So sieht derzeit ein scharfes Bild aus, wenn wir in die 27.000 Lichtjahre entfernte Weite des Weltraums blicken.
Bild: ESO/GRAVITY collaboration

Es ist zwar nicht so weltbewegend wie das legendäre Foto eines Schwarzen Lochs – beziehungsweise dessen Schattens –, das 2019 durch das Event Horizon Telescope aufgenommen wurde. Aber es handelt sich um die bislang detailliertesten Bilder der Region um das Schwarze Loch namens Sagittarius A*, das sich im Zentrum der Milchstraße befindet. Hier wurde 20-mal näher herangezoomt als bei bisherigen Darstellungen, wie die Europäische Südsternwarte Eso berichtet. Das Forschungsteam, zu dem auch der österreichische Astrophysiker Gernot Heißel gehört, veröffentlichte die Entdeckung im Fachblatt "Astronomy & Astrophysics".

Reinhard Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München, erhielt 2020 für seine Forschung zu Sagittarius A* den Physik-Nobelpreis. Er teilte sich die Auszeichnung für den Nachweis der Existenz Schwarzer Löcher mit Roger Penrose und Andrea Ghez. Viele Fragen rund um das dunkle Zentrum der Milchstraße wollen geklärt werden: Wie massiv ist das dort gelegene Schwarze Loch genau? Dreht es sich, und verhalten sich die Sterne in seiner Umgebung genauso, wie man es aufgrund von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie erwartet?

Blicken wir zum Sternbild Schütze, schauen wir in Richtung des Zentrums unserer Galaxie. Es gibt wesentlich mehr als die hier abgebildeten Sterne, viele sind allerdings nur auf Infrarotaufnahmen zu sehen.
Bild: Eso/Digitized Sky Survey 2/Davide De Martin, S. Guisard

Verblüffende Details

"Der beste Weg, diese Fragen zu beantworten, ist die Beobachtung von Sternen auf Bahnen in der Nähe des supermassereichen Schwarzen Lochs", heißt es von Genzel in einer Aussendung der Eso. Das Forscherteam um Genzel konnte nun mithilfe des Very Large Telescope (VLT) der Eso und des Instruments Gravity, welches das Licht aller vier 8,2-Meter-Teleskope des VLT mittels Interferometrie kombiniert, diese Beobachtungen mit bisher unerreichter Genauigkeit durchführen.

"Wir sind verblüfft von der Detailgenauigkeit und der Anzahl der Sterne, die um das Schwarze Loch herum zu sehen sind", sagt Julia Stadler vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. So konnte das Team erstmals den bisher unbekannten Stern S300 erkennen, der aufgrund seiner schwachen Helligkeit bisher nicht aufgefallen war.

Vorhersagen der Relativitätstheorie stimmen

Bei ihren jüngsten Beobachtungen zwischen März und Juli dieses Jahres konzentrierte sich die Gruppe auf die genaue Vermessung von Sternen, die sich dem Schwarzen Loch nähern. Dazu gehört auch der Stern S29, der das Schwarze Loch Ende Mai in einer Entfernung von nur 13 Milliarden Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 8.740 Kilometern pro Sekunde passiert hat. Bisher wurde kein anderer Stern gesichtet, der so nahe an einem Schwarzen Loch vorbeigezogen ist oder sich so schnell um dieses herum bewegt hat.

Auf diesen Bildern sind Sterne zu erkennen, die sich relativ nah am Schwarzen Loch Sagittarius A* (Sgr A*) vorbeibewegen. Der Stern S29 passierte es in besonders geringer Distanz (13 Milliarden Kilometer). Ein weiterer Stern wiederum – S300 – wurde hier erstmals beobachtet.
Bilder: ESO/GRAVITY collaboration

"Aus den Beobachtungen konnten wir auch die Masse des Schwarzen Lochs genauer bestimmen, sowie dessen Abstands zu unserem Sonnensystem", erklärt Gernot Heißel, der derzeit als Postdoc am Observatoire de Paris forscht und dem Gravity-Konsortium angehört, gegenüber der APA. Demnach besitzt Sagittarius A* die 4,3-millionenfache Masse der Sonne und ist 27.000 Lichtjahre von uns entfernt. Noch genauer als bisher wurde bestätigt, dass die Sternbahnen mit den Vorhersagen von Einsteins Relativitätstheorie übereinstimmen.

Modellierte Sternbahnen

Zudem begrenzen die neuen Erkenntnisse die Menge an Dunkler Materie, die sich eventuell zwischen dem Schwarzen Loch und den untersuchten Sternen befinden könnte. "Dort scheint nicht viel zu sein, jedenfalls nicht Materie in herkömmlicher Form", sagt Heißel.

Bei diesem Video wird in die Milchstraße gezoomt, bis zum in diesen Studien untersuchten Schwarzen Loch und den Sternen in seiner Nähe.
European Southern Observatory (ESO)

Der Astrophysiker hat einen Computercode geschrieben, mit dem man die Sternbahnen um das Schwarze Loch modellieren kann. Außerdem lässt sich damit beispielsweise untersuchen, wie sich eine mögliche Verteilung Dunkler Materie auf die Bahnen der umliegenden Sterne auswirkt.

Seine Arbeit speziell zu diesem Thema wird in den nächsten Tagen ebenfalls in "Astronomy & Astrophysics" erscheinen. "Die theoretischen Vorhersagen meiner Arbeit wurden von den Beobachtungen vorerst bestätigt, und wenn Theorie und Beobachtung übereinstimmen, dann strahlt der Physiker", sagt Heißel.

Schwache Sterne im Sog entdecken

Geplant ist, dass Gravity noch in diesem Jahrzehnt aktualisiert und damit seine Empfindlichkeit weiter gesteigert wird. Dadurch sollen schwächere Sterne entdeckt werden, die sich noch näher am Schwarzen Loch befinden. Als Ziel nennt die Forschungsgruppe, Sterne zu finden, die so nah sind, dass ihre Umlaufbahnen jene Gravitationseffekte spüren würden, die durch die Rotation des Schwarzen Lochs verursacht werden.

Zudem will sie mit dem derzeit in Bau befindlichen Extremely Large Telescope (ELT) der Eso die Geschwindigkeit dieser Sterne mit sehr hoher Präzision messen. So hoffen die Fachleute, herauszufinden, wie schnell sich das Schwarze Loch dreht – ein Wert, den bisher noch niemand bestimmen konnte. (red, APA, 14.12.2021)