im Oktober 2019 mit fast drei Vierteln der Wählerstimmen ins Amt gehoben wurde, hatte am 25. Juli in einem verfassungsrechtlich umstrittenen Schritt den Notstand ausgerufen, den damaligen Regierungschef Hichem Mechichi entlassen und die Arbeit des Parlaments auf Eis gelegt. Das Abgeordnetenhaus bleibt auch nach den neuen Ankündigungen suspendiert.

Am 22. September hatte er sich per Dekret zusätzliche Rechte zugestanden und weite Teile der 2014 verabschiedeten Verfassung außer Kraft gesetzt. Zwar hatte er am 11. Oktober mit Najla Bouden Romdhane eine neue Regierungschefin ernannt, doch diese ist bis jetzt politisch kaum in Erscheinung getreten.

Tunesien steckt seit Jahren in einer massiven wirtschaftlichen und finanziellen Krise, die sich in den letzten Monaten noch verschärft hat. Verhandlungen mit ausländischen Gebern liegen seit der Machtübernahme des Präsidenten weitgehend auf Eis. Bis jetzt wurde noch kein Haushalt fürs kommenden Jahr verabschiedet. Im November wurden erstmalig bei der Eisenbahn, einem staatlichen Unternehmen, aufgrund fehlender Mittel keine Gehälter ausgezahlt. (Sarah Mersch, 14.12.2021)