Am Samstagnachmittag konnten die Demonstrierenden Polizeisperren in der Wiener Innenstadt überwinden.

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Nach der Standkundgebung am Schwarzenbergplatz begaben sich mehrere Hundert Demonstrierende auf die Mariahilfer Straße, die viele Wienerinnen und Wiener für ihre Weihnachtseinkäufe nutzten.

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Die Polizei hat am Samstagnachmittag in Wien die Kontrolle über eine Kundgebung von Corona-Verharmlosern und Impfgegnern verloren. Die Kundgebung war von der Partei MFG (Menschen Freiheit Grundrechte) als Standkundgebung zu Mittag am Schwarzenbergplatz angemeldet gewesen und zunächst ruhig verlaufen. Danach setze sich laut Polizeiangaben aber die Mehrzahl der rund 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem unangemeldeten Marsch in Bewegung. Die Landespolizeidirektion Wien schrieb auf Twitter:

Allerdings gelang es der Polizei eben nicht, die Demo aufzuhalten: Die Sperre wurde von den Demonstrierenden durchbrochen.

Die Situation war bis zum frühen Samstagabend unübersichtlich. Hunderte Menschen zogen demonstrierend durch die Wiener Innenstadt – auch entlang der Mariahilfer Straße, einer Einkaufsstraße, die am letzten Samstag vor Weihnachten naturgemäß stark von Konsumentinnen und Konsumenten frequentiert wurde. An mehreren Orten in der Wiener Innenstadt kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden.

Ein Teil des Demo-Zugs bahnte sich seinen Weg über die Wiener Ringstraße und die Mariahilfer Straße bis zum Heldenplatz und von dort über Kohlmarkt und Graben zum Stephansplatz, wo die rund 150 Personen umfassende Versammlung von der Polizei aufgelöst wurde.

Stephansdom musste bewacht werden

Die Versammlung der Protestierenden vor dem Stephansdom war besonders deshalb heikel, weil dort seit einigen Monaten eine Impfstraße eingerichtet ist, in der Corona-Schutzimpfungen verabreicht werden. Die Polizei bewachte, wie schon bei früheren Demonstrationen, die Impfstraße, um mögliche Gefahrensituationen abzuwenden. Zu einer Eskalation dürfte es am Stephansplatz aber nicht gekommen sein.

Zwischenzeitlich kam es am Ring durch die chaotische Entwicklung zu Blockaden der Straßenbahnverbindungen und Buslinien in der inneren Stadt. Am frühen Abend vermeldeten die Wiener Linien allerdings, dass nun wieder alles fährt.

Polizei bestätigt Festnahmen

Ebenfalls am frühen Abend konnte die Polizei offenbar Teile des Geschehens wieder in den Griff bekommen. Wie auf "Puls24" und via Twitter berichtet wurde, gab es bereits mehrere Einkesselungen von Demonstrantinnen und Demonstranten durch die Polizei. Wie die Landespolizeidirektion Wien am Sonntag berichtete, wurden sieben Menschen infolge der Proteste festgenommen. 309 Anzeigen stellten die Beamten aus. Ein Polizist wurde leicht verletzt

38 Veranstaltungen angezeigt

Insgesamt waren für den Samstag 38 Versammlungen angezeigt worden, wovon neun untersagt und eine zurückgewiesen wurden. Der Großteil der zugelassenen Veranstaltungen betraf dabei nicht Kundgebungen gegen Corona-Maßnahmen, sondern hatte etwa Tier- und Klimaschutz zum Inhalt.

Anders als in den vergangenen Wochen sammelten sich am frühen Nachmittag die Demonstrierenden zuerst kaum am Heldenplatz, wo sich ein großes Polizeiaufgebot befand. Vielmehr zog man meist in kleineren Gruppen mit Fahnen oder Transparenten von verschiedenen Orten der Stadt in Richtung Schwarzenbergplatz. Beim Hochstrahlbrunnen gab es dann Reden gegen "Test- und Impfstress", wobei Teilnehmer teils zwischen Kundgebung und Weihnachtsmarkt am Karlsplatz pendelten.

Kritik an der Polizei

Die Polizei hatte angekündigt, am Wochenende in der Wiener Innenstadt größere Demonstrationen erst ab 18 Uhr zu erlauben. Grund dafür ist das einzige Einkaufswochenende im Advent – aufgrund der Schließung während des Lockdowns dürfen die Geschäfte auch am Sonntag öffnen. Daher wurde etwa die dann eskalierte MFG-Veranstaltung nur als Standkundgebung zugelassen. Man habe dabei jede Versammlungsanzeige "sorgfältig" geprüft, hieß es von Seiten der Polizei. Dabei sei das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit etwaigen anderen Grundrechten abgewogen worden, wie etwa das öffentliche Interesse am Recht auf Erwerbsfreiheit.

Nachdem die Situation am Nachmittag derart eskaliert ist und sich die vergleichsweise geringe Zahl Demonstrierender über Polizeiabsperrungen hinwegsetzen konnte, wurden auch Stimmen laut, die ein Versagen der Polizei kritisierten.

"Dramatische Auswirkungen. Überforderte Polizei. PP [Anm.: Polizeipräsident] Pürstl trägt hier Verantwortung", schrieb die ehemalige Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, aber auch der Vorsitzende der Bierpartei Marco Pogo und Nationalratsabgeordnete David Stögmüller (Grüne) fanden kritische Worte.

Demonstrationen auch in Klagenfurt und Innsbruck

Aber am Samstag wurde auch andernorts demonstriert: Bis zu 2.000 Teilnehmer demonstrierten am Samstag in Klagenfurt gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Zur Demonstration aufgerufen hatte auch dort die Partei MFG, die erst am Freitag die Gründung ihrer Kärntner Landesgruppe bekanntgegeben hatte. Wie die Polizei der APA mitteilte, sei es zu keinen "Eskalationen oder gröberen Zwischenfällen" gekommen, die Stimmung war demnach friedlich. Lediglich Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Corona-Maßnahmen habe es gegeben.

In Innsbruck versammelten sich Samstagnachmittag am Landhausplatz gegen 15.00 Uhr rund 800 Menschen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Die Demonstration sei nicht angemeldet gewesen, sagte Polizeisprecher Stefan Eder der APA. Die Teilnehmer würden nun durch die Innenstadt ziehen. Über etwaige Anzeigen war vorerst nichts bekannt. (ta, lew, APA 18.12.2021)