Das Risiko von Störfällen sei normaler Dauerzustand, sagen die Atomkraftgegner – wie hier bei einer Protestaktion anlässlich des 100. Störfalls im Atomkraftwerk Temelín.

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Im Herzen der Salzburger Altstadt, zwischen Mozartsteg und Mozartplatz, steht ein Monument aus Stahl: Das fast drei Meter hohe Denkmal besteht aus Eisenteilen des ehemaligen Bauzauns der im bayerischen Wackersdorf in den 1980er-Jahren geplanten atomaren Wiederaufbereitungsanlage (WAA). Das im Jahr 2000 seiner Bestimmung übergebene Mahnmal erinnert an den erfolgreichen Widerstand gegen die WAA Wackersdorf, die nur rund 180 Kilometer von Salzburg entfernt entstanden wäre.

Treibende Kraft des Widerstands in Österreich war damals die Salzburger Plattform gegen Atomgefahren (Plage). Sie hat – mit Unterstützung von Stadt, Land und Bund – weit mehr als 400.000 schriftliche Einwendungen gegen die WAA auf die Beine gestellt.

Radioaktive Steine

Seit damals sind die Plage-Aktivisten und -Aktivistinnen fester Bestandteil der Anti-AKW-Bewegung. Sie organisieren Protestkampagnen gegen Euratom oder gegen grenznahe Atomkraftwerke wie etwa Temelín, ebenso wie sie auch kleine Details atomarer Gefährdung aufs Tapet bringen.

So wurden auf Initiative der Plage vor sechs Jahren an elf Salzburger Schulen in den biologischen Sammlungen radioaktive Gesteine gefunden. Auch wenn sich die Gefährdung durch die Steine, die in den Biologiekammerln gelagert waren, in Grenzen hielt, für die Plage und den Biologielehrer Peter Machart war es Anlass genug, sich dem Thema Radioaktivität und Schule zu widmen.

Radioaktivität "greifbar" machen

Herausgekommen ist ein eigens entwickelter Mess- und Experimentierkoffer zur Radioaktivität, der von Schulen für den Unterricht gratis ausgeliehen werden kann. Das Angebot richtet sich an Schüler und Schülerinnen ab der achten Schulstufe aller Schularten. "Mein Ziel war es, das in Schulbüchern abstrakt behandelte Thema greifbar zu machen. Radioaktivität kann man nicht schmecken, nicht sehen und ohne Geigerzähler auch nicht hören. Häufig wird mit Verdrängung oder Panik reagiert. Es geht aber darum, Radioaktivität und die mit ihr verbundenen Gefahren richtig einschätzen zu können", sagt Machart.

Alkoholfreies Bier

Es wäre nicht die Plage, wenn dabei nicht die Gefahren durch die Kernenergie im benachbarten Ausland ein Hauptthema wären. Das Risiko von Störfällen sei Normalzustand. Auch werde trotz eines deutschen Atomausstiegs das in AKWs als Abfallprodukt anfallende Plutonium noch für 250.000 Jahre strahlen. Das entspricht zehn Halbwertszeiten.

Ein Blick in den "Atomkoffer".
Foto: Plage

Apropos Halbwertszeit: Auch das ein Thema, unter dem sich nur wenige etwas vorstellen könnten, meint Machart. Also hat er den sogenannten "Bierschaumversuch" mit ins Programm genommen. Dabei wird Bier – an der Schule aus Jugendschutzgründen alkoholfrei – in einem Messzylinder gefüllt, das Zusammenfallen des Schaumes dient als Analogie zur Halbwertszeit. Ähnlich läuft dieser Versuch mit Cola ab. Den Einwand, dass diese Analogie nur bedingt zutreffe, kennt Machart. Das habe er auch im Begleitheft angesprochen. Als "Eye-Catcher" für den Unterricht tauge der Bierschaumversuch aber dennoch.

Natürliche Strahlung

Abseits der Kernenergie widmet sich der Atomkoffer auch der natürlichen Radioaktivität. Das radioaktive Edelgas Radon etwa kann sich vom Boden ausgehend in Wohnräumen anreichern. Radon ist immerhin für rund zehn Prozent der Lungenkrebserkrankungen verantwortlich. Die Granite in Nordösterreich setzen überdurchschnittlich viel Radon frei, auch Innsbruck und Umgebung sind im Verhältnis zum restlichen Österreich stärker betroffen. Das Gas sei aber messbar und flüchtig – die regelmäßige Belüftung von Kellern schaffe Abhilfe, sagt Machart. (Thomas Neuhold, 16.12.2021)