STANDARD: Wir haben Sie um einen Interview-Termin gebeten, und plötzlich sitze ich mit Ihnen und dem Wiener Planungsdirektor Thomas Madreiter an einem Tisch. Warum denn das?

Ulli Sima: Ich habe mir den Planungsdirektor dazugenommen, falls es Fragen zu historischen Hintergründen gibt, die ich nicht so parat habe.

STANDARD: Sie sind bekannt dafür, dass Sie seit Jahren Dinge in die Kamera halten. Es gibt sogar eigene Sammlungen zu #UlliSimaHoldingThings auf Facebook und Instagram.

Sima: Ich bin sehr aktiv auf Social Media. Von Anfang an habe ich immer irgendwelche Gegenstände mitgenommen und in die Kamera gehalten, die zum dargestellten Thema passen. Mit der Zeit ist dar aus eine Fotoserie entstanden. Die ist natürlich als Veräppelung gedacht, aber ich gebe zu, ich habe selbst auch schon öfter lachen müssen. Mittlerweile ist das ein bisschen ein Markenzeichen geworden. Jetzt werde ich damit auch nicht mehr aufhören.

STANDARD: Was war das Beste, das Sie im ersten Jahr als Planungsstadträtin in Händen gehalten haben?

Sima: XL-Bäume in Wien-Neubau und auf der Donauinsel. Wir haben eine Firma gefunden, die 15 bis 35 Jahre alte Bäume mit kleinen Wurzelballen verpflanzt, die von Anfang an Schatten spenden.

STANDARD:Und das Blödeste?

Sima: Sicher irgendeine Tafel.

STANDARD: Bleiben wir gleich beim Thema Tafel. Als Sie Stadträtin wurden, haben Sie damit begonnen, bei sämtlichen Erholungsgebieten Tafeln mit Ihrem Konterfei aufzustellen. Wozu braucht es das?

Sima: Dass es bei Parkanlagen Eingangstafeln gibt, das hat es vor meiner Zeit auch schon gegeben.

STANDARD: Nicht mit dem Konterfei der Stadträtin. Ein Beispiel sieht man bei der neu gestalteten Kaiserbadschleuse am Donaukanal. Die zuständige Landschaftsarchitektin Carla Lo wird auf dieser riesigen Tafel dafür mit keinem Wort erwähnt. Ist das das richtige Zeichen als Planungsstadträtin?

Sima: Wenn Sie glauben, ich sitze da und schreibe die Tafeln selbst, dann liegen Sie falsch. Aber gut, wir werden uns das anschauen und in Zukunft berücksichtigen.

STANDARD: Wenn wir einen Blick auf die letzten Wochen werfen, fällt auf: Sie sprechen viel über Autobahntunnels und Stadtstraßen. Campieren die Umweltaktivisten noch immer?

Foto: Corn

Sima: Ja. Die Aktivisten besetzen die Baustelle seit über drei Monaten. Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Seestadt Nord ist die Stadtstraße eine Auflage. Das heißt: Ohne Stadtstraße können wir die Seestadt nicht weiterbauen. Es wird also bald einen Wohnungsbaustopp geben. Im Klartext also: Wenn wir die Stadtstraße nicht bauen, ziehen wir den Stecker von der Stadtentwicklung im Norden Wiens – und damit von einem großen Beitrag zur Entlastung des Wiener Wohnungsmarktes.

STANDARD: Gleichzeitig gibt es das Ziel der Stadt Wien, den Autoanteil bis 2025 um 20 Prozent zu reduzieren. Und Sie haben sich dafür ausgesprochen, Wien bis 2040 klimaneutral zu machen. Sogar der von der Stadt Wien eingesetzte Klimarat kritisiert, dass sich das kaum ausgehen wird.

Sima: Die Öffis sind das Verkehrsmittel Nr. 1 in Wien. Dass wir jetzt sagen, wir bauen jetzt gar keine Straßen mehr, obwohl Wien wächst – das geht aber auch nicht. Außerdem gibt es einen gewissen Investitionsstau aus grüner Vorzeit, was den Straßenausbau betrifft. Den muss ich jetzt ausbaden. Verkehrsplanung ist keine Milchmädchenrechnung.

STANDARD: In einem Interview mit dem "Falter" haben Sie gemeint, dass Ihre beiden Vorgängerinnen Maria Vassilakou und Birgit Hebein verbrannte Erde hinterlassen hätten. Sehen Sie das heute immer noch so?

Sima: Da ging es um die Pop-up-Radwege. Verbrannte Erde? Ja, leider, das sehe ich heute immer noch so, denn es wurden dabei unterschiedliche Nutzergruppen im Verkehr gegeneinander ausgespielt.

STANDARD: Verbrannte Erde gibt es jetzt auch am Naschmarkt. Die von Ihnen vorgeschlagene Markthalle wird von vielen kritisiert. In den Fenstern der Anrainer sind bis heute gelbe Protest-Banner gegen die Aktion zu finden.

Sima: Das ist ein Thema, das mich persönlich sehr geärgert hat, weil hier gewisse Dinge bewusst falsch dargestellt wurden. So ist das scheinbar in der politischen Debatte. Wir haben hier einen 12.000 Quadratmeter großen, nicht besonders schönen Parkplatz – und damit auch einen Hitze-Hotspot. Ich möchte den Ort begrünen und stelle mir einen Standort für lokale Produzenten aus Wien und Umgebung vor. Das wurde missverstanden.

STANDARD: Wie ist der Status quo?

Sima: Wir werten die Bürgerbeteiligung gerade aus. Covid ist uns dazwischengekommen. Anfang 2022 werden wir veröffentlichen, wie die weiteren Schritte aussehen.

STANDARD: Wird es eine Verbauung geben?

Sima: Fix ist: viel Grün und viel Cooling. Der Rest ist noch nicht entschieden.

STANDARD: Eine Tendenz?

Sima: Nein.

STANDARD: Sie sind seit gut einem Jahr Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität. Wie lautet denn Ihre eigene Bilanz nach zwölf Monaten im Amt?

Sima: Ich war intensiv damit befasst, die liegengebliebenen Projekte meiner Vorgängerinnen aufzuarbeiten. Ich habe einen großen Berg an Bürgerbeteiligungsverfahren vorgefunden, die niemals realisiert wurden. Mein Ziel in diesem ersten Jahr war, diese Verfahren anzupacken und auf den Weg zu schicken. Bald werde ich diesen Teil abschließen können.

STANDARD: Bislang haben wir vor allem über die Bereiche Stadtplanung und Mobilität gesprochen. Wo ist die Innovation?

Sima: Ganz ehrlich, Innovation ist wichtig, aber bislang habe ich mich vor allem mit Stadtplanungsthemen und der Stadtstraße beschäftigen dürfen.

STANDARD: Ihre Pläne für die Zukunft?

Sima: Ich habe viel vor. Meine Visionen sind so vielfältig, dass das fast einem Wimmelbild gleicht. Kann ich Ihnen einen Film dazu schicken?

STANDARD:Abschlussfrage: Ich habe mich im Vorfeld ein bisschen umgehört. Viele beklagen, dass Sie im Gegensatz zu Ihren beiden Vorgängerinnen Maria Vassilakou und Birgit Hebein in der Architekturszene kaum greifbar sind. Auch ich musste ein halbes Jahr lang auf einen Interview-Termin warten. Was sagen Sie dazu?

Sima: Wir sind mitten in einer Pandemie. Es gab noch nicht viele Gelegenheiten, wo man sich hätte begegnen können. Nach Corona wird man mich bei vielen Veranstaltungen antreffen. (Wojciech Czaja, 19.12.2021)