Der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein verteidigte im Nationalrat die Einführung der Impfpflicht und seinen diesbezüglichen Meinungsumschwung: Manchmal sei es notwendig, seine Meinung wegen neuer Erkenntnisse zu ändern, sagte er.

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Der Nationalrat hat am Mittwoch zum Auftakt der Plenarwoche das "Impfpflicht-Nein"-Volksbegehren debattiert, das Ende September mit 269.391 Unterstützern die 100.000er-Hürde zur Behandlung im Parlament klar genommen hatte. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) verteidigte dabei seinen Meinungswandel und den vorliegenden Gesetzesentwurf zur Covid-Impfpflicht. Kritik übte die FPÖ.

Mückstein räumte ein, dass das Gesetzesvorhaben in die Grundrechte der Menschen eingreife und deswegen breit diskutiert werden müsse. Er erinnerte aber an Immanuel Kant und dessen Aussage, dass die Freiheit des Einzelnen dort ende, wo die Freiheit des anderen beginne. Die Impfpflicht sei notwendig, weil die Impfung auch die Mitmenschen schütze und damit am Ende auch das Gesundheitssystem.

Verunsicherung nachvollziehbar

Er könne die Verunsicherung nachvollziehen und verstehe auch, wenn das Konzept der allgemeinen Impflicht anderen widerstrebe. Aktuell sei die Durchimpfungsrate in Österreich aber noch nicht hoch genug, sagte Mückstein. Er selbst habe daher nachgedacht und seine Meinung geändert: "Ich weiß, dass wir die allgemeine Impfpflicht brauchen." Es sei manchmal notwendig, seine Meinung aufgrund neuer medizinischer Erkenntnisse zu ändern.

Aus den anderen Fraktionen mit Ausnahme der FPÖ kam Unterstützung. Josef Smolle (ÖVP) sprach von einer Überlastung des Gesundheitssystems, die er in 40-jähriger medizinischer Praxis noch nicht erlebt habe. Mario Lindner (SPÖ) meinte, als letztes Mittel gegen weitere Lockdowns und hunderte Tote brauche es die Pflicht, auch wenn niemand sie sich gewünscht habe.

Ralph Schallmeiner (Grüne) wandte sich gegen die vom Volksbegehren geforderte Verfassungsbestimmung für ein Diskriminierungsverbot, denn auch eine Pockenimpfpflicht wäre dadurch heute nicht mehr möglich. Gerald Loacker (Neos) empfahl allen Skeptikern, sich eine beliebige österreichische Tageszeitung zur Information zuzulegen, weil in keiner sich so viel Unfug finde wie im Chatdienst Telegram.

Protest der FPÖ

Die FPÖ protestierte dagegen vielstimmig. Gerhard Kaniak sah die Sorge um den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit als berechtigt. Die Impfpflicht gegen Covid sei weder notwendig noch alternativlos. Dagmar Belakowitsch warnte vor dem "nächsten Wahnsinnsschritt", denn mit einer Maskenpflicht zu Hause bei Omikron-Fällen werde das Hausrecht ausgehöhlt. "Was ist das anderes als ein totalitäres System?", fragte sie. Gerhard Hauser rühmte medikamentöse Alternativbehandlungen, die in Afrika Wirkung zeigten. Klub- und Parteichef Herbert Kickl war für die Sitzung entschuldigt.

Der Nationalrat hat zudem gegen die Opposition Mindeststrafen bei Verstößen gegen Corona-Regelungen etabliert. Sie werden bei zehn Prozent der Maximalbuße liegen, können aber etwa bei Jugendlichen halbiert werden. Die FPÖ bezweifelte, dass man damit mehr Verständnis und Mitwirkung erzielen werde. Auch die Neos waren bezüglich Bagatell-Delikten skeptisch. Die Strafen betreffen etwa Betretungsverbote, Ausgangsbeschränkungen und Verbote von Zusammenkünften.

Angenommen wurde ein von der FPÖ vehement abgelehnter Entschließungsantrag, der eine Informationskampagne für Kinder befürwortet. Eingebracht worden war die Initiative von der SPÖ. Die Freiheitlichen stimmten als einzige Partei auch einer Entschließung gegen Fake News im Zusammenhang mit Corona nicht zu. Nur Teile der FPÖ und die anderen Fraktionen gesamt votierten für einen Entschließungsantrag zum Schutz der Spitäler im Zusammenhang mit den Corona-Protesten.

Erhöhung der Beamtengehälter

Der Nationalrat hat zudem die Erhöhung der Beamtengehälter abgesegnet. Nein sagten nur die Neos, denen der Abschluss zu hoch war. Sozialsprecher Gerald Loacker verwies darauf, dass die Beamten, die für die Regierung die Gespräche führen, ja damit auch über ihre eigenen Bezüge verhandeln. Im Schnitt beträgt das Plus drei Prozent, wobei sozial gestaffelt wird. Niedrige Einkommen werden um 3,2 Prozent angehoben, das Plus wird bis auf 2,9 Prozent für hohe Einkommen gemindert.

Auch das Tierschutzvolksbegehren stand auf dem Programm, unterfertigt von 416.000 Menschen. Angenommen wurde dabei eine Entschließung mit der Aufforderung an die Regierung, einen Gesetzesvorschlag für ein Tierschutzpaket vorzulegen, der weite Teile der Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens umsetzt. Es soll das Verbot des Schredderns von Küken, ein Ende von Vollspaltenbuchten in der Schweinehaltung bei Neu- und Umbauten und das Verbot des Exports von Schlacht- und Mastrindern in Drittstaaten bringen.

Der Nationalrat hat in seiner Mittwoch spät Abend zu Ende gegangenen Sitzung zudem das Tierseuchengesetz einstimmig geändert. Maßnahmen zur Seuchenabwehr bei Wildtieren können damit bereits getroffen werden, wenn die Krankheit in Österreich noch nicht ausgebrochen ist. Der Gesundheitsminister soll in Zukunft etwa anordnen dürfen, dass an relevanten Stellen – insbesondere in Grenzgebieten – Zäune errichtet werden.

Ethik für alle Schüler

Schließlich wurde noch der Wunsch nach Ethikunterricht für alle Schüler behandelt, was 160.000 Unterstützer mobilisiert hatte. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) verteidigte dabei den von der Koalition gewählten weg, den Unterricht im Regelunterricht für jene zu etablieren, die keinen Religionsunterricht besuchen. Er halte es für notwendig, dieses Modell auch auf die Primarstufe sowie die Sekundarstufe 1 auszuweiten, so der Minister.

Mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und Neos ist auch die 2020 ins Leben gerufene Sommerschule in den letzten beiden Ferienwochen gesetzlich implementiert worden. Konkret wird sie an den Volksschulen, den Mittelschulen, den Sonderschulen und in der AHS-Unterstufe verankert. Die Teilnahme ist freiwillig, es gibt auch keine Noten. Abgehalten wird der Unterricht durch Lehramtsstudierende und Lehrer.

Digitale Grundbildung als Pflichtfach

Verkürzt wurde die Frist für die Abmeldung von Kindern zum häuslichen Unterricht beziehungsweise zum Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht. Bisher konnte man sich bis Beginn des jeweiligen Schuljahrs abmelden – künftig muss dies bereits mit dem Ende des vorangegangenen Schuljahrs erledigt sein. Außerdem gibt es ein verpflichtendes "Reflexionsgespräch". Weiters kommt ab kommendem Schuljahr auch das Fach "Digitale Grundbildung" als Pflichtgegenstand in den ersten vier Klassen. Pro Schulstufe wird künftig fix eine Wochenstunde zur Verfügung stehen. (APA, 15.12.2021)