Der der Corona-Demonstration am 4. Dezember gab es Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Foto: Markus Sulzbacher

Die FPÖ und deren Jugendorganisation wollen zu dem Thema nichts sagen, fünf E-Mails blieben unbeantwortet. Dabei wiegen die Vorwürfe schwer. Nachdem Angehörige des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) bei Corona-Demonstrationen mit einem "Immun gegen Globalisten-Propaganda"-Transparent durch Wien gezogen waren, wurden Antisemitismusvorwürfe laut. Für Bini Guttmann vom Exekutivrat des World Jewish Congress ist es ein "eindeutiges antisemitisches Banner", wie er auf Twitter schrieb. Und er führte erklärend aus, die Bezeichnung "Globalisten" diene hier den völkischen Rechtsextremen als Chiffre für "Juden". Neben dem Transparent fallen RFJ-Aktivisten und -Aktivistinnen bei Corona-Demos dadurch auf, dass sie zeitweise gemeinsam mit den Identitären marschieren und bei Scharmützeln mit der Polizei zur Stelle sind.

Als FPÖ-Chef Herbert Kickl dazu von Puls 4 befragt wurde, behauptete er, Ausschreitungen bei Demos würden "ausschließlich zulasten des schwarzen Blocks gehen" und seien "linken Anarchisten" und "Hooligans auf der linken Seite" zuzurechnen. Eine Aussage, die einer Überprüfung nicht standhält.

Das "Globalisten"-Banner des RFJ.

Schon vor dieser Aussage sorgte nämlich Roman Möseneder für Schlagzeilen. Möseneder musste seine Funktion als Obmann des RFJ Salzburg zurücklegen, nachdem er während der Corona-Demonstration am 4. Dezember in Wien eine Rauchbombe mit dem Fuß in Richtung von Polizisten gekickt hatte und auf einem Video dabei zu sehen gewesen war, wie er gemeinsam mit anderen Demonstrierenden eine Sperre der Polizei durchbricht. Der Wiener Polizei ist der Vorfall bekannt, sie will aber nichts zu Einzelpersonen sagen, wie sie in einer Stellungnahme schreibt.

Nachdem das Video vom Presseservice auf Twitter veröffentlicht wurde, hagelte es Kritik von den Salzburger Regierungsparteien ÖVP, Grüne und Neos. Neos-Klubobmann Sepp Egger sprach von "unfassbaren Szenen", die auch strafrechtliche Konsequenzen erfordern würden. "Offenbar ist Gewalt gegen die Polizei bei der FPÖ kein Problem mehr", sagte Egger.

Das Video von Presseservice.

Allerdings war Möseneder kein Einzelfall. Videos und Fotos von Corona-Demonstrationen der vergangenen Wochen zeigen weitere RFJ-Aktivisten aus Wien und Oberösterreich bei tumultartigen Szenen – gemeinsam mit den Identitären und anderen Rechtsextremen. Die Nähe von RFJ-Aktivisten und -Aktivistinnen zu den Identitären ist seit einigen Monaten festzustellen.

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) sieht eine "zunehmende Verschränkung vor allem zwischen der Parteiteilorganisation Freiheitliche Jugend und dem 'identitären' oder 'neurechten' Segment des nichtparteiförmigen Rechtsextremismus", seit Herbert Kickl die FPÖ übernommen hat. Sein Vorgänger Norbert Hofer ging auf Distanz zu der rechtsextremen Gruppierung, nachdem bekannt geworden war, dass deren Anführer von einem rechtsextremen Terroristen, der im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordete, eine Geldspende bekommen hatte.

Von Abstand ist bei öffentlichen Kundgebungen nichts zu bemerken. Freiheitliche Jugendliche fallen bei Demonstrationen der Identitären auf. Etwa am 31. Juli dieses Jahres. Damals führte Möseneder gemeinsam mit anderen Vermummten einen Umzug der Identitären in Wien an. Unter den Vermummten waren auch jene jungen Männer, die als "Wiener Wehrmänner", "Patrioten in Bewegung" oder "Widerstand in Bewegung" teilweise klandestin auftreten. Sie versuchen mit Aktionen wie der Störung der Pride in Wien oder der Erstürmung des Pastoralamts in Linz Schlagzeilen zu produzieren, wie deren Wortführer Gernot Schmidt in einem rechtsextremen Podcast erklärte.

Das Schweigen zu den Antisemitismusvorwürfen lässt vermuten, dass weder die FPÖ noch der RFJ sich damit groß aufhalten wollen. Dabei sorgte die Verwendung des Begriffs "Globalisten" schon im vergangenen Sommer für Diskussionen, nachdem ihn der ehemalige Präsident des deutschen Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, verwendet hatte. Maaßen, der vergeblich versuchte, für die CDU in den Bundestag einzuziehen, wurde unter anderem von Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Amts für Verfassungsschutz, vorgeworfen, "klassische antisemitische Stereotype" zu verwenden.

"Globalisten ist ein rechtsextremer Code, darin sind sich unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Bundeszentrale für politische Bildung einig", so Kramer. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung schreibt über Globalisierung als Feindbild unter anderem: "Hinter den unverstanden bleibenden Innovationsschüben der letzten Jahrzehnte steht damit für völkisch denkende Rechtsextremisten ein alter Feind: der Jude."

Das RFJ-Transparent.
Foto: Markus Sulzbacher

Die Einschätzung Kramers stützt sich auf die Analyse von Publikationen Maaßens. So schrieb Maaßen als Co-Autor in einem Magazin einen Essay mit dem Titel "Aufstieg und Fall des Postnationalismus". Darin skizziert er eine gesteuerte Entwicklung der gezielten Zerstörung gewachsener Traditionen und Nationalkulturen mit dem Ziel, das Volk in eine "anonyme, atomisierte Masse" zu verwandeln, die "leicht zu kontrollieren und zu manipulieren ist". Als Drahtzieher dieses Projekts hätten sich zwei Gruppen "verschmolzen", die man bisher für Gegner hielt: zum einen die "vormals sozialistischen Linken" und zum anderen sogenannte "Wirtschaftsglobalisten". Letztere hofften, auf diese Weise "globale Profite zunehmend auf einige tausend Familien zu konzentrieren, die sich daranmachen, bald alles zu besitzen".

Auch der deutsche Rechtsextremismusforscher Matthias Quent kommt zu dem Schluss, dass sich Maaßen hier in der ideengeschichtlichen Tradition antisemitischer Weltbilder bewegt: "Das ist die Erzählung von wurzellosen, in der Diaspora lebenden jüdischen Kräften, die angeblich sowohl hinter dem Kapitalismus als auch hinter dem Bolschewismus stecken und für die Auflösung von Volk und Nation verantwortlich seien", sagte Quent der "Tageszeitung". Maaßen stritt vehement ab, antisemitische Stereotype zu verbreiten.

Strache: Antisemitismus in der FPÖ

Dass Antisemitismus in der FPÖ zu finden ist, wird auch vom ehemaligen Parteichef Heinz-Christian Strache bestätigt. In seinem unlängst veröffentlichten Buch "Das Ibiza-Attentat" hält er fest, in der FPÖ gebe es "winzige Nester, in denen einzelne Personen leider ewiggestrigen Ideen anhängen". Außerdem hätten "gut vernetzte Cliquen" innerparteilich Ressentiments gegen ihn verstärkt, nachdem er gegen Antisemitismus und für "ein gutes Verhältnis zu Israel" eingetreten sei. (Markus Sulzbacher, 22.12.2021)