Im Jahr 1513 geht eine Seuche in der dalmatinischen Stadt Split um. Als eine Bewohnerin seines Nachbarhauses erkrankt, entscheidet sich der junge Adelige Gianfrancesco Bubanich aus Angst vor einer Ansteckung dazu, gemeinsam mit seiner Frau und dem notwendigen Gepäck vor der Krankheit auf die vorgelagerte Insel Šolta zu flüchten. Als er gerade mit dem mit Kleidung, Schuhen und Bettwäsche aus feinen Stoffen beladenen Boot aus dem Hafen von Split ablegen will, erscheint jedoch der Gesundheitsbeauftragte der Stadt, Giorgio Agostini, und befiehlt den Schiffsjungen unter Androhung von Stockschlägen, wieder anzulegen und die Ladung des Bootes im Hafen auszubreiten. Ohne weitere Diskussionen oder Rückfragen bei seinen Amtskollegen lässt der übereifrige Beamte daraufhin die persönlichen Gegenstände der Familie verbrennen. Bloß einige Perlen von Gianfrancesco Bubanichs Frau können aus den Flammen gerettet werden, der Rest seiner Fahrnisse bleibt als Asche in der Spalatiner Marina zurück.

Split von der Hafenausfahrt aus betrachtet. Rechts der Turm der Kathedrale des hl. Domnius (kroatisch Dujam oder Duje, italienisch Doimo). Die Hafenpromenade wurde im 19. Jahrhundert von den Österreichern modernisiert.
Foto: Lena Sadovski-Kornprobst

Rechtmäßige Verbrennungen?

Was sich hier im Hafen von Split zutrug, führte zwei Jahre später zu einem Gerichtsprozess um die Rechtmäßigkeit dieser Verbrennung und mögliche Entschädigungszahlungen. Geführt wurde dieser Prozess vor dem venezianischen Statthalter von Split: Denn Split gehörte zu dieser Zeit (genauer gesagt seit 1420 und bis 1797) wie die meisten anderen dalmatinischen Städte zum Herrschaftsgebiet der Republik Venedig. Auf die – rhetorisch häufig überhöhte und idealisierte – Gerechtigkeit Venedigs baute nun der geschädigte Gianfrancesco Bubanich, indem er diese Klage auf Entschädigung einbrachte. Nachzulesen ist dieses Verfahren in den Gerichtsakten Splits, die im kroatischen Staatsarchiv von Zadar aufbewahrt werden.

Im Laufe dieses Prozesses wurde aber nicht nur über die Rechtmäßigkeit der Verbrennung in diesem konkreten Fall sowie über persönliche Animositäten zwischen dem Adeligen und dem Gesundheitsbeauftragen verhandelt, sondern auch ganz grundsätzlich über die notwendigen und zulässigen staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung von Seuchen diskutiert. Letzterer Punkt soll nun im Folgenden näher behandelt werden, wobei Parallelen und Unterschiede zu heutigen Diskussionen sichtbar werden.

Vorweg muss gesagt werden, dass Seuchen im Mittelalter und der Neuzeit aufgrund der dichten Besiedelung und der mangelnden Hygiene in Städten leider überhaupt keine Seltenheit waren. Besonders die Pest (Beulen- wie Lungenpest) führte in Europa nach dem großen Ausbruch um 1348 immer wieder zu Epidemien, die hunderte bis tausende Menschen das Leben kosteten. In Wien erinnert die Dreifaltigkeitssäule auf dem Graben, die nach der großen Pestwelle von 1679 errichtet wurde, bis heute an die Schrecken dieser Krankheit, der die damalige Medizin kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Die "Behandlung" der Erkrankten beschränkte sich daher zumeist auf deren Isolation, sei es in häuslicher Quarantäne, sei es mit anderen Kranken in abgetrennten Lazaretten oder Seuchenhäusern, die angesichts des unfassbaren Leids und der vielen Toten von einem venezianischen Beobachter als die Hölle selbst bezeichnet wurden.1

Die Dreifaltigkeitssäule oder Pestsäule auf dem Wiener Graben.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Meldepflicht und Isolation

Zwar waren die Auslöser der Pest damals nicht bekannt – das Erregerbakterium Yersinia pestis wurde erst 1894 durch den namensgebenden Arzt Alexandre Yersin entdeckt – doch wusste man aus Erfahrung und Beobachtung, dass das Umfeld von Pestkranken häufig ebenso erkrankte, bis zum Ausbruch der Krankheit jedoch einige Zeit vergehen konnte. Daher war neben der Meldepflicht von Pestfällen und der Isolation von Betroffenen auch die vorbeugende Quarantäne von Kontaktpersonen oder Reisenden das wichtigste Mittel zur Eindämmung der Seuche.

Erstmals wurde eine solche Quarantäne für die Besatzung und Waren ankommender Schiffe in den 1370er-Jahren in Venedig und Ragusa, dem heutigen Dubrovnik, eingeführt; von der 40-tägigen Dauer der Isolation leitet sich bekanntermaßen auch der Begriff "Quarantäne" ab (italienisch "quaranta giorni", "quarantina di giorni" beziehungsweise französisch "quarantaine de jours"). Im Zuge der frühneuzeitlichen Kontaktnachverfolgung wurde 1541 in Venedig verordnet, dass im Falle eines Pestkranken oder -toten im Haus ein Notar die übrigen Bewohner genau befragen muss, ob sich der Betroffene zuvor in einem anderen Haus aufgehalten hat, in dem jemand verstorben war, oder ob Fremde bei ihm untergekommen waren.2

Zurück zu unserem Gerichtsverfahren aus Split: Auch die ostadriatische Stadt wurde immer wieder von der Pest geplagt. Das stetige Bewusstsein um die Möglichkeit eines erneuten Ausbruchs bezeugen die Quellen aus den Archiven: So enthalten etwa Pachtverträge Klauseln, die die Zahlungsverpflichtungen des Pächters im Falle einer Pestwelle aussetzen; es wird von Unterbrechungen der Handelsbeziehungen zu anderen Orten und der Isolation von möglicherweise an der Pest Erkrankten im Umland der Stadt gesprochen; und der venezianische Statthalter ordnete 1503 an, dass niemand einen Fremden ohne Genehmigung des Gesundheitsamtes bei sich beherbergen durfte.

Der Hafen von Split und der Marjan-Hügel vom Turm der Kathedrale aus.
Foto: Lena Sadovski-Kornprobst

Wie ein Tollwütiger

Die diesem Verfahren anlassgebende Verbrennung der persönlichen Gegenstände eines Pestkranken oder -verdächtigen war nun ebenso ein anerkanntes Mittel zur Eindämmung der Krankheit, wie auch der beklagte Gesundheitsbeauftragte in seinen Aussagen betonte. Bei einer durch Flöhe übertragenen bakteriellen Infektionskrankheit wie der Pest ergab dies durchaus Sinn, denn so konnten infizierte Flöhe beseitigt werden – auch wenn man, wie erwähnt, von der Schuld der Flöhe damals nichts wusste.

Der Beklagte Giorgio Agostini versuchte nun also, die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen zu belegen. Neben der Zulässigkeit der Verbrennung hob er dabei hervor, dass der klagende Adelige Gianfrancesco Bubanich sein Haus nicht hätte verlassen dürfen, da daran das Haus einer Pestkranken grenzte und er somit als Kontaktperson galt. Aus Angst vor einer Ansteckung habe Gianfrancesco Bubanich jedoch die Anordnung zur Quarantäne ignoriert und panisch, wie ein Tollwütiger – "come rabiato" –, sein Gepäck außer Haus und zum Hafen gebracht, wo er es überdies ohne Zustimmung des Besitzers in ein Boot geladen habe.

Angesichts dessen begründete der Gesundheitsbeauftragte die Notwendigkeit seines raschen und radikalen Handelns mit der Schwere der Pestwelle und ihren verheerenden Auswirkungen für die Stadt: In seinen Worten habe sich die Krankheit in Split selbst und in den an die Mauern grenzenden Vororten von Tag zu Tag um ein Vielfaches verbreitet. Die Einwohner habe dies in große Schrecken versetzt ("tutti territi & spaventati"), zumal ihnen zu dieser Zeit, im Jahr 1513, die ansonsten übliche Flucht ins Umland der Stadt nicht offenstand aufgrund der "fürchterlichen und wiederholten Einfälle der Türken". Denn dies war die Zeit der Osmanenangriffe, und 16 Jahre später sollten die Osmanen ja vor Wien stehen. Wer nur konnte, sei auf die Insel Šolta geflohen. Dies hatte nun auch der junge Adelige vor, doch als Kontaktperson war ihm dies in den Augen des Gesundheitsbeauftragten nicht gestattet.

Kleinreden der Seuche gab es damals schon

Gianfrancesco Bubanich selbst hatte naturgemäß eine gänzlich andere Sicht auf den Lauf der Dinge: Einerseits habe er gar keinen Kontakt zu der Pestkranken gehabt, da es keine verbindenden Türen zwischen den benachbarten Häusern gebe. Andererseits sei es in Venedig und auch auf der ganzen Welt üblich, dass selbst Pestkranke, die ihren Heimatort mit dem eigenen Hab und Gut verlassen wollten, nicht daran gehindert werden. Überdies habe Giorgio Agostini bloß von Wut ("furia") und Machttrunkenheit ("potencia absoluta") geleitet gehandelt, woran sich seine allgemeine Boshaftigkeit ("cativo animo") und Missgunst ("pessimo voler") gegenüber Gianfrancesco Bubanich gezeigt hätten. Er habe es auch unterlassen, die anderen Gesundheitsbeauftragten zu informieren und mit ihnen gemeinsam das weitere Vorgehen zu entscheiden, und das, obwohl sie nicht weit entfernt gewesen seien, da "Split nicht Mailand [sei], sondern [nur so groß] wie eine Schachtel".

Der interessanteste Punkt der Meinungsverschiedenheit betraf jedoch das Ausmaß der Epidemie: Während der Beklagte zur Rechtfertigung seiner Taten das Bild einer verheerenden Seuche mit vielen Toten zeichnete, die zudem durch kriegerische Einfälle der Osmanen verschlimmert wurde, sprach der Kläger von einer ganz anderen Situation: Weder hätten die Osmanen zu dieser Zeit das Umland von Split angegriffen, noch habe die Pest so stark gewütet, wie es sein Prozessgegner darstellte. In drei Monaten seien von allen Einwohnern der Stadt und ihres Umlands nicht mehr als zwanzig verstorben, weswegen keineswegs ein solcher Schrecken vorherrschte, wie der andere behauptete. Daher sei auch die Verbrennung seines Gepäcks eine völlig überzogene Maßnahme gewesen, die jeder Verhältnismäßigkeit entbehrte.

Welcher Argumentationslinie das Gericht schlussendlich folgte und wie es die Wahrheit über das Ausmaß des Pestausbruchs festzustellen versuchte, wissen wir aufgrund der unvollständigen Überlieferung des Prozessakts leider nicht. Aus dieser Quelle lässt sich daher auch nicht ablesen, wie schlimm die Pestwelle des Jahres 1513 in Split wirklich war. Neben den damaligen Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung sehen wir aber, wie schon damals in einem Streit unterschiedliche Meinungen über die Verbreitung und die Schwere einer Krankheit zur Bekräftigung des eigenen Standpunktes als Argumente vorgebracht wurden. Einer der beiden Kontrahenten muss dabei Unrecht gehabt haben, und obwohl er sich dessen wohl auch bewusst war, bestand er auf seiner Meinung, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Allein galt auch damals schon, dass Meinungen nicht über Tatsachen gestellt werden können. Dass jedoch die Krankheit wirklich verheerende Folgen haben konnte, zeigte dreizehn Jahre später die Epidemie der Jahre 1526–27: Ungefähr zwei Drittel (!) der fünf- bis sechstausend Einwohner zählenden Stadt fielen dieser Pest zum Opfer. Trotz Kleinredens von manchen Seiten hielt die Seuche also noch einiges für die Menschen bereit. (Lena Sadovski-Kornprobst, 21.12.2021)