Während Ärzte beim Smalltalk vorzugsweise zu Krankheiten befragt werden – sehr oft ringt man Medizinern sogar Ferndiagnosen ab –, kommt der professionelle Autotester im gesellschaftlichen Diskurs um das Thema Auto nicht herum. Mit folgenden Fragen ist jederzeit zu rechnen: Was fährst du selbst für ein Auto? Welches Auto würdest du dir kaufen? Bei mir quietscht es vorne links, was kann das sein? (Wohlgemerkt, er sagt bei mir, nicht bei meinem Auto.) Darauf habe ich aber eine einfache Antwort, nämlich, ich bin Ingenieur, nicht Mechaniker, ein Satz, der meiner Hochachtung vor den Praktikern unter Hebebühnen und in Montagegruben entspringt.

Die wilden Jahre sind vorbei: Hätte mir gerne ein Elektroauto gekauft. Aber wenn ich den ganzen Bogen meiner Bedürfnisse und Absichten in einem Auto abbilde und auf den finanziellen Hintergrund projiziere, geht sich das leider noch nicht aus. Vielleicht bin ich auch nur in die GAU-Falle geraten, wonach der Mensch sein Auto immer nach dem "größten anzunehmenden Urlaub" aussucht. Fast 1.000 Kilometer Reichweite!
Foto: Stockinger

Welches Auto kauft also jemand, der nach mehr als 40 Berufsjahren als Motorjournalist mit allem gefahren ist, das vier Räder hat, außer dem sechzehnzylindrigen Bugatti? (Er wird mir ewig fehlen in meiner Sammlung.)

Verantwortung für die Zukunft der nachfolgenden Generationen muss auch ernst genommen werden. Dabei ist ein ideologischer Denkansatz zwar vorstellbar, aber in meinem persönlichen Rechenmodell nicht darstellbar. Ich halte das Elektroauto für die einzige sinnvolle Perspektive im Rahmen eines umweltfreundlichen individuellen Privatautoverkehrs in Europa. Deshalb werden Elektroautos auch steuerlich bevorzugt, und es gibt Förderungen dafür.

Elektrokombis Fehlanzeige

Das Auto, das ich aber brauche, gibt es in elektrisch noch nicht – oder erst in einer viel höheren Preisliga. Und: Für die Umwelt ist es grundsätzlich besser, wenn man nur ein Auto hat, das möglichst alle Bedürfnisse abdeckt, bevor man drei Autos braucht, um seinen vielfältigen Alltag zu bestreiten.

Deshalb habe ich mich für ein in alle Richtungen ausoptimiertes multitalentiertes konventionell angetriebenes Auto entschieden. Sehr effizient, weil Diesel. Sehr sauber, weil abgasgereinigt nach den allerjüngsten Methoden der Abgasreinigungskunst. Kräftig im Drehmoment (280 Nm), moderat in der Leistung (85 kW / 115 PS) und sehr zurückhaltend im CO2-Ausstoß (121 g/km nach WLTP). Und mit 1.500 kg Anhängelast kann ich im Urlaub einen kommoden Wohnwagen anhängen.

Das ist zugleich eine meiner ökologisch größten Sünden: mit dem eigenen Schrebergartenhaus durch die Gegend kurven zu wollen. Und nicht einmal billig ist es, aber man lernt auf Campingplätzen im Durchschnitt die interessanteren Leute kennen als in Hotels und Pensionen.

Der erste Gedanke: Leiste dir mal was Lustiges, zum Beispiel einen Jeep Renegade. Fällt zwar unter die Kategorie SUV, ist aber im Grunde ein punkerter Kompaktwagen mit etwas Cowboycharme, gebaut gemeinsam mit dem nicht minder molligen Fiat 500 X. Hab dann aber einen Rückzieher gemacht, entweder weil mich der Mut zur Hässlichkeit verlassen hat oder weil mir der Verkäufer nicht sympathisch war. So was kann ich oft nicht auseinanderhalten.

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Der November kurz vor dem vierten Lockdown war nämlich eine schwierige Zeit zum Autokaufen. Man hatte entweder die Wahl, einen absoluten Ladenhüter zu bestellen, eine Lieferzeit von vielen Monaten, ja Jahren zu akzeptieren oder zuzusehen, wie sich das Angebot an jungen Gebrauchten quasi in Echtzeit in Luft auflöste.

Ich musste zuschlagen. Schnell wie eine Tarantel.

VW Golf Sportsvan in Hollabrunn. Echt gutes Foto auf Willhaben. Außenfarbe Weiß, sehr schön. War ein Auto aus Deutschland, hat offenbar trotz größter Autoengpässe in ganz Deutschland bei niemandem Erbarmen hervorgerufen, kein Wunder, ungewaschen, stank unerträglich intensiv nach Tschick. Der Verkäufer meinte, er rieche ohnehin nichts wegen seiner Long-Covid-Folgen. Soll er die Kiste gleich selber behalten.

Sehr schnell war auch klar: VW Golf, Škoda Octavia, Seat Leon, egal ob Kombi oder Limousine, alle nur mehr in Nacktversion zu kriegen. Offenbar Dienstwagen, die ursprünglich im Rahmen von Mitarbeiter-Demütigungsprogrammen in Verkehr gesetzt wurden und nun als Einzige auf den Gebrauchtwagenplätzen übrig geblieben sind. Warum ich Peugeot, Toyota und so manch andere gar nicht erst erwähne, bleibt mein Geheimnis.

Dann aber schnell die Erkenntnis: Kia Ceed oder Hyundai i30, wenn möglich Kombi, mit viel Glück auch noch mit Automatik, einigermaßen komplett ausgestattet. Davon gab es noch ein paar in hübschen Farben. Meine größte Furcht war nicht, dass ich am Ende überhaupt im falschen Auto sitzen würde, nein, mehr Sorgen machte mir der Gedanke, nun viele Jahre mit der falschen Farbe leben zu müssen. Das sind also die wirklich brennenden Sorgen nach 40 Jahren Autotesten.

Wien, Opel Beyschlag: Kia Ceed Kombi Automatik, schneewittchenweiß. Leider schon weg. Hyundai-Händler nahe Amstetten: i30 Kombi Automatik, dunkel metallic. Sehr freundlicher Verkäufer. Ich fahr los. Ein Anruf auf Höhe Steinhäusl: "Gut, dass ich Sie noch erwische, der Kollege hat das Auto schon verkauft."

Eigentlich grün

Am gleichen Tag noch eine Chance, kurz bevor es finster wird. Firma Intercar in Strasshof im zugigen Flachland östlich von Wien. Der Herr Robert präsentiert mir einen Hyundai i30 Kombi in noblem Dunkelmetallic. Sehr elegant! Erst Tage später, als ich den Zulassungsschein in Händen halte, sollte ich erkennen, dass es sich um ein grünes Auto handelt. 5.000 Kilometer, ein halbes Jahr alt, 21.500 Euro. LED-Scheinwerfer und Rückfahrkamera serienmäßig, sogar die Spiegel klappen beim Zusperren von selber ein – praktisch Neuwagen wie aus der Auslage.

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Verhandlungsspielraum beim Preis null, die Fußdackerln bleiben aber eh drinnen. Jeder Chef kann sich einen so angenehm freundlichen, korrekten, verlässlichen und zuvorkommenden Verkaufsberater wie den Herrn Robert nur wünschen. Gekauft.

Während ich bisher ziemlich unbekümmert, trotzdem fast hundertprozentig unfallfrei (auch ohne Fremdverschulden) mich weit jenseits einer Million Kilometer automotiv durch das Leben bewegte, spüre ich jetzt, beim eigenen Auto, wieder die Verletzlichkeit des Blechs, sehe nun überall Wappler, die mir reinfahren wollen, und halte großen Abstand zu den Vorderwagen. Damit mir keiner einen Stein auf die Windschutzscheibe kickt. (Rudolf Skarics, 22.12.2021)