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Wenn der Thwaites-Gletscher in der Antarktis abschmilzt, hat das fatale Folgen – er steht daher unter wissenschaftlicher Beobachtung.
Foto: Nasa/Reuters

Seine Fläche ist mehr als doppelt so groß wie die Österreichs: Der Thwaites-Gletscher in der Antarktis hat nicht nur enorme Ausmaße, sondern auch drastische Auswirkungen für den gesamten Planeten. Das verdeutlicht schon der Spitzname "Doomsday Glacier", also quasi "der Gletscher des Jüngsten Gerichts": Wenn das gesamte Eis in seinem Einzugsgebiet schmilzt, würde das den Meeresspiegel um 65 Zentimeter erhöhen.

Mit diesem Weltuntergangsszenario rechnen Fachleute in den kommenden Jahrhunderten, es betrifft im besten Fall also erst künftige Menschen-Generationen. Nun sorgten Risse bei einem Teil des Gletschers dennoch für Aufruhr bei der Glaziologin Erin Pettit von der Oregon State University und ihrem britisch-amerikanischen Forschungsteam. Dieser Teil schwimmt bereits auf dem Meer, ist allerdings noch mit dem Gletscher verbunden – es handelt sich also um sogenanntes Schelfeis. Schon in etwa fünf Jahren könnte diese Platte allerdings absplittern und stärker als erwartet zum steigenden Meeresspiegel beitragen.

Risse wie bei Windschutzscheibe

Bei einer Tagung der American Geophysical Union berichtete das Team von den jüngsten Analysen des Gletschers, der aufgrund seiner massiven möglichen Auswirkungen permanent beobachtet wird. Das vom Gletscher abgeschmolzene Wasser ist bereits für vier Prozent des globalen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich. Doch wenn jenes Schelfeis, das aktuell Risse bekommt, wegbricht, hat das weitreichende Folgen.

Forscherin Pettit vergleicht die Lage mit einer Windschutzscheibe am Auto, die von Steinschlag betroffen ist und deren kleine Risse sich langsam immer weiter mehren: "Man denkt sich: Ich sollte eine neue Windschutzscheibe kaufen. Und eines Tages entstehen mit einem lauten Krachen plötzlich eine Million neue Risse." Veröffentlichte und noch unveröffentlichte Studien weisen darauf hin, dass sich die Menge geschmolzenen Eises, das vom Thwaites-Gletscher stammt, in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt hat.

Schnellere Schmelze

Grund für die Risse und für die dramatischen Entwicklungen ist vor allem warmes Ozeanwasser, das den Gletscher von unten aufschmilzt und einen beschleunigenden Effekt hat. Große Teile des Gletschers, die jetzt noch verhältnismäßig geschützt sind, würden wesentlich schneller schmelzen – ihre Schmelzgeschwindigkeit könnte sich im schlimmsten Fall verdreifachen. Dadurch würde der Gletscher in naher Zukunft nicht mehr für vier, sondern fünf Prozent des Meeresanstiegs sorgen. Was nach wenig klingt, dürfte vor allem die Lage auf Inseln und in Gegenden verschärfen, die jetzt schon mit dem steten Rückgang des Landes zu kämpfen haben.

Erst kürzlich berichtete eine weitere Studie im Fachmagazin "Nature", wie der westantarktische Eisschild vor fünf bis 23 Millionen Jahren auf Klimaerwärmungen reagierte. Er war in den kälteren Perioden offenbar größer als bisher angenommen, dehnte sich also stark aus und zog sich in wärmeren Phasen stark zurück. Auch heute gilt er als sehr anfällig für Erwärmungen der Luft und des Wassers.

Die Analyse hilft Fachleuten, auch die künftigen Veränderungen besser vorauszusagen. "Die gute Nachricht ist, dass die großen Eisschilde relativ träge auf Umweltveränderungen reagieren, sodass wir in vielen Gebieten immer noch in der Lage sein könnten, größere Eisverluste zu vermeiden", sagt die Studienautorin Tina van de Flierdt vom Imperial College London.

"Die schlechte Nachricht ist, dass es in den niedrig gelegenen Gebieten der Eisschilde einen Kipppunkt gibt, und wir wissen noch nicht genau, wo dieser Punkt liegt, an dem es kein Zurück mehr gibt." Dann ließe sich eine radikale Entwicklung nicht mehr stoppen, und der Meeresspiegel würde sich stark erhöhen. (red, 17.12.2021)