Eine Demonstration für die Rechte von Tieren Anfang Dezember in Madrid.

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Im Nordosten Spaniens gehen derzeit die Wellen hoch. "Hier sollen überall Ställe gebaut werden, selbst der Fahrweg wird verschwinden", sagt Armando Pérez Ruiz und lässt seinen Blick über die weite Landschaft schweifen. "Die haben mittlerweile 900 Hektar Land aufgekauft", fügt er hinzu.

"Die" – das ist das Unternehmen Valle De Odieta aus dem nordspanischen Navarra, das im Dorf Noviercas eine Milchproduktion hochziehen will, wie es sie in diesem Ausmaß sonst nirgends in Europa gibt. 23.520 Milchkühe sollen zwei Kilometer außerhalb des Ortes in 120 Hektar großen Stallungen gehalten und gemolken werden. 120 Hektar, das ist rund ein Viertel des Wiener Praters.

"Keine Rinderfarm, eine Fabrik"

"Das ist keine Rinderfarm, das ist eine regelrechte Fabrik", beschwert sich Pérez. Der 54-jährige Landwirt, der vom Getreideanbau lebt, glaubt an Nachhaltigkeit, an kleine Unternehmen, wenn Noviercas eine Zukunft haben soll. Eine "Makro-Rinderfarm" – die größte in Europa und die Nummer fünf weltweit – passt nicht in sein Bild von Land und Dorf. Natürlich hat er, anders als viele im Ort, keine Ländereien verkauft.

Pérez und Montse García, seine Ehefrau, sind Pioniere in mehrfacher Hinsicht. "Wir waren 1980 das erste junge Paar, dass nicht in die Städte wie Soria, Madrid, Zaragoza oder Barcelona abwanderte, sondern wieder im Dorf ein Auskommen suchte", erzählt García. Ihre drei Töchter waren die ersten Kinder seit langem. Mittlerweile leben mehr junge Paare im Ort. Gründe, gegen die Riesenfarm zu sein, gebe es abgesehen vom Tierschutz genug.

Gewaltiger Ressourcenverbrauch

Eine solche Farm braucht so viel Wasser wie eine Kleinstadt mit rund 16.000 Einwohnern. Sie würde jährlich 574.200 Tonnen CO2 ausstoßen, so viel wie 122.000 Autos. Geplant ist ein Jauchebecken, das 70.000 Quadratmeter groß ist und acht Meter tief. "Sie versprechen, dass sie all das reinigen, aber bei solchen Mengen ist das nur schwer vorstellbar", sagt Pérez, der um das Grundwasser fürchtet. Hinzu kommt der Mist. Die Menge an Exkrementen würde sich auf 368.000 Tonnen belaufen, fast so viel, wie in Spaniens größten Städten Madrid und Barcelona zusammen anfällt. Das alles hat die Umweltorganisation Greenpeace berechnet. Dennoch sind die Gegner im Ort in der Minderheit.

Von den Befürwortern des Projekts will keiner Rede und Antwort stehen. So etwa hier in der Garage, wo sie landwirtschaftliches Gerät reparieren. Hier sind alle für die Riesenfarm, haben Äcker verkauft, das weiß jeder im Ort. Doch darauf angesprochen, mault einer nur: "Manchmal ist es besser, zu schweigen, wenn die Presse kommt." Er dreht sich weg. Nur Juan Manuel, der seinen Nachnamen nicht nennen will, bleibt stehen. "Das Thema hat das Dorf entzweit, darum ist es besser, nicht allzu viel zu reden", erklärt er. Er selbst habe "ein paar weit abgelegene Äcker" verkauft hat. "Wir leben in Soria, eine halbe Autostunde entfernt", sagt Juan Manuel und dreht sich dann auch weg.

Befürworter mit kargen Argumenten

Auch die Gemeinderäte leben nicht im Dorf. So wohnt auch Bürgermeister Pedro Jesús Millán Pascual im eineinhalb Autostunden entfernten Zaragoza. Er kommt immer dienstags nach Noviercas, um seine Amtsgeschäfte zu erledigen. Zu Pérez und García sagt er nicht einmal mehr "Buenos días".

Millán Pascual befürwortet die Makrofarm ebenso wie die Provinzverwaltung und die Regionalregierung von Castilla León. Auf die Frage, was er sich davon verspreche, erklärt er nur: "Ich gebe keine Stellungnahmen ab." Im Dorf aber weiß jeder, was Milláns Argumente für die Ansiedlung der Makro-Farm sind. "Auf der Versammlung im Februar 2019, als uns das Projekt vorgestellt wurde, war viel davon die Rede, das dies das Dorf rette", erinnert sich Miguel García, der einzige der es auf der Liste der Unabhängigen in den Gemeinderat geschafft hat. Der 65-jährige pensionierte Lehrer ist der Bruder von Montse García und somit der Schwager von Pérez. "Es schaffe Arbeitsplätze, bringe Leute ins Dorf", erinnert sich García.

Prekäre Arbeitsbedingungen

Doch García glaubt nicht daran. Denn es gibt eine Studie der spanischen Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción, die genau das Gegenteil zeigt. Wo in Spanien Massentierhaltung angesiedelt wurde, wanderten noch mehr Menschen ab als eh schon. "Solche Betriebe bieten nur sehr prekäre Arbeitsbedingungen, das schafft keine stabile Bevölkerung", erklärt García, und für den Rest würden sich die Lebensbedingungen verschlechtern. Viele hoffen, dass das Makroprojekt doch nicht gestoppt werden kann. (Reiner Wandler, 20.12.2021)