Screenshot: Ruined King
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Screenshot: Ruined King

Wo die Liebe hinfällt, erwächst nicht immer etwas Gutes. Viego, seines Zeichens früh und unverhofft aufgerückt vom Prinzen zum Machthaber des Königreichs Camavor, verliebte sich dereinst unsterblich in die Näherin Isolde. Doch als diese früh und nicht unter natürlichen Umständen verstirbt, gibt dies der ohnehin fragilen Psyche des Herrschers den Rest. Und so lässt er seine Soldaten und Getreuen die Welt durchstreifen, um eine Möglichkeit zu finden, sie ins Leben zurückzuholen.

Fündig werden sie auf den Blessed Isles, einem friedlichen Inselreich, das über eine Quelle verfügt, deren Wasser scheinbar alles heilen kann. Eine Schiffsfahrt später geht der Versuch, die Königin an der Quelle der Inseln wiederzubeleben, mächtig schief. Mit verheerenden Folgen: Aus den Blessed Isles werden die von einem dunklen Nebel durchzogenen und von bösartigen Geisterwesen bewanderten Shadow Isles. Das Treiben wird gespeist durch den Wahnsinn von Viego, dessen einstiges Reich zur geschichtlichen Randnotiz geworden ist. Viele Jahre später erhebt sich der nunmehrige Geisterkönig nun, um seinen dunklen Einfluss rund um die Welt geltend zu machen. Er will Isolde finden, die ihm, so scheint es, in den Wirren des Verfalls auf den Schatteninseln abhanden gekommen ist.

Riot Forge

Illustre Allianz

Es ist diese globale Bedrohung, die im Rollenspiel Ruined King (Airship Studios) zu einer unwahrscheinlichen Allianz führt. Da wäre etwa die Kapitänin Sarah Fortune, Quasi-Bürgermeisterin der Piratenstadt Bilgewater, die mitansehen muss, wie ihr Ort immer wieder durch den dunklen Nebel und die besagten Geisterwesen von den Shadow Isles angegriffen wird. Oder Illaoi, Priesterin der Seegöttin Nagakabouros, die ebenfalls gegen das Unheil kämpft.

Da wäre auch noch Braum, ein in Bilgewater gestrandeter Besucher aus dem hohen Norden – dem Freljord –, der eigentlich gehofft hatte, auf den Shadow Isles noch etwas von dem kostbaren Heilwasser zu finden, um eine mysteriöse Krankheit zu bekämpfen, die sich in seinen Landen ausgebreitet hat. Und Yasuo, ein von Ort zu Ort ziehender Ninja, der sich gerade als Leibwächter einer mysteriösen Frau verdingt, die auf einmal verschwunden ist.

Was sie alle darüber hinaus gemeinsam haben, ist, dass man sie im bekannten Online-Game League of Legends als Champions spielen kann. Ruined King ist, wie auch die Serie Arcane, in dessen Universum angesiedelt. Vorwissen wird allerdings nicht vorausgesetzt.

Genug gespoilert. Verraten sei nur noch, dass der anfängliche Trupp im weiteren Verlauf der Geschichte wächst und neben Bilgewater auch noch einige andere Orte – darunter auch die Shadow Isles – besucht. Das Abenteuer gerät dabei nicht nur zum Kampf gegen die große Bedrohung, sondern auch zu einem – hauptsächlich in Cutscenes und Rastgesprächen – erzählten Selbstfindungstrip für die Beteiligten.

JRGP-Style

Das Spielerlebnis an sich entspricht stark Final Fantasy, Secret of Mana und anderen JRPGs ("japanischen" Rollenspielen) ähnlicher Bauart. Erzählerisch ist stets die ganze Truppe unterwegs, praktisch stellt man aber eine Dreiergruppe zusammen, die Kämpfe bestreitet und Rätsel löst. In der Spielwelt selbst wird die Gemeinschaft von einem der drei gewählten Helden symbolisiert.

Man folgt der Hauptgeschichte und wahlweise zahlreichen Nebenaufträgen. Neben in der Story vorgesehenen Kämpfen kann man sich auch noch mit Gegnern bzw. Gegnergruppen anlegen, die auf der Karte herumlaufen – oder versuchen, sie zu umgehen. Ab einer gewissen Nähe wird man von den Feinden automatisch verfolgt. Schon vor den Kämpfen spielt die Auswahl der "aktiven" Gruppe eine Rolle. Bestimmte Bereiche sind nur für manche von ihnen zugänglich, dazu verfügen sie auch über Spezialfertigkeiten, die konkrete Vorteile bringen. Ein Held ist etwa in der Lage, Feinde aus größerer Distanz heranzuziehen. So ist es möglich, zwei in unmittelbarer Nähe befindliche Gruppen voneinander zu trennen und einzeln zu bekämpfen, statt einen schwierigeren Kampf gegen mehrere Feindeswellen zu absolvieren.

Ausgeklügeltes Kampfsystem

Das Kampfsystem kennt drei Formen von Angriffen bzw. Fähigkeiten und baut auf drei Ressourcen – Lebenspunkte, Mana und Overcharge – der Kämpfer auf. "Instant Abilities" werden sofort ausgeführt und kosten in der Regel kein Mana. Dafür bewirken sie, zumindest für sich gesehen, in der Regel weniger Schaden oder dienen nur dem Schutz der jeweiligen Spielfigur. Häufig generieren sie "Overcharge", das sich als Ersatz für Mana oder zur Verstärkung mancher anderer Fähigkeiten einsetzen lässt.

"Lane Abilities" verbrauchen Mana, sind allgemein stärker und verursachen oft Zusatzeffekte, ihre Ausführung benötigt aber Zeit. Taktische Tiefe bringen hier die drei zugehörigen "Lanes" ins Spiel, die sich grob als "Zeitschienen" beschreiben lassen. In der "Fast Lane" werden Fähigkeiten schneller ausgeführt, sind aber schwächer. In der "Normal Lane" erfolgen sie mit Standarddauer und -werten. In der "Power Lane" sind sie effektiver, aber ihre Vorbereitung dauert länger. Darüber hinaus gibt es auch eine sich mit jeder Aktion weiter auffüllende "Ultimate"-Leiste, die allerdings für das Team als gesamtes gilt und eine besonders starke "Ultimate"-Aktion ermöglicht. League of Legends-Spieler werden hier einige Fertigkeiten, wenn auch in abgewandelter Form, wiedererkennen.

Riot Forge

Die Lanes werden auch herangezogen, um Umgebungseffekte einzubringen. Beginnt man etwa den Kampf in einer Wolke des Nebels von den Shadow Isles, so taucht dieser abschnittsweise auf den Lanes aus. Wer keine negativen Effekte erleiden möchte, sollte seine Angriffe so planen, dass die eigenen Helden bei ihrem nächsten "Zug" nicht von ihm erfasst werden. Gleichzeitig gibt es Fähigkeiten, mit welchen sich die Zeitabfolge gegnerischer Aktionen manipulieren lässt, um sie etwa gezielt in solche Zonen zu bugsieren.

Es ist ein cleveres System, das stärkende und schwächende Elemente in die Auseinandersetzungen einbringt und besonders bei Bossgegnern oft gut eingesetzt wird, um Abwechslung zu schaffen und die grauen Zellen des Spielers herauszufordern. Mit auffindbaren und bei Händlern erwerbbaren Gegenständen lassen sich die Helden aufrüsten, dazu erhält man bei Levelaufstiegen Punkte zur Aufwertung von Fähigkeiten und schaltet auch neue frei. Ebenso baut man ein simples Runensystem aus, um den Spielstil etwas zu individualisieren.

Einzig bei der Ausbalancierung der Kämpfe strauchelt Ruined King – zumindest im zweiten der vier Schwierigkeitsgrade. Während im Mittelteil des Spieles manche Fights ausgesprochen schwierig und teils nur durch inflationären Einsatz von Heil- und Wiederbelebungstränken zu schaffen sind, fallen die Schlachten am Ende häufig zu einfach aus und dauern eigentlich nur länger, weil Gegner viele Lebenspunkte mitbringen.

Grafik und Akustik

Grafisch gibt sich das Spiel solide. Die Welt selbst ist schön inszeniert und bietet immer wieder spektakuläre Ausblicke, die Animationen wirken aber mitunter hölzern. Anders sieht das in Kämpfen aus, bei denen Ruined King gerade in diesem Bereich glänzt. Zwischensequenzen sind – sofern man Manga-Zeichenstil mag – schön gemacht.

Bei der Vertonung gibt sich das Game hingegen keine Blöße. Alle wichtigen Dialoge und Erzählstücke sind vertont und von hoher bis sehr hoher Qualität. Die musikalische Begleitung braucht sich ebenfalls nicht zu verstecken, sie sorgt zuverlässig für die zur Umgebung passende Atmosphäre.

Die Story selbst weiß an einigen Punkten zu überraschen, ist an anderen dafür wieder etwas vorhersehbar. An wenigen Stellen – Stichwort: Amon (gemeint ist nicht mein Kollege aus der STANDARD-Redaktion) – absolviert man etwas ideenlose Quests. In das Spiel integriert ist auch ein Angel-Minigame, mit dem man sich "Black Marks" verdienen kann, um bestimmte Gegenstände zu kaufen. Es fühlt sich allerdings etwas belanglos an.

"Traditionelle" Schwächen

Wirklich gröbere Schwächen gibt es eigentlich nur, wenn es um den "Spielkomfort" geht. Und diese hat sich Ruined King allesamt aus dem JRPG-Genre entlehnt, in dem diese Probleme endemisch sind. Da wäre etwa das Fehlen einer Schnellreisefunktion zu bekannten Plätzen innerhalb des gleichen Ortes, weswegen man mitunter dazu gezwungen ist, zum x-ten Mal mehrere Teile von Bilgewater zu durchqueren, um einen Auftrag zu verfolgen oder die Handlung voranzutreiben.

Die Menüführung in den Kämpfen ist offensichtlich für Controller optimiert und mit Maus und Tastatur eher umständlich zu bedienen. Der nervigste JRPG-Import ist jedoch, dass sich die recht langen Animationssequenzen für Ultimate-Attacken nicht abbrechen lassen. Folglich hat man manche davon potenziell hunderte Male angesehen, wenn nach 30 oder mehr Stunden Spielzeit der Abspann über den Bildschirm flimmert. Das mag in der Playstation-1-Ära noch verzeihbar gewesen sein, hätte man den Spielern im Jahr 2021 aber durchaus ersparen können.

Fazit

Wer Final Fantasy und Konsorten mag, wird mit Ruined King viel Freude haben. Für League of Legends-Fans bietet das Werk außerdem die Möglichkeit, spielerisch etwas über "ihr" Spieleuniversum zu lernen.

Das Game bringt zwar auch seine Schwächen mit, die es sich hauptsächlich aus dem Genre "ausgeborgt" hat, liefert aber ebenfalls interessante Adaptionen, die etwa Kämpfen taktische Tiefe geben. Dazu kommen schöne grafische Umsetzung, eine weitgehend spannende Geschichte, in der man auch mehr über die Helden und ihren Lebensweg erfährt, die von starken Dialogen und musikalisch absolut gelungener Begleitung umrandet werden. (Georg Pichler, 19.12.2021)