ESG-Investitionen (= Geldanlagen in Umwelt, Soziales und Governance) haben in den letzten Jahren enorm zugenommen. Aber ein Mangel an Konsistenz bei der Produktkennzeichnung und -offenlegung hat die Befürchtungen der Anleger geweckt, dass die Nachhaltigkeitsaussagen von Fondsanbietern übertrieben oder unzuverlässig sein könnten.

In einem Blogbeitrag habe ich bereits auf die Missstände des nachhaltigen und sozialen Veranlagens und der Geldanlage hingewiesen. Einige Wochen danach leitete die US-Börsenaufsicht Ermittlungen gegen die Fondsgesellschaft DWS ein, da nachhaltige und soziale Investments in ein besseres Licht gestellt wurden, als es eigentlich der Fall war. Wie wirken sich die sozialen Komponenten der Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation auf Unternehmen aus?

Produktivität und Mitarbeiter

Das Problem der Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit liegt darin begründet, dass sie schwer zu messen sind. In den letzten Jahren hat der Aufstieg sozialer Medien und Dienstleistungsunternehmen jedoch Möglichkeiten geschaffen, diese spezifischen Mitarbeiterfaktoren besser zu messen (damit gehen jedoch andere datenschutzrechtliche Bedenken einher). Blickt man auf ältere Studien, die bis in die 1980er-Jahre zurückreichen, so zeigt sich, dass diejenigen (börsennotierten) Unternehmen bessere Leistungen (circa drei Prozent pro Jahr) erzielen, die Mitarbeiter mit der höchsten Zufriedenheit ihr Eigen nennen.

Interessanterweise zeigen sich diese besseren Leistungen vor allem während konjunktureller Abschwünge wie der Dotcom-Blase (2000) und der weltweiten Finanzkrise (2008). In diesen Jahren sind die Leistungen von Unternehmen mit hochmotivierten Mitarbeitern besonders stark. Das macht auch durchaus Sinn, da im Falle einer wachsenden Wirtschaft Kosten- oder Produktivitätsunterschiede aufgrund zufriedener und motivierter Mitarbeiter keine so große Rolle spielen. Wenn die Wirtschaft hingegen schrumpft und das Unternehmen um Marktanteile mit anderen Unternehmen kämpft und das Überleben zu sichern ist, können zufriedene und motivierte Mitarbeiter den entscheidenden Unterschied ausmachen.

Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unzufrieden, führt das unter anderem zu einer hohen Fluktuation in der Firma.
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Ein Unternehmen mit einer motivierten Belegschaft hat mit weniger Fluktuation zu kämpfen, Mitarbeiter kündigen selten, und es gibt weniger Krankenstand. Darüber hinaus sind solche Mitarbeiter produktiver und eher bestrebt, gemeinsam Ziele zu erreichen. Die Belegschaft hält eher zusammen und arbeitet als Team an der Lösung der Unternehmensprobleme. Das Ergebnis ist, dass Unternehmen mit einer zufriedenen Belegschaft niedrigere Kosten und eine höhere Produktivität und damit höhere Gewinne erzielen.

Säen und Ernten

Von Warren Buffett stammt das Zitat: "Erst bei Ebbe erfährt man, wer nackt geschwommen ist." Das zeigt sich auch anhand der Mitarbeiterzufriedenheit, da die besseren Leistungen vor allem während Krisenzeiten zum Vorschein kommen. Durchlaufen Unternehmen turbulente Zeiten, so wird die Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit immens wertvoll. Firmen, die von diesem Effekt profitieren möchten, müssen jedoch bereits in den guten Zeiten eines konjunkturellen Aufschwungs die Saat dafür säen, um so eine zufriedene und motivierte Belegschaft zu schaffen. Die Ernte kommt dann während der nächsten Rezession. (Bernhard Führer, 16.12.2021)