Die EU ringt um eine gemeinsame Linie – wieder einmal. Und im Fall der Olympischen Winterspiele in China wieder einmal recht spät. Knapp sieben Wochen vor der ungeachtet der Corona-Lage gewiss feierlichen Eröffnung des Events in Peking dominiert die Ansicht, dass ein diplomatischer Boykott wegen schwerster Menschenrechtsverletzungen im Machtbereich der Gastgeber wenig sinnvoll ist. Luxemburgs Chefdiplomat Jean Asselborn liegt in einem Punkt gewiss richtig, wenn er sagt, dass es für politisch Verantwortliche höchst fragwürdig sei, wohl Athleten nach China zu schicken, aber selbst nur im Fernsehen zu "schauen, wie es im Biathlon steht". Vor Ort Stellung zu beziehen wäre sicher eine unangenehme, aber vielleicht doch lohnende Aufgabe.

Ganz dieser Meinung ist Emmanuel Macron, ja, der französische Präsident plädierte ursprünglich sogar dafür, entweder auch keine Athleten aus der EU zu entsenden oder international ein anderes, gemeinsames Zeichen zu setzen.

Dieses "Ganz oder gar nicht" ist inzwischen nicht mehr zu hören, wäre aber zumindest für die Zukunft ein Ansatz. Nicht nur die Olympier müssen die Vergabe ihrer Events endlich an menschenrechtliche Grundstandards binden, ganz ohne Hinsichtl und Rücksichtl. Die Hoffnung, dass allein die Weltöffentlichkeit bei Sportgroßereignissen Positives bewirken kann, hat sich doch längst erledigt. (Sigi Lützow, 15.12.2021)