Jewgeni Prigoschin, hier auf einem Archivbild mit Russlands Präsident Wladimir Putin aus dem Jahr 2010, stieg in die Finanzierung von Söldnern der "Wagner"-Gruppe ein.

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"Unser Geschäft ist der Tod – und das Geschäft läuft gut", steht auf den Ärmelstickern. Der makabere Spruch ist nicht gelogen. Zumindest, was die Hintermänner der Söldnertruppe "Wagner" betrifft.

Benannt ist sie nach dem Decknamen des ehemaligen Oberstleutnants Dmitri Utkin vom russischen Armeegeheimdienst GRU, der die Einheit führt. Ihren Aufstieg verdankt sie der Ukraine-Krise 2014. Denn Moskau beharrt bis heute darauf, dass es sich um einen rein innerukrainischen Konflikt handelt – ausgetragen zwischen Nationalisten auf der einen und prorussischen Rebellen auf der anderen Seite.

Oligarchen finanzieren mit

Russland hat daher offiziell keine Streitkräfte in den Donbass entsandt, auch wenn jüngst ein Gerichtsurteil in Rostow anderes enthüllte. Dass Freiwillige "dem Ruf ihres Herzens folgend und nicht für Geld" dort kämpften, könne der Kreml aber nicht verhindern, hatte Präsident Wladimir Putin Ende 2014 einem ukrainischen Journalisten beschieden, der ihn dazu aufrief, die Soldaten abzuziehen.

Ganz ohne Geld kämpften die Söldner freilich nicht. Wurden sie zunächst aus freiwilligen Spenden bezahlt und bekamen etwa 60.000 Rubel (entsprach damals etwa 1.000 bis 1.200 Euro), so kassierten sie zum Jahresende schon das Vierfache, also bis zu 240.000 Rubel, nachdem Oligarchen wie Konstantin Malafejew oder Jewgeni Prigoschin in die Finanzierung einstiegen.

Vom Koch zum Proviantmeister

Letzterer wurde bekannt als "Putins Koch", weil der zu Sowjetzeiten wegen Diebstahls, Raubs, Betrugs und Zuhälterei zu zwölf Jahren Haft verurteilte gebürtige Leningrader in den 90er-Jahren zum Geschäftsmann im Restaurant- und Cateringbusiness aufstieg und dabei gute Beziehungen zum damals in der Stadtverwaltung von St. Petersburg sitzenden Putin knüpfte.

Nach mehreren Staatsempfängen, die Prigoschin organisierte, wurden die Medien auf ihn aufmerksam. Erst bewirtete er Putin auf seinem Restaurantschiff New Island, später wurde er zum "Proviantmeister" der russischen Streitkräfte, seine Firma Konkord AG bekommt seit Jahren über 90 Prozent der Lieferaufträge für die Feldküchen. 2012 organisierte er den Empfang für die erneute Amtseinführung Putins und gilt als einer der Vertrauten des Kremlchefs.

Einsatz in Syrien

Prigoschin erkannte schnell die Möglichkeiten des Geschäfts: "Wagner" baute er zu einer schlagkräftigen Truppe aus. Die Männer der Einheit, wegen der Namensgebung der Truppe in Militärkreisen teils auch "Musikanten" genannt, trainieren eng mit russischen Soldaten und Sondereinheiten zusammen und waren auf der Krim, in der Ostukraine und später auch in Syrien im Einsatz.

Obwohl Söldnertum in Russland eigentlich verboten ist, war die Gruppe auch bei der Eroberung der syrischen Stadt Palmyra – dort liegt das Gros der Ölquellen – dabei. Prigoschin sicherte sich im Gegenzug für die Hilfe gegenüber Bashar al-Assad Förderrechte für ein Viertel der fossilen Rohstoffe in Syrien.

Inzwischen hat die "Wagner"-Truppe ihre Geschäfte expandiert. Oft ist sie in Bürgerkriege verwickelt, in anderen Fällen übernimmt sie Wachaufträge oder bildet (para-)militärische Einheiten aus. Sie ist in Libyen, im Sudan, in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), in Angola, Madagaskar, Simbabwe und Mosambik tätig. Westliche Staaten werfen auch den Machthabern in Mali vor, "Wagner"-Söldner einzusetzen, was diese allerdings bestreiten. Die Außenminister der EU-Staaten haben Mitte Dezember Sanktionen gegen die Firma beschlossen, der sie unter anderem Folter vorwerfen. Russland übte postwendend Kritik und sprach von "Hysterie".

Filmemacher getötet

Als die drei russischen Journalisten Orchan Dschemal, Alexander Rastorgujew und Kirill Radtschenko 2018 einen Film über die Tätigkeit von "Wagner" in der ZAR und die mögliche Ausbeutung von Goldminen in der Republik durch Prigosch-nahe Firmen drehen wollten, wurden sie ermordet. Zwei Jahre später erklärte das russische Ermittlungskomitee die Tat trotz zahlreicher Ungereimtheiten zum einfachen Raubmord.

Einige Mitglieder der "Wagner"-Einheit wurden zu verschiedener Zeit im Kreml ausgezeichnet. 2016 besuchte Utkin als Träger von vier Tapferkeitsorden einen Empfang im Kreml zum Tag der Helden des Vaterlands. Dabei ließ sich der aus dem Ural stammende Söldner mit Präsident Putin ablichten. Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigte später Utkins Teilnahme, ohne den Skandal allerdings weiter zu kommentieren. (André Ballin aus Moskau, 29.12.2021)