Rudolf Striedinger ist neuer "Chief Operating Officer" der gesamtstaatlichen Krisenkoordination. Der 60-Jährige fiel in der Vergangenheit durch einige umstrittene Aktionen auf, er war auch Leiter des Abwehramts

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Aus rund 25 Personen wird die neue gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination (Gecko) bestehen, die schon kommende Woche ihre Arbeit aufnehmen soll. Es seien die "besten Köpfe des Landes", wie Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Samstag etwas gar überschwänglich formulierte. Tatsächlich aber sind zahlreiche in ihrem Gebiet renommierte Expertinnen und Experten mit an Bord, die meisten haben schon bisher eine wichtige Rolle in den diversen Corona-Beraterstäben und Gesundheitsorganisationen der Republik gespielt. Neu dabei ist etwa die Journalistin und Buchautorin Ingrid Brodnig, die sich seit Jahren mit Internet-Hass, Fake News und Social Media beschäftigt.

Der STANDARD stellt in Kurzporträts einige wesentliche Akteurinnen und Akteure vor, die sich in den kommenden Monaten unter dem Namen Gecko versammeln und zu Omikron, Teststrategien, Impfpflicht und Co. austauschen werden.

Das Führungsduo

Geleitet wird das neue Gremium von einer medizinisch-militärischen Doppelspitze. Für die Zusammenführung der gesundheitlichen Expertise ist Katharina Reich aus dem Gesundheitsministerium zuständig; die Koordination der operativen Agenden übernimmt Generalmajor Rudolf Striedinger aus dem Verteidigungsministerium.

KATHARINA REICH: Die 43-Jährige ist seit einem Jahr Chief-Medical-Officer und leitet damit die riesige Sektion VII im grün geführten Gesundheitsministerium. Ihre Karriere begann sie nach dem Medizinstudium in Wien bei den Barmherzigen Brüdern und wurde dort 2013 zur ärztlichen Direktorin.

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2018 wechselte sie in den Wiener Gesundheitsverbund, wo sie als Vizedirektorin der Klinik Hietzing den Corona-Krisenstab leitete, bevor sie vom damaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober im Dezember 2020 als Chief-Medical-Officer in das kriselnde Ressort geholt wurde. Zum Start der Impfungen in Österreich vor rund einem Jahr wurde Reich durch einen eher verunglückten Auftritt in der "ZiB 2" bekannt, für den sie vorab sichtlich nicht ausreichend von der Regierung gebrieft worden war. Sie scheute sich im Laufe des Jahres aber auch nicht, politische Entscheidungen aus fachlicher Sicht zu hinterfragen. So kritisierte sie Anfang September, dass damals die FFP2-Maskenpflicht im Handel nur für Ungeimpfte – und nicht für alle – vorgeschrieben wurde.

RUDOLF STRIEDINGER: Seit dem Sommer ist der 60-Jährige stellvertretender Generalstabschef des Bundesheers und bleibt das auch neben seinem neuen Job bei Gecko. Für Aufsehen sorgte Striedinger im Frühjahr in seiner Funktion als Stabschef von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), indem er den sogenannten "Maulkorb-Erlass" verfasste. Dieser war eine Reaktion auf Soldaten und Soldatinnen, die krude Verschwörungstheorien rund um Corona verbreiteten; die ursprüngliche Version des Erlasses musste das Verteidigungsministerium allerdings rasch entschärfen, weil sie die Meinungsfreiheit zu stark eingeschränkt hätte.

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Von 2016 bis 2020 war Striedinger Leiter des Abwehramts, in diese Position wurde er von Minister Hans Peter Doskozil (SPÖ) bestellt. Für Kritik sorgte er in der türkis-blauen Ära, weil er in Heeres-Uniform auf einer Veranstaltung der Europäischen Volkspartei mit Sebastian Kurz zugegen war. Das Tragen der Uniform ist jedoch bei parteipolitischen Veranstaltungen verboten. Striedinger rechtfertigte sich später damit, dass auf der Einladung der parteiische Charakter der Veranstaltung nicht ersichtlich gewesen sei.

Bevor er Abwehramtschef wurde, war Striedinger Militärkommandant von Niederösterreich. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner erblickt darin nun ein gutes Zeichen, dass sich er auf verschiedenen föderalen Ebenen zurechtfinde: Das sei im Pandemiemanagement von Vorteil, meint Tanner.

Die Expertinnen und Experten

EVA SCHERNHAMMER: Die Ärztin und Professorin für Epidemiologie forscht an der Medizinischen Universität Wien, wo sie die Abteilung für Epidemiologie am Zentrum für Public Health leitet. Schernhammer ist auch Mitglied im Covid-Beraterstab, der beim Obersten Sanitätsrat des Gesundheitsministeriums angesiedelt ist, sie hat also in der Pandemie Erfahrung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik gesammelt.

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Anfang Dezember trat sie auch bei einer Pressekonferenz mit der Regierung und Landeshauptleuten auf und repräsentierte dabei die Gesundheitsexperten, mit denen sich die Politik ausgetauscht hatte. Die Aufhebung des generellen bundesweiten Lockdowns erklärte sie dabei für vertretbar. Als Expertin für die Ausbreitung des Virus ist Schernhammer einer breiteren Öffentlichkeit seit Pandemiebeginn durch regelmäßige Medien-Interviews bekannt. Im Sommer diesen Jahres wartete sie allerdings mit einem Übermaß an Optimismus auf: Sie stellte ein baldiges Pandemieende in Aussicht und stufte die Wahrscheinlichkeit eines neuerlichen Lockdowns gleich "null" ein – es sollte bekanntlich anders kommen.

THOMAS STARLINGER: Er hat eine Laufbahn beim Bundesheer hinter sich und war dabei auch in zahlreichen Auslandsmissionen tätig.

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Ab 2017 war der parteilose Generalmajor militärischer Sicherheitsberater von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. 2019 übernahm er zwischendurch in der Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein für ein halbes Jahr das Amt des Verteidigungsministers. 2020 rief Starlinger gemeinsam mit Sebastian Kurz' damaliger Kanzlerberaterin Antonella Mei-Pochtler die "Covid-19 Future Operations Plattform" ins Leben, deren Ziel die Vernetzung von Wissenschaft und Politik für die Pandemiebewältigung war. Starlinger war außerdem maßgeblich an der Entwicklung der "Alles Gurgelt"-Logistik in Wien beteiligt.

NIKI POPPER: Der Mathematiker und Simulationsforscher ist seit Pandemiebeginn öffentlich sehr präsent und saß schon ab Frühjahr 2020 im Corona-Taskforce-Beraterstab des Gesundheitsministeriums.

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Popper liefert mit seinem Team an der Technischen Universität Wien Computermodelle zur Vorhersage der Dynamik des Infektionsgeschehens, auf die sich auch das Covid-Prognosekonsortium des Gesundheitsministeriums stützt. Als Experte beriet Popper schon bisher die Regierung regelmäßig vor deren Treffen mit den Landeshauptleuten.

INGRID BRODNIG: Sie schrieb als als Journalistin jahrelang für die Wiener Wochenzeitung Falter über Netzthemen und Medienpolitik; 2015 wechselte sie für zwei Jahre zum Nachrichtenmagazin Profil.

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Seit einiger Zeit tritt sie vor allem als Expertin und Buchautorin zu Hass im Netz, Cybermobbing und den Gefahren von Social Media in Erscheinung. Seit Beginn der Pandemie widmet sie sich die 37-Jährige intensiv der Analyse der Verschwörungsmythen in der Corona-Verharmloser-Szene. Bei Gecko wird die Regierung Brodnig wohl fragen, wie sich Zögerliche, die noch ungeimpft sind, doch noch erreichen lassen und was sich gegen ein Abdriften von Teilen der Gesellschaft kommunikativ unternehmen lässt. Mit dem STANDARD sprach Brodnig im Herbst darüber, wie sich die überzeugten Impfgegner politisch mobilisieren.

MARKUS MÜLLER: Der Professor für Innere Medizin und Klinische Pharmakologie ist seit 2015 Rektor der Med-Uni Wien.

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2018 wurde Müller unter Beate Hartinger-Klein erstmals Chef des Obersten Sanitätsrats (OSR), einem gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsgremium der Gesundheitsministerin bzw. des Gesundheitsministers. Anfang 2021 wurde er nach einer Pause erneut OSR-Vorsitzender, nachdem die eigentlich notwendige Neubesetzung des Gremiums zuvor von der Politik anderthalb Jahre lang schlicht ignoriert worden war. In einem STANDARD-Interview befand der Mediziner im März diesen Jahres, dass die Länder im österreichischen Gesundheitssystem zu viel Macht hätten. Er pocht auf mehr zentrale Steuerung und widerspricht damit der Auffassung von Chief-Medical-Officer Katharina Reich, die am Samstag die Kompetenzverteilung des Föderalismus anpries.

Auch Länder und Kammern dabei

Die weiteren Expertinnen und Experten im Schnelldurchlauf:

  • Elisabeth Puchhammer-Stöckl, Virologin
  • Andreas Bergthaler, Molekularbiologe und Mutationsexperte
  • Herwig Kollaritsch, Infektiologe
  • Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich
  • Christiane Druml, Juristin und Leiterin der Bioethikkommission
  • Reinhard Schnakl, Leiter Staatliches Katastrophenmanagement (SKKM) im Innenministerium
  • Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes
  • Oswald Wagner, Labormediziner und Vizerektor der Med-Uni Wien
  • Karl Stöger, Verfassungsjurist

Darüber hinaus sind die Kammer-Chefs der Ärzte- und Apothekerschaft bei Gecko repräsentiert: Thomas Szekeres von der Ärztekammer und Ulrike Mursch-Edlmayer von der Apothekerkammer. Auch die Sozialpartner sowie die Sozialversicherung dürfen je eine Person nominieren, deren Namen stehen noch nicht fest. Hinzu kommen die Landesamtsdirektoren von Tirol und Vorarlberg – jene Bundesländer, die aktuell und künftig der Landeshauptleutekonferenz vorsitzen. (Theo Anders, 18.12. 2021)