150 Millionen Euro Umsatz soll der Einkaufssonntag bringen.

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Wien – Ernst Fischer wird am kommenden Sonntag durchaus Genugtuung empfinden. Der Modehändler rebellierte einst gegen strenge Ladenöffnungszeiten und öffnete seine beiden Geschäfte in der Wiener Innenstadt an den Adventsonntagen. Die Behörden straften ihn dafür vor 15 Jahren teuer ab. Heuer jedoch darf er sonntags erstmals öffnen.

Die Ausnahme ist der Corona-Krise geschuldet. Die Sozialpartner gaben den 19. Dezember als Einkaufstag für den Großteil der Händler frei. "Wir haben gerade drei Wochen der umsatzstärksten Zeit verloren", sagt Fischer. Rechnen werde sich für ihn der Sonntag aufgrund hoher Personalkosten nicht, auch wenn er selbst mit anpacke. Eine Hilfe sei er dennoch, um Bewegung ins volle Lager zu bringen. "Ich hoffe, dass es künftig nicht bei einem Sonntag bleibt."

Licht und Schatten

Daniela Baumann, Inhaberin einer kleinen Buchhandlung in einem Wiener Randbezirk, wird an diesem Sonntag zumindest nachmittags offen halten. Mit großem Kundenandrang rechnet sie nicht. Denn auch an Samstagnachmittagen sei in Geschäften wie dem ihrem wenig los.

Baumann wünscht sich, dass sich der Sonntag als Einkaufstag abseits der Tourismuszonen nicht etabliert. "Wir konsumieren ohnehin viel zu viel, sind zu Konsum erzogen worden. Es braucht einen Ruhetag."

Gut 60 Jahre lang war der goldene Sonntag hierzulande tabu. Heuer stimmte die Gewerkschaft einer Ausnahme zu. 70 Prozent der Händler sprechen sich dafür aus, die Hälfte will selbst mitziehen, erhob der Handelsverband in einer aktuellen Umfrage. Supermärkten und Drogerieketten ist die Öffnung verwehrt. Etliche kleine Betriebe können sich doppelte Gehälter und den zusätzlichen Zeitausgleich nicht leisten.

150 Millionen Euro

Wie viele Konsumenten wollen sonntags ihre Weihnachtseinkäufe erledigen? Die Kepler-Uni Linz beziffert ihren Anteil einer Umfrage zufolge mit 15 Prozent. Gut 80 Prozent hätten andere Pläne. Unterm Strich werde der Sonntag dem Handel 150 Millionen Euro Umsatz bringen. Der Samstag davor wiege vergleichsweise rund 400 Millionen Euro.

Von der Krise gebeutelte stationäre Händler brauchen Kundenfrequenz wie ein Bissen Brot. Die drohende Infektionswelle durch Omikron könnte das im Jänner wieder zunichtemachen. Quer durch die Branchen wird nun hektisch um Alternativen zu einem weiteren Lockdown und den damit verbundenen Geschäftsschließungen gerungen.

Mehr Kontrollen

"Das wäre der Worst Case", stellt Handelsverbandschef Rainer Will klar. Zuvor gehöre über Quadratmeter-Regeln geredet; bei den erforderlichen Abständen etwa sei nicht alles ausgeschöpft. Stichprobenkontrollen der Geimpften und Getesteten ließen sich intensivieren. Nachweise dafür könnten nachvollziehbarer und praxistauglicher gestaltet werden. Dass Händler 2G-Nachweise flächendeckend prüfen, hält Will für kaum umsetzbar.

Woher sollte der Handel das nötige Security-Personal rekrutieren, fragt sich Rainer Trefelik, Handelsobmann der Wirtschaftskammer. Technische Lösungen seien knapp und teuer. "Was ist, wenn wir diesen Stunt schaffen und dennoch zusperren müssen?"

Der Handel brauche den Schulterschluss aller Bereiche, zumal dieser auch kein Infektionsherd sei. "Wir können nicht als Letzte in der Reihe Gesundheitspolizei für unsere ganze Gesellschaft spielen."

Keine Demos?

Durchgesetzt hat sich der Handel, was Kundgebungen in Wiens Innenstadt betrifft. Dieses Wochenende soll hier erst ab 18 Uhr demonstriert werden. Jeder, der dies kommenden Sonntag entlang der Geschäfte tue, fördere das Weihnachtsgeschäft des Amazon-Gründers Jeff Bezos, sagt Trefelik.

Für den Handel, dessen Erwerbsfreiheit seit 22 Monaten eingeschränkt sei, der an diesem Tag doppelte Zuschläge bezahle, wären weitere Einbußen durch Demos ein kapitaler Rückschlag, sagt Will. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sei jenem der Erwerbsfreiheit gleichgestellt. Nur an diesem einen Tag brauche es eine Abwägung. Der Kollateralschaden sei ansonsten zu hoch. (Verena Kainrath, 17.12.2021)