Max Verstappen bleibt Weltmeister, Lewis Hamilton schweigt.

Foto: Imago/Bonilla

Mercedes-Teamchef Toto Wolff sieht fundamentale Prinzipien des Sports außer Acht gelassen.

Foto: Imago/Huebner

Brackley – Der Formel 1 bleibt ein Nachspiel am grünen Tisch erspart, Max Verstappen ist und bleibt der Weltmeister einer denkwürdigen Saison. Nach dem Finale in Abu Dhabi am vergangenen Sonntag und dem Triumph von Red-Bull-Pilot Verstappen durch ein Überholmanöver in der letzten Runde verzichtet Mercedes auf die mögliche Anfechtung des Ergebnisses. "Wir ziehen hiermit unsere Berufung zurück", hieß es am Donnerstag in einer Mitteilung. Teamchef Toto Wolff war aber weiter bedient.

"Lewis und ich sind desillusioniert im Moment", sagte der Österreicher bei einer digitalen Medienrunde. "Wenn wir die fundamentalen Prinzipien des Sports außer Acht lassen und die Stoppuhr nichts mehr wert ist, weil es willkürliche Entscheidungen gibt, dann beginnt man zu hinterfragen, ob all die Arbeit, Blut, Schweiß und Tränen es wert sind." Es könne einem "willkürlich alles weggenommen werden", sagte Wolff: "Wir werden niemals darüber hinwegkommen, das ist nicht möglich."

Eine bessere Formel 1 schaffen

Wolff äußerte sich mit fast vier Tagen Abstand erstmals öffentlich zu den Vorfällen von Abu Dhabi. Unmittelbar nach dem Triumph Verstappens vor dem geschlagenen und entthronten Hamilton auf dem Yas Marina Circuit hatte Mercedes gleich zwei Proteste eingereicht. Einer wegen der Fahrweise Verstappens während der Safety-Car-Phase, ein zweiter – und das war der weitaus bedeutendere – gegen die Rennleitung um Michael Masi wegen des Prozederes gegen Ende der Safety-Car-Phase in den letzten Runden. Beide Proteste wurden von den Rennkommissaren abgeschmettert.

Daraufhin hatten die Verantwortlichen der Silberpfeile den Formalien entsprechend binnen 60 Minuten eine Absichtserklärung für eine Berufung hinterlegt. Das wiederum gab ihnen weitere 96 Stunden, um mit Anwälten die Chancen auf einen Erfolg zu prüfen. Nach eingehenden Beratungen entschieden sie sich gegen den Gang vor den International Court of Appeal des Automobilweltverbands (FIA).

"Wir sind im Sinne der sportlichen Fairness in Berufung gegangen, und wir haben seitdem einen konstruktiven Dialog mit der FIA und der Formel 1 geführt, um in Zukunft für Klarheit zu sorgen", hieß es in der Mercedes-Erklärung. In diesem Zusammenhang begrüßte der Konstrukteursweltmeister die Entscheidung des Weltverbands, eine Kommission ins Leben zu rufen, um die Geschehnisse in Abu Dhabi gründlich zu analysieren. Mercedes wolle "aktiv mit der Kommission zusammenarbeiten, um eine bessere Formel 1 zu schaffen – für alle Teams und alle Fans".

Kein Interesse an einem Gespräch mit Masi

Zwischen Masi und Wolff gibt es laut dem Mercedes-Teamchef aber keinen Gesprächsbedarf. "Ich bin nicht interessiert an einem Gespräch mit Michael Masi. Die Entscheidungen in den letzten vier Minuten haben einen verdienten WM-Titel für Lewis Hamilton verhindert", sagte der Wiener deutlich. Es müsse nun für die Zukunft dringend geregelt werden, wie solche Situationen verhindert werden könnten. "Dem Sport wurde viel Schaden zugefügt, das darf nicht wieder passieren."

Verstappen hatte Hamilton nach Beendigung der Safety-Car-Phase in der letzten Runde überholt und sich mit seinem zehnten Saisonsieg erstmals den Titel gesichert. Die Mercedes-Bosse hatten angeprangert, dass das Safety-Car ihrer Meinung nach den Regel entsprechend erst eine Runde später in die Box hätte fahren dürfen. Das Rennen wäre dann dahinter beendet worden und Hamilton Titelträger auch in diesem Jahr und mit acht Triumphen alleiniger Rekordweltmeister vor Michael Schumacher gewesen.

Verstappen hatte durch die Phase überhaupt noch die Chance bekommen, an Hamilton heranzukommen. Der Brite hatte das Rennen nach einem Überholmanöver vorbei an Pole-Mann Verstappen direkt nach dem Start kontrolliert und alle Versuche des Red-Bull-Teams erfolgreich gekontert. Durch die Vorkommnisse während der Safety-Car-Phase war Verstappen von rund elf auf eine Sekunde an Hamilton rangekommen. Er hatte außerdem schnellere Reifen aufziehen lassen, da er nichts mehr zu verlieren hatte.

Zeremonie in Paris ohne Hamilton

Am Donnerstag bekam der 24-jährige Niederländer bei der offiziellen Zeremonie in Paris die WM-Trophäe überreicht. "Wir hatten eine richtig gute Zeit, weil wir wussten, dass wir es auf der Strecke gewonnen haben. Niemand kann uns das wegnehmen", sagte der Titelträger. Der Red-Bull-Pilot habe sich nicht mit den rechtlichen Schritten der Silberpfeile beschäftigt und stattdessen gefeiert. "Ich hatte einen Drink am Sonntag", sagte Verstappen und schob nach einer Pause mit einem Grinsen nach: "Einen zu viel."

Er sei am Montag nach der Party in Abu Dhabi am Nachmittag mit "fiesen Kopfschmerzen" aufgewacht und brauche nach der kräfteraubenden Saison "jetzt wirklich eine Pause". Mitleid mit dem entthronten Hamilton habe er aktuell nicht. "Aber ich verstehe, dass es sehr schmerzhaft für ihn ist. Aber so ist Racing, da kann alles passieren", sagte der neue Champion, der nicht an einen Rücktritt von Hamilton glaubt: "Ich sehe keinen Grund, warum er aufgeben oder aufhören sollte.""

Die Trophäe für den Konstrukteurstitel nahm für Mercedes der Technische Direktor James Allison entgegen, da Hamilton und Wolff auf eine Teilnahme an der Gala verzichteten. "Ich habe größten Respekt vor Max und Red Bull und hätte unter normalen Umständen akzeptieren können, dass Max am Sonntag den Titel gewinnt", sagte Wolff. Unter den gegebenen Umständen sei das aber für ihn nicht möglich: "Lewis in der letzten Runde des Rennens des Titels zu berauben, kann man nicht akzeptieren." (APA, 16.12.2021)