Justizministerin Alma Zadić zeigt sich über die Gewaltbereitschaft radikaler Corona-Maßnahmengegner besorgt

Foto: Standard/ Hendrich

Bilder, mit denen ihr ein lascher Umgang mit den Corona-Regeln nachgesagt werden könnte, will sich Justizministerin Alma Zadić ersparen. Zum ästhetischen Leidwesen der STANDARD-Fotografin bleibt die grüne Ressortchefin auch abseits des Gesprächs im barocken Palais Trautson der FFP2-Maske treu. Im Interview spricht sie über die Verfolgung von Hass im Internet, die Verzögerung eines heiklen Termins und die kommunikative Aufrüstung der Justiz.

STANDARD: Sebastian Kurz hat die Politik verlassen. Andere Türkise, gegen die ermittelt wird, sitzen nicht mehr an den Schaltstellen. Hören damit die Angriffe des Koalitionspartners gegen die Justiz auf, und es kehrt Ruhe ein?

Zadić: Der neue Bundeskanzler Karl Nehammer setzt in seiner Rhetorik auf Ausgleich und sucht auch das Gespräch mit den anderen Regierungsmitgliedern und der Opposition. Ich gehe daher davon aus, dass parteipolitische Angriffe auf die Justiz, die gewisse Einzelinteressen verfolgt haben, nicht mehr vorkommen werden. Für mich war es immer wichtig, Angriffe auf die Justiz abzuwehren, weil das zugleich Angriffe auf die Demokratie sind. Es ist mir dabei auch gelungen, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften zu stärken – sowohl durch die Teilung der Strafrechtssektion als auch durch die Reduktion der Berichtspflichten in den großen Korruptionsverfahren.

STANDARD: Die Leiterin der WKStA hat zuletzt dennoch angesichts der vielen und riesigen Verfahren über Personalmangel ihrer Behörde geklagt. Sie fordert etwa zehn weitere Planstellen, wird es die geben?

Zadić: Es ist schon jetzt beim Justizbudget eine Trendwende gelungen. Im vergangenen Jahrzehnt war die Justiz chronisch unterfinanziert. In dieser Regierungsperiode haben wir hingegen endlich mehr Budget verhandeln können, und wir können damit entstandene Budgetlöcher bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften stopfen, die bereits rund zehn Prozent zusätzliche Planstellen bekommen haben. Ich hoffe aber natürlich, dass wir weiter aufstocken können. Was schon bald sichtbar sein wird, sind zusätzliche Kommunikationsexperten für die Staatsanwaltschaften. Da beginnen wir demnächst Personal zu rekrutieren. Bisher war es so, dass in der Öffentlichkeit vor allem Beschuldigte und ihre Anwälte durch Litigation-PR präsent waren. Das ist ihr gutes Recht. Zukünftig sollen aber auch die Staatsanwaltschaften stärker nach außen kommunizieren können und erklären, warum sie wie handeln.

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STANDARD: Apropos Medienarbeit: Die Justiz-Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher hat Zweifel an ihrer eigenen Unabhängigkeit aufkommen lassen, indem sie sich für eine mediale Polemik gegen die WKStA ausgerechnet mit der Kanzlei Ainedter beraten hat, die Beschuldigte im Casinos-Komplex vertritt. Sie selbst haben Frau Aicher Ende November zur Aussprache gebeten. Was kam heraus?

Zadić: Es ist wichtig, dass wir als Justiz als unabhängig wahrgenommen werden. Dass die Optik in dem angesprochenen Fall nicht gelungen ist, ist klar. Darüber werde ich mit der Rechtsschutzbeauftragten im Jänner reden. Es geht dabei aber eben um ihre Medienarbeit und nicht um ihre Beschwerde gegen eine WKStA-Razzia, über die das Oberlandesgericht Wien entscheiden muss.

STANDARD: Warum erst im Jänner? Das Vertrauen ist doch schon wochenlang erschüttert.

Zadić: Der Termin findet auf Wunsch der Rechtsschutzbeauftragten im Jänner statt.

STANDARD: Was auch schon länger auf sich warten lässt, ist die von Ihnen eigentlich für 2020 angekündigte Verschärfung des Korruptionsstrafrechts.

Zadić: Wir haben die entsprechenden Gesetze im Justizministerium mittlerweile fertig vorbereitet, das wird gerade mit der ÖVP abgestimmt. Dass die Verschärfung notwendig ist, hat uns ja das Ibiza-Video vor Augen geführt. Bisher war es nicht strafbar, wenn jemand vor seiner Funktionsperiode als Amtsträger für die Amtszeit Vorteile versprochen und selbst welche entgegengenommen hat. Diese Gesetzeslücke wird im neuen Korruptionsstrafrecht geschlossen.

STANDARD: Wie lässt sich die Strafbarkeit da noch eingrenzen? Immerhin kann jeder irgendwann mal in der Zukunft Amtsträger werden.

Zadić: Das ist tatsächlich ein schwieriger Punkt. Es ist uns aber gelungen, einen erweiterten Amtsträgerbegriff zu schaffen, der nicht ausufert. Um ein wichtiges Kriterium zu nennen: Wenn man für ein Amt kandidiert, wird man sicherlich von dem Begriff umfasst. Außerdem wird auch Mandatskauf strafbar.

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STANDARD: Still geworden ist es um das Informationsfreiheitsgesetz samt Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Die Begutachtung ist schon ein halbes Jahr vorbei, trotzdem ist noch nichts beschlossen. Sind Sie sich sicher, dass das 2023 in Kraft treten kann?

Zadić: Das hoffe ich sehr. Das Paket liegt momentan bei Verfassungsministerin Edtstadler.

STANDARD: Warum dauert das so lange, und woher kommt der Widerstand?

Zadić: Es wurden sehr viele Stellungnahmen abgegeben, die momentan von der Verfassungsministerin eingearbeitet werden. Natürlich gibt es auch Widerstand aus den Gemeinden, die fürchten, dass der Verwaltungsaufwand explodiert, wenn die Bürger ein Recht auf Information bekommen. Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist schlichtweg eine riesige Umstellung. Aber es ist ein Paradigmenwechsel für mehr Transparenz, den wir endlich brauchen. Wir sind das letzte Land Europas, wo das Amtsgeheimnis noch in der Verfassung steht. Ein moderner Staat braucht hingegen ein Informationsfreiheitsgesetz, und ich glaube, dass auch wir das schaffen.

STANDARD: Seit Jahresbeginn gilt das Hass-im-Netz-Gesetzespaket. So können etwa Betroffene die rasche Löschung von Hasspostings in einem Eilverfahren beim Bezirksgericht erwirken. Wird das rege genützt?

Zadić: Da man nur ein Online-Formular ausfüllen muss und nicht bei Gericht anwesend sein muss, ist das ein sehr einfaches Instrument, mit dem man gegen die Verletzung der eigenen Persönlichkeitsrechte vorgehen kann. Die Hassposter, die meist unter Klarnamen aktiv sind, müssen außerdem auch Gebühren für das Verfahren zahlen, sodass sie es sich beim nächsten Mal genau überlegen, was sie posten. Insofern kann ich nur daran appellieren, dass sich Betroffene über dieses unkomplizierte Format melden.

STANDARD: Ich schließe aus diesem Appell, dass die befürchtete Antragsflut bei den Bezirksgerichten nicht eingetreten ist.

Zadić: Nein, das ist nicht passiert. Bisher waren die Anträge insgesamt im zweistelligen Bereich. Da ist noch Luft nach oben, wenn man das etwa mit den Hass-im-Netz Meldungen bei Zara (Zivilcourage-Stelle, Anm.) vergleicht.

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STANDARD: Viel Hass im Internet verbreitet aktuell die Szene der Corona-Leugner. Allerdings meist auf Telegram, das gesetzlich nicht als Kommunikationsplattform definiert ist. Gibt es da für die Justiz eine Handhabe?

Zadić: Die Zusammenarbeit mit Telegram ist leider schwierig, wobei es nach Ansicht der Regierung zumindest zum Teil eine Plattform ist. Wir müssen mehr Druck auf solche Anbieter erzeugen, vor allem auf europäischer Ebene durch den Digital Services Act. Wenn wir die Plattformen europaweit strenger regulieren, gerät auch Telegram mehr unter Zugzwang und muss sich etwas überlegen, um zu kooperieren.

STANDARD: Die radikalen Teile der Impfgegnerszene bedrohen mittlerweile auch Spitäler und Journalisten. Wie geht es Justizmitarbeitern, die etwa gegen Corona-Maßnahmen-Verstöße vorgehen?

Zadić: Es kommt leider immer wieder vor, dass deshalb einzelne Richter und Staatsanwälte bedroht oder im Netz persönlich beschimpft werden. Wir müssen als gesamte Gesellschaft der zunehmenden Gewaltbereitschaft entgegenwirken. Wenn ich lese, dass kürzlich eine Pflegerin auf der Straße tätlich angegriffen wurde, dann finde ich das schockierend. In anderen Ländern wird das Gesundheitspersonal beklatscht.

STANDARD: Noch ein Blick in die nähere Zukunft: Sie wollen in den kommenden Monaten das Kindschaftsrecht reformieren, worum soll es da gehen?

Zadić: Mein Ziel ist eine fortschrittliche und feministische Reform, die Kinderrechte stärkt, gewaltbetroffene Frauen und Kinder besser schützt und alle Familienformen berücksichtigt. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren in ihrem Familienbild modernisiert, das wollen wir im Kindschaftsrecht abbilden mit einem Schwerpunkt auf Geschlechtergleichstellung. Beide Elternteile sollen aktive Care-Arbeit in der Kindererziehung leisten, das soll auch gesetzlich geregelt werden im Zusammenhang mit der Aufteilung der Betreuungspflichten. Zudem will ich das Unterhaltsrecht vereinfachen – momentan wissen Alleinerzieher:innen oft nicht, wie viel ihnen wann zusteht.

STANDARD: Im Wahlkampf 2019 haben sich alle Parteien im Fernsehen für eine Unterhaltsgarantie ausgesprochen. Wird die auch kommen?

Zadić: Wir Grüne sind seit jeher für eine Unterhaltsgarantie, um Kinderarmut zu bekämpfen und die Situation der Alleinerzieherinnen zu verbessern, die in eine prekäre Lage geraten, wenn etwa ihr Ex-Partner zu wenig verdient. Wir werden uns weiterhin für dieses Anliegen einsetzen. (Theo Anders, 17.12.2021)