Ruckhafte Steigerungen führten zu verhaltenen Höhepunkten.
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Wien – Mit Ivo Pogorelich teilt Lucas Debargue das Schicksal, dass er bei einem großen Wettbewerb (Tschaikowski 2015) beim Publikum populär war, aber keinen der ersten drei Plätze gewonnen hat (er wurde Vierter). Was der Franzose hingegen definitiv nicht mit dem kroatischen Kollegen teilt, ist sein Hang zu exzentrischen Interpretationen.

Debargue bewies sich bei seinem Auftritt im Konzerthaus als Künstler, der in seinen Interpretationen nie die Bahnen der Konvention verlässt. Die Überwältigung, alles Rauschhafte schien der 31-Jährige zudem zu scheuen: Das schwere Gelände von Schumanns f-Moll Sonate op. 14 absolvierte er mit Sicherheitsgurt und Bodenhaftung, ruckhafte Steigerungen führten zu verhaltenen Höhepunkten.

Debargue machte den Bauplan der Komposition, ihr harmonisches Fundament und melodisches Geflecht in jedem Moment nachvollziehbar; die emotionale Durchdringung des konzise analysierten Materials ließ Wünsche offen. Dennoch: ein interessanter Gegenpol zur Abteilung der Egoshooter und Zirkuspianisten.

Keck, fantasievoll und hochpräzise

Introspektive Abschnitte bei Fauré (Barcarolle Nr. 3 Ges-Dur und Ballade Fis-Dur op. 19) kamen seinem Naturell entgegen: wunderschön. In der vierten Skrjabin-Sonate wurden intime Klangzauberwelten im Andante bald durch eine penetrante Melodiezeichnung gestört; eckige Nervosität und Gehetztheit statt atemloser, fliegender Euphorie im Finalsatz.

Wenn Debargue auch im zweiten Teil des Konzerts auftaute: Die großen Show-Acts der Romantik schienen ihm nicht unmittelbar zu liegen. Diese These wurde mit seiner dritten Zugabe bewahrheitet. Die Scarlatti-Sonate K. 253 war Weltklasse: keck, fantasievoll und hochpräzise zugleich. Ein Erweckungserlebnis. (Stefan Ender, 21.12.2021)