Im kostenlosen Action-Titel "Fortnite" wurden mit digitalen Inhalten im Jahr 2020 4,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.

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Für zehn Euro einen digitalen Spiderman im Blockbuster-Game Fortnite kaufen und dann in jedem Fall in einem möglichen Fortnite 2 nutzen können. Oder aber im richtigen Moment für 40 Euro an einen anderen Spieler verkaufen. Die Games-Branche wird gerade nicht müde zu erwähnen, welche Vorteile Non-Fungible Tokens (NFTs) für die millionengroße und ständig wachsende Spielerschaft haben könnten.

Einer, der bereits Erfahrung in diesem Bereich gesammelt hat, ist Thibaut Predhomme, Head of Operations bei Sorare. Mit dem gleichnamigen Fußballkartenspiel, bei dem es darum geht, digitale Sammelkarten zu kaufen und zu handeln, setzt man bereits seit über zwei Jahren auf NFTs. Allein 2021 erzielte man so einen Umsatz von rund 133 Millionen Euro. Predhomme ist davon überzeugt, dass der Markt weiter wachsen, aber auch nicht alles andere ablösen wird.

Status quo

Neue Technologien – speziell wenn sie von geldinteressierten Konzernen beworben werden – lösen bei vielen Menschen Vorbehalte aus. So auch der aktuelle Hype rund um NFTs, der gerade von der Gaming-Industrie aufgegriffen wird. Was ein NFT genau ist, wurde an dieser Stelle bereits ausführlich erklärt. Für das Verstehen dieses Textes reicht es, wenn man weiß, dass es sich dabei um eine Art Echtheitszertifikat für ein digitales Gut handelt, das einen Gegenstand, beispielsweise einer Person, zuordenbar macht.

Am Beispiel des Trading-Card-Games Sorare sind diese NFTs digitale Sammelkarten, die gekauft, verkauft oder eben gehandelt werden können. Entwickelt wurde es 2017 vom Duo Nicolas Julia und Adrien Montfort, und seit 2019 erfreut es sich wachsender Beliebtheit. Die Idee der Gründer war, dem Sammelgedanken auch noch eine andere Komponente hinzuzufügen. "Neben dem Sammelaspekt können die Karten im integrierten Managerspiel eingesetzt und Preise gewonnen werden," so Predhomme.

Mit der Idee rannte man offenbar auch bei diversen Fußballklubs offene Türen ein. So sind bereits 230 offizielle Teams lizenziert, darunter etwa Bayern München und Real Madrid. 700.000 registrierte Spieler in über 180 Ländern zählt das NFT-Game laut Predhomme bereits. "Wir haben über die Zeit eine lebhafte Community aufgebaut, die sich zum Teil komplett eigenständig organisiert und über Social-Media-Channel wie Discord oder Youtube Erfahrungen teilt, sich gegenseitig hilft und Spiele oder Benotungen diskutiert."

Das Spiel selbst erinnert an diverse Fantasy-Football-Trends der letzten Jahre, in denen Interessierte eigene Teams formen und basierend auf deren echten Leistungen Punkte erhalten. Da dieser Trend nicht allein auf Fußball beschränkt ist, plant Sorare, demnächst auch Frauenfußball und diverse US-Sportarten anzubieten. Dazu soll auch das interne Team von derzeit 35 auf rund 180 Mitarbeiter im kommenden Jahr erweitert werden.

Thibaut Predhomme, Head of Operations bei Sorare, sieht unendlich viele Anwendungsmöglichkeiten für NFTs – auch abseits von Gaming.
Foto: Sorare

Interoperabilität

Rund 54 Millionen Euro gaben Videospieler in klassischen Games im Jahr 2021 für In-Game-Käufe aus, also etwa Verzierungen für Waffen oder virtuelle Kleidung. All diese Gegenstände sind bisher auf ein Spiel beschränkt und gehören weiterhin dem Publisher des Spiels und nicht dem Käufer. Dieser kann sie nur nutzen – zumindest bis die Server abgedreht werden.

Die NFT-Szene sieht hier eine Marktlücke: Diese virtuellen Gegenstände sollen tatsächlich den Besitzer wechseln, also vom Spieler gekauft und bei Bedarf weiterverkauft werden können. Im Idealfall kann man diese erstandenen Gegenstände auch nicht nur in einem Spiel nutzen, sondern in mehreren – eine Idee, die auch Mark Zuckerberg in Bezug auf sein Metaverse nannte. Grenzen für digitale Gegenstände könnten verschwinden. Predhomme nennt das Interoperabilität, also die im eigenen Besitz befindlichen Gegenstände in anderen Spielen einsetzen können.

Dies müsste natürlich technisch erst gelöst werden. Ubisoft würde wohl nie erlauben, eine NFT-Waffe aus Splinter Cell in Battlefield von Electronic Arts einsetzbar zu machen. Auch Karten von Sorare werden sich aus den verschiedensten Gründen nie in ein Fifa implementieren lassen. Das Konzept hat also noch deutliche Grenzen – die Ideen überflügeln momentan die derzeit realistischen Bahnen in der Szene.

Die Vorbehalte gegenüber den neuen Technologien sieht Predhomme dennoch positiv. "Eine gesunde Skepsis ist völlig okay und wichtig für den nachhaltigen Erfolg von NFT-Projekten." Man müsse sich auch darüber im Klaren sein, dass es "schwarze Schafe" in der Szene gäbe. Sieht man sich im Netz um merkt man tatsächlich, dass sich bereits mehrere Nutzer über Betrugsfälle in der NFT-Szene äußern.

Viele Firmen wittern hier offenbar das schnelle Geld und nutzen den Hype, um Interessierte anzulocken. Vorsicht ist also geboten, speziell weil es sich bei vielen Projekten um Testballons handelt.

"Sorare" spielt sich wie bekannte Fantasy-Football-Konzepte – nur kann man alternativ Karten auch wirklich kaufen und wieder verkaufen.
Foto: Sorare

Gierige Branche

Die Games-Branche hat sich in den letzten Jahren vor allem durch die Einführung von undurchsichtigen Loot-Box-Systemen, unfairen Mikrotransaktionen in Spielen und andere Fauxpas, die man größtenteils der Free-2-Play-Szene zu verdanken hat, bei den Gamern einen schlechten Ruf eingehandelt. Dennoch erwirtschaftet die Branche mit genau diesen Dingen gerade große Teile ihres Umsatzes. Electronic Arts setzte etwa mit seinen Sammelkarten in Fifa allein im Jahr 2020 etwa 1,4 Milliarden Euro um. Im kostenlosen Action-Titel Fortnite wurden mit diversen Kostümen und neuen Waffen im Jahr 2020 4,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Den erfolgreichsten Start in der Videospielgeschichte legte in den letzten zwölf Monaten das kostenlose Rollenspiel Genjin Impact hin. Mit 3,3 Milliarden Euro in diesem Zeitraum schlug es Größen wie Pokémon Go oder auch den Dauerbrenner GTA V. In diesem Spiel muss niemand Geld ausgeben, aber für mehr Spielzeit und eben digitale Charaktere werfen Spieler begeistert ihr Erspartes in das – zugegebenermaßen – gut designte Spiel.

Von den rund 146 Milliarden Euro, die der Gaming-Markt derzeit in etwa schwer ist, werden digitale Güter zunehmend ein entscheidender Faktor in Sachen langfristiger Erfolg oder Misserfolg. Genau diese Güter zu personalisieren, sie kauf- und verkaufbar zu machen scheint deshalb eine spannende Marktlücke zu sein. "NFTs helfen, den Spielern das Eigentumsrecht an den In-Game-Käufen zurückzugeben. Wer generell kein Geld für Items und Ähnliches ausgibt, muss das auch in Zukunft nicht tun."

Man müsse in der Übergangszeit oder vielleicht sogar darüber hinaus wohl beides anbieten, so Predhomme. "Bei Sorare liegt es uns am Herzen, die Eintrittsbarriere so niedrig wie möglich zu halten. Deshalb gibt es auch bei uns eine Liga mit digitalen Sammelkarten, die völlig kostenfrei dauerhaft spielbar ist." Als Zielgruppe wird man dann im Idealfall nicht nur Krypto-Enthusiasten begrüßen dürfen, sondern alle, die an Games dieser Art interessiert sind.

Die Schnittmenge zwischen Gamern und "High Risk Tradern" dürfte bisher allerdings gering sein, weshalb es schon überzeugende Konzepte benötigt, um hier in den Mainstream einsteigen zu können.

Der Gaming-Markt wächst jährlich, und alle fragen sich: Was ist das nächste große Ding?
Foto: visualcapitalist.com

Sichere Bank

Der Themen Sicherheit und Cybercrime müsse man sich in jedem Fall annehmen – die Vorteile der Technologie würden hier aber vieles erleichtern, was in der Vergangenheit ein Problem war. Predhomme: "Die Informationen auf der Blockchain werden auf unzähligen Computern weltweit gespeichert. Dies macht die Blockchain fälschungssicher. Informationen können nur im Konsens geändert werden."

Soll also eine Information aktualisiert werden, braucht es einen Konsensus des Netzwerkes. Um diesen zu erreichen gibt es verschiedene Algorithmen die von Blockchain zu Blockchain unterschiedlich sind. Erst wenn erwiesen ist, dass eine Leistung (etwa der Handel einer digitalen Spielerkarte) nachweislich erbracht wurde (also der Austausch einer Karte für einen monetären Gegenwert), wird die Datenbank global und auf allen verbundenen Rechnern aktualisiert.

Aufklärung sei dennoch wichtig, so Predhomme, schon allein deshalb, weil es bei der Schlagzahl an Meldungen und Schlagzeilen über verschiedene NFT-Projekte zu Missverständnissen kommen könne. "Die Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum stehen immer mal wieder mit Kursschwankungen in Verbindung. Die allgemeine Wahrnehmung ist deshalb oft: NFTs und Kryptowährungen sind mehr volatiles Spekulationsobjekt als Chance für den Mainstream."

Den Einstieg der großen Spiele-Publisher, etwa Electronic Arts oder Square Enix, sieht Predhomme positiv. "Der NFT-Markt ist riesig und extrem heterogen. Es gibt zahlreiche Nischen, die die verschiedenen Anbieter, egal ob groß oder klein, besetzen können." Die großen Gaming-Publisher könnten zudem dazu beitragen, NFTs und deren Möglichkeiten bekannter zu machen und deren Akzeptanz zu erhöhen. Mit dem Publisher Ubisoft sei man unter anderem bereits im "regen Austausch".

Der französische Spielehersteller preschte erst vor wenigen Tagen mit der Meldung vor, dass man im Spiel Ghost Recon Breakpoint mit der Einführung von NFTs beginnen würde. Das Feedback im Netz war durchwegs negativ – es scheint also auch für die Großen in der Szene noch ein weiter Weg zu sein, die potenziell spannenden Inhalte in einer Weise an das Publikum zu kommunizieren, damit diese einen Mehrwert für sich selbst erkennen können – sei es der mögliche Weiterverkauf von digitalen Gütern oder deren Weiternutzung über das Ableben bestimmter Spiele hinaus.

Mit "Ubisoft Quartz" kündigte der Publisher kürzlich an, NFTs in seinen Spielen einführen zu wollen.
Foto: Ubisoft

Zukunft vorgezeichnet

Seinem beruflichen Umfeld treu bleibend, ist Predhomme natürlich vom Erfolg von NFTs in der Gaming-Branche überzeugt. Mit dem Hype der letzten Monate hätte er zwar nicht gerechnet, aber die Entwicklungen stimmen ihn optimistisch, dass der Markt in den nächsten Jahren wohl stark wachsen werde. Die Messlatte liegt nach diesem Jahr bereits hoch. Knapp neun Milliarden Euro wurden allein im dritten Quartal 2021 mit NFT-Verkäufen umgesetzt – auf Sorare entfielen dabei etwa 133 Millionen Euro.

"Ich erwarte speziell von der Gaming-Industrie mehr Experimentierfreudigkeit der traditionellen Entwicklerstudios. Auch mithilfe von NFTs wird die Interoperabilität zwischen Games getestet und evaluiert, ob es Möglichkeiten gibt, die Gamer in den Mittelpunkt zu stellen und dadurch ganz neue Erlebnisse zu bieten." Erst wenn der Nutzen für Gamer greifbar ist, da sind sich wohl alle einig, wird sich dieser neue Markt etablieren können, wie er das zuletzt auch bei digitalen Gütern abseits von NFTs getan hat.

Neben der Gaming-Branche werden NFTs auch mehr und mehr in unseren Alltag einziehen und vermehrt physische Erfahrungen ermöglichen, ist Predhomme überzeugt. "Unsere NFT-basierten Stadiontickets für Fußballspiele der spanischen La Liga sind ein solches Beispiel, Ähnliches werden wir bei anderen Sport- und Kulturveranstaltungen erleben." Hat man die zunehmende Verschmelzung von Arbeitsbereichen, wie sich Meta und Microsoft das aktuell vorstellen, oder auch die gleichzeitige Nutzung von Technologien in Film und Spielen vor Augen, sind NFTs vielleicht ein weiterer Baustein auf diesem Weg.

Wie bei all den aufgezählten Beispielen wird auch für NFTs gelten – und das sollte skeptische Naturen beruhigen –, dass man ihnen wird ausweichen können. Es wird weiterhin ausreichend Videospiele geben, die weder auf Loot-Boxen noch auf kaufbare Güter setzen werden – und das ist, genau wie technischer Fortschritt, auch etwas Gutes. (Alexander Amon, 16.12.2021)