Corona-Pandemie, Ukraine-Konflikt, Migration oder hohe Energiepreise: Die EU-Regierungschefs hatten in Brüssel viel zu besprechen.

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Es ist eine seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Februar 2020 so leidige wie erprobte Übung bei EU-Gipfeln in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs haben eine übervolle Tagesordnung mit sehr vielen verschiedenen Themen vor sich. Für eine eingehende, in den praktischen Konsequenzen durchdachte Erörterung des Hauptproblems, wie man die Ausbreitung der Infektionen durch alle 27 Mitgliedsländer gemeinsam besser eindämmen könnte, bleibt zu wenig Raum und Zeit.

So war es auch am Donnerstag. Am Abend davor hatten "die Chefs" bei einem eigenen Gipfel "Östliche Partnerschaft" mit fünf Staaten der Schwarzmeerregion lange über die Gefahr einer militärischen russischen Intervention in der Ukraine beraten. Den Ost-Partnern wurde jede Hilfe versprochen.

Vor allem drohte die Gemeinschaft Moskau mit "massive Konsequenzen und hohen Kosten", sollte es wieder eine völkerrechtswidrige Überschreitung von Grenzen in Europa durchführen. Eine entsprechende Erklärung verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend. Um welche Sanktionen es sich handeln könnte, blieb offen. Diskutiert werden nach Angaben von Diplomaten Sanktionen gegen Staatsunternehmen und Oligarchen aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin. Zudem gelten ein Betriebsverbot für die von Russland nach Deutschland führende Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 und ein Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift als Optionen.

Auch über den Konflikt mit Belarus wegen der organisierten illegalen Grenzübertritte durch Migranten wurde in Brüssel beraten. In letzterem Fall wurde Polen und Lettland volle Solidarität und Schutz der EU-Außengrenzen versichert.

Dazwischen, gleich in der Früh, setzte der Ständige Ratspräsident Charles Michel die Debatte zur Corona-Lage an. Bereits im Vorfeld hatten EU-Experten eindringlich auf die Gefahr einer Eskalation der Infektionen durch die Omikron-Variante gleich nach den Weihnachtsferien hingewiesen.

Fünfte Welle Mitte Jänner

Nach den jüngsten Erfahrungen in Großbritannien, wo sich die Infektionszahlen zuletzt jeden zweiten Tag verdoppelten, droht EU-weit eine fünfte Welle, die bisher größte, wie es bei Diplomaten hieß. "Mitte Jänner wird Omikron dominant sein", hieß es in Ratskreisen. Diese Diagnose stellte niemand infrage.

Frankreich hat deshalb die Einreiseregeln für Menschen, die aus England einreisen, bereits verschärft. Italien ging noch vor Beginn des Gipfels einen Schritt weiter: Ab sofort reicht es nicht mehr, bei einer Einreise vom EU-Ausland nachweisbar genesen oder geimpft zu sein. Jeder braucht zusätzlich einen PCR-Test, sonst droht Quarantäne.

Die EU-Kommission kritisierte dieses einseitige Vorgehen, weil es die vereinbarte 3G-Regelung, die per grünem Pass Reisefreiheit im Schengenraum gewährleisten soll, unterläuft. Premier Mario Draghi verteidigte das Vorgehen mit Verweis darauf, dass die Omikron-Variante in seinem Land noch wenig verbreitet sei und man sich maximal schützen wolle.

Das Beispiel und der Streit darüber spiegelte gut die Art der Debatte im Europäischen Rat wider. Einig waren sich die Regierungschefs nur darin, dass die Gefahren wegen Omikron enorm seien. In ihrer gemeinsamen Erklärung wird aber wieder nur sehr allgemein betont, dass die Staaten sowohl bei der Hebung der Impfquoten wie bei der Beschaffung von Medikamenten "koordiniert" und "gemeinsam" vorgehen wollen. Insbesondere das "Boostern" müsse vorangetrieben werden. Aber: Wenn es konkret wird, wählt jedes Land im Zweifel eigene Wege, die Kommission kann nichts Verbindliches vorgeben.

Covid-19-Medikamente

So ist das etwa bei der allgemeinen Impfpflicht. Österreich ist dabei vorgeprescht. Deutschland will eine Impfpflicht unter dem neuen Kanzler Olaf Scholz zumindest diskutieren. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte vor dem Gipfel, eine allgemeine Impfpflicht, die über jene für das Gesundheitspersonal hinausgehe, sei "absolut möglich". Die Absicht, dass alle EU-Staaten mitmachen, gibt es nicht.

Die Kommission wurde beauftragt, bei der Beschaffung von Medikamenten gegen Covid-19 für alle Staaten tätig zu werden, wie das bereits beim Impfstoff der Fall war. Diese gab bekannt, dass eine halbe Million Einheiten bei drei Firmen vorbestellt seien für den Fall einer Zulassung. Brüssel plant zudem, die Gültigkeit von Impfnachweisen für Reisen innerhalb der EU auf neun Monate zu begrenzen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 16.12.2021)