Neben der Frauenforschung, den Genderstudies, entwickelte sich auch der Forschungsbereich Women’s and Gender History.

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Der Blick auf unser historisches Erbe ist stark männlich geprägt, Frauen wurden in der Geschichtswissenschaft lange Zeit kaum berücksichtigt. Ausgehend von einer wieder stärker werdenden Frauenbewegung Ende der 1960er-Jahre rückten auch Frauen als handelnde Personen in der Geschichte stärker ins Blickfeld. Neben der Frauenforschung, den Genderstudies, entwickelte sich in weiterer Folge auch der Forschungsbereich Women’s and Gender History.

Mittlerweile gibt es an vielen Hochschulen eigenständige Bachelor- und Master-Studiengänge sowie Doktoratsprogramme im Bereich Genderstudies. Doch nach wie vor muss dieser Fachbereich oft um seine wissenschaftliche Anerkennung kämpfen. So etwa mit dem Aktions- und Wissenschaftstag #4Genderstudies am 18. Dezember. An diesem Tag werden aktuelle Themen der Genderstudies breit diskutiert und bearbeitet.

Frauenspuren

Für den Fachbereich Frauen- und Geschlechtergeschichte gibt es mit Matilda – European Master in Women’s and Gender History seit 2008 ein von der Europäischen Union gefördertes Joint Degree Masterprogramm. Insgesamt sind sechs europäische Hochschulen daran beteiligt. Mittlerweile sind zwei davon in Wien. Denn auch die ungarische Central European University (CEU) ist Teil des Konsortiums. Und diese kam nicht zuletzt wegen eines umstrittenen Hochschulgesetzes der rechtskonservativen Regierung unter Staatschef Viktor Orbán 2017, das auch als Lex CEU bezeichnet wird, massiv unter Druck. Teile der Hochschule übersiedelten auf einen neuen Campus nach Wien. Nun wird das Studienprogramm Matilda in Wien angeboten. Neben der CEU sind auch die Uni Wien, die Université Lumière Lyon 2 (Frankreich), die Sofia University St. Kliment Ohridski (Bulgarien), die Università degli Studi di Padova (Italien) und die Ruhr-Universität Bochum daran beteiligt.

Namensgeberin für das zweijährige Studium ist die US-amerikanische Wahlrechtskämpferin Matilda Joslyn Gage. Neben den beiden Ikonen der US-amerikanischen Wahlrechtsbewegung, Elizabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony, wurde ihre Leistung für das Wahlrecht lange Zeit unterdrückt. 1993 benannte die Wissenschaftshistorikerin Margaret W. Rossiter das Verschweigen der wissenschaftlichen Leistungen von Frauen nach ihr als Matilda-Effekt.

Geschlechtergeschichte

Das zweijährige Studienprogramm bietet Studierenden die Möglichkeit, mit renommierten Wissenschafterinnen und Wissenschaftern der Frauen- und Geschlechtergeschichte in Kontakt zu treten. Der Lehrplan kombiniert Kernelemente mit Wahlfächern, die von der mittelalterlichen bis zur zeitgenössischen (Frauen- und Geschlechter-)Geschichte reichen. Ein Auslandssemester an einer Partneruniversität ist verpflichtend.

"Das Interesse am Studienprogramm ist seit Beginn an groß", sagt Susan Zimmermann, Professorin an der CEU. Das Studium eröffne nicht nur Historikerinnen oder Soziologinnen neue Perspektiven. Bewerbungen sind an allen Partneruniversitäten möglich, an der CEU würden sich zwischen 40 und 50 Interessenten bewerben, maximal fünf Studierende können aufgenommen werden.

Inhaltlich gehe es nicht nur um den Beitrag von Frauen zur Geschichte, sondern auch um die Konstruktion von Männlichkeit in der Geschichte, den historischen Wandel der Ungleichheitsbeziehungen der Geschlechter und die Auswirkungen von Gleichheit und Ungleichheit der Geschlechter auf die Geschichte insgesamt. (Gudrun Ostermann, 21.12.2021)